Dominique de Marné

Dominique, 32, spricht offen über ihr Leben mit Borderline

Warum setzt du dich so stark für einen offenen Umgang mit psychischen Erkrankungen ein?

Ich habe zehn Jahre lang nicht richtig gelebt. Wenn jemand mit mir in der Schule darüber geredet hätte, hätte ich mir das vielleicht sparen können. Das möchte ich anderen ermöglichen. Zu viele Leute warten zu lange oder holen sich nie Hilfe.

Was macht das mit den Betroffenen, wenn sie nicht offen darüber reden?

Wenn sie sich immer verstecken, schränkt sie das dauerhaft ein: Durchschnittlich vergehen von den ersten Symptomen bis zur Diagnose sieben Jahre, einen Tumor würden wir nicht so lange wachsen lassen! Probleme werden nur größer, je länger wir sie nicht beachten. Viele können sich gar nicht vorstellen, eine Viertelstunde auf der Couch zu liegen und nichts zu tun, weil sie mit ihren Gedanken allein wären. Das musste auch ich erst lernen. Wir müssen von Anfang an darüber reden, nicht erst am Krisenhöhepunkt.

Auch die, die nicht von einer Krankheit betroffen sind, trauen sich nicht, darüber zu sprechen. Wie können sie das lernen?

Im Vergleich mit körperlichen Krankheiten: Wenn ein Kollege mit Gips ankommt, fragen wir, was passiert ist. Über Essstörungen können wir genau so reden: „Mich würde das interessieren und ich würde gerne mehr darüber erfahren, wenn du mal magst.“ Zack, ganz normal. Denn zu einem Diabetiker sagen wir auch nicht: „Lass das mal mit dem Insulin, das nervt mich.“

Floskeln wie „Reiß dich zusammen“ oder „Du willst doch nur Aufmerksamkeit“ bringen nichts, sind aber in unseren Köpfen fest verankert.

Wenn jemand so stark Aufmerksamkeit möchte, ist offensichtlich eine Notlage dahinter. Aber durch solche Floskeln haben die Betroffenen noch weniger Kraft und Lust sich zu öffnen. Es ist nicht Aufgabe der Freunde, denjenigen zu heilen, aber am Ende läuft es immer wieder auf die abgedroschene „Hilfe zur Selbsthilfe“ raus. Wir können anderen nicht helfen gesund zu werden, aber den richtigen Weg einzuschlagen. Einem Depressiven drei Tage lang die Wäsche und den Haushalt zu machen, führt dazu, dass er sich noch schlechter fühlt. Besser ist, einfach da zu sein und eventuell ein paar für ihn hilfreiche Telefonnummern rauszusuchen.

 

Falls du oder ein Freund ähnliche oder andere Probleme hast, kannst du dir hier Hilfe und Unterstützung holen:

Telefonseelsorge: 0800-1110111 oder 0800-1110222 oder 116123
Anonyme, kostenlose Beratung rund um die Uhr und bundesweit. Telefonisch oder per Mail.

Info-Telefon Depression: 0800-3344533
Für Betroffene und Angehörige, kostenlos und bundesweit, montags/ dienstags/ donnerstags von 13 bis 17 Uhr, mittwochs und freitags von 08.30 bis 12.30 Uhr.

Nummer gegen Kummer: 116111
Für Kinder und Jugendliche, anonym und kostenlos in ganz Deutschland, montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr. Telefonisch oder per Mail.

Elterntelefon: 0800-1110550
Für Eltern, anonym und kostenlos in ganz Deutschland, montags bis freitags von 9 bis 11 Uhr und dienstags und donnerstags von 17 bis 19 Uhr.

 

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Bildquelle: ZEITjUNG