Dominique, 32, spricht offen über ihr Leben mit Borderline
Ein Drittel aller Deutschen wird im Leben einmal psychisch krank, trotzdem reden wir nicht darüber. Das Thema psychische Gesundheit wird bei uns lieber totgeschwiegen. Dominique de Marné möchte das ändern. Bis sie ihre Diagnosen zu Depression, Borderline und Alkoholabhängikeit erhielt, verging eine lange Zeit. Über zehn Jahre mussten seit den ersten Symptomen vergehen, bis sie wusste, was eigentlich los war. In dieser Zeit begann sie, ihre Erfahrungen auf ihrem Blog Traveling The Borderline zu veröffentlichen.
„Wer will schon normal sein?“
Die 32-Jährige fühlt sich heute wahnsinnig stabil, ihr Leben ist nicht mehr dasselbe wie vor fünf Jahren. Und jetzt gefällt es ihr deutlich besser. Sie hat Kommunikationswissenschaften und Psychologie studiert. In ihrem neuen Buch „Warum normal sein gar nicht so normal ist“ macht sie Leuten Mut, offen über ihre Krankheiten zu sprechen. Und kämpft dafür, dass wir endlich über psychische Probleme genau so normal reden können, wie über einen Gips am Bein.
ZEITjUNG: Warum hast du erst so spät festgestellt, dass du krank bist?
Dominique: Mir war schon länger klar, dass nicht alles normal ist. Aber für mich gab es nur eine Erklärung: Ich bin der Fehler. Ich habe nie eine Krankheit dahinter vermutet. Erst als es schlimmer statt besser wurde und ich zu einer Therapeutin ging, habe ich erfahren, was los ist.
Wie konntest du das so lange vor anderen verstecken?
Meine äußere Fassade hat immer gestimmt: gutes Abitur, Beruf, nie arbeitslos. Keiner hat mitbekommen, wie verzweifelt ich war. Dass mit mir etwas nicht stimmt, war mir peinlich und ich war nicht einmal ehrlich zu mir selbst.
Hat sich das geändert, als du endlich wusstest, dass deine Krankheit einen Namen hat?
Es war eine riesige Entlastung und nach dem ersten Schock ein geiles Gefühl. Ich hatte endlich eine Stellschraube, mit der ich etwas verändern konnte. Es gab Bücher und Therapien und ich begriff, dass ich mir das nicht ausgesucht habe. Und dass es besser werden kann.
Auch spannend: Marco, 21, spricht offen über seine Depression und Essstörung
Wie hat dein Umfeld auf die Diagnose reagiert?
Viele waren überrascht: Du und Depressionen?! – Ja. Aber du siehst gar nicht so aus?! – Wie soll ich denn auch aussehen. Ich laufe Marathons und gehe gerne in die Berge, das erwarten die Leute nicht. Sie sahen mich nur funktionieren, meine Abstürze daheim haben sie nicht mitbekommen.
Gab es einen Moment, in dem du gedacht hast: „Jetzt bin ich nicht mehr krank“?
Ich sage: Psychische Krankheiten sind nicht heilbar, aber behandelbar. Sucht, Depression und Borderline sind bei mir noch da. Aber jetzt kontrolliere ich sie, früher war das andersrum. Ob ich geheilt bin? Dann wäre ich am Ende normal, wer will das schon. Vielleicht werde ich rückfällig, doch jetzt bin ich besser gewappnet.