Durchgesuchtet: Kubanischer Flair mit der Sitcom „One Day at a Time“

„Hey, ist das Bild von Halloween?“, fragt der Patient die Krankenpflegerin im Behandlungszimmer und zeigt auf ihr Clipboard, das ein Foto von mehreren Frauen in Armeeuniform zeigt. „Nein, ich glaube, das war kurz vor Weihnachten“, antwortet diese trocken. Es ist die Eingangsszene der Netflix-Sitcom „One Day at a Time“, und wie die darauffolgenden Szenen zeigt sie, warum das Remake der gleichnamigen Fernsehserie aus den 70er und 80er Jahren klassisch und doch völlig anders ist.

Netflix adaptierte die Grundidee einer alleinerziehenden Mutter von zwei Kindern, die zwischen Job und Familie allerlei Herausforderungen meistern muss. Das ist aber auch fast schon die einzige Gemeinsamkeit: Die alleinerziehende Mutter heißt Penelope Alvarez, ist Kubanoamerikanerin, ehemalige US-Soldatin – und besagte Krankenschwester aus der beschriebenen Szene. Netflix schafft es mit „One Day at a Time“, eine traditionelle Multi-Cam-Sitcom auf erfrischende Weise in die heutige Zeit zu bringen.

Wohlfühlatmosphäre und ernste Themen

Neben Penelope dreht sich alles um die vierköpfige Familie Alvarez, bestehend aus der politisch korrekten Tochter Elena, ihrem verhätschelten, jüngeren Bruder Alex und der lauten und eitlen Großmutter Lydia, die zusammen unter einem Dach wohnen und eine enge Freundschaft zu ihrem etwas weltfremden Vermieter Schmidt pflegen, der mit einer peinlichen Selbstverständlichkeit in ihrer Wohnung ein und aus geht.

Auch wenn die Witze eher simpel sind und in hoher, manchmal zu hoher Frequenz kommen oder die Charaktere manchmal ein paar Klischees zu viel bedienen, schafft es die Sitcom, aktuelle und ernste Themen mit der nötigen Sensibilität zu besprechen. Vielleicht gerade durch ihre Leichtigkeit und Wohlfühlatmosphäre. Und zu jedem dieser Themen bezieht „One Day at a Time“ klar Stellung: Egal, ob es um Depressionen, PTSD, Coming Out, Sexismus oder Drogenabhängigkeit geht.

Teils überspitzte Gegensätze treffen aufeinander

„One Day at a Time“ besticht außerdem mit einer Vielfältigkeit, wie es sie sonst wahrscheinlich nur in der Serie „Modern Family“ gibt. Bis auf Sohn Alex, und den Vermieter Slash selbsternanntes Familienmitglied Schmidt, werden alle Hauptrollen von Frauen besetzt. Und: Es ist eine kubanische Migrantenfamilie, deren Kultur, Stolz und Mentalität oft ganz selbstverständlich Teil der Erzählung sind. An vielen Stellen der Serie fließen sogar ganze Sätze oder Dialoge auf Spanisch ein. Teil der Erzählung sind aber auch die schwierige Balance zwischen der Wahrung der eigenen kulturellen Identität und Integration und die Allgegenwärtigkeit von Rassismus.

Die Charaktere verkörpern die sie bezeichnenden Eigenschaften plakativ und teils so gegensätzlich, dass viel Platz für Spannungen und Lacher entsteht. Mit Penelopes Tochter Elena trifft eine überzeugte Feministin, bei der tendenziell jedes falsche Wort Empörung auslöst und die bei jedem Protest für Minderheiten auf die Straße geht, auf die Großmutter Lydia, eine traditionelle, katholische und stolze Kubanerin, die Bilder des Papstes als Inspiration im ganzen Haus aufhängt. Außerdem gibt es Paarungen wie die starke Frau gegen den schwachen Mann, Teenager gegen Mutter, Erbreich gegen „working class“.

Ein Teil der Familie Alvarez

Das wahrscheinlich Schönste an „One Day at a Time“ ist, dass es zwar immer mal wieder, aber eher begleitend und oberflächlich von der Liebe im romantischen Sinne handelt. Was aber nicht bedeutet, dass die Sitcom nicht vor Liebe sprüht, ganz im Gegenteil: Es geht um die Liebe zwischen Geschwistern, Mutter und Kind, Freunden. Und dabei ist sie so warmherzig, dass man sich schon nach den ersten Folgen fast wie ein Teil der Familie Alvarez fühlt.

Bei mir zumindest setzt schon beim Erklingen des Intros ein so wohliges Gefühl ein wie es sonst nur die „Gilmore Girls“ vermochten. Umso trauriger, dass Netflix jetzt nach der dritten Staffel das Ende von „One Day at a Time“ angekündigt hat. Nichtsdestrotrotz: Es sind drei Staffeln, die es sich lohnt, anzugucken.

Folge ZEITjUNG auf Facebook, Twitter und Instagram!

Bildquelle: Netflix