Echo: Tag der Abrechnung

There’s no business like show-business. Das heißt: Es gibt keine Preisverleihung ohne Preisverleiher. Nach diesem Motto gibt es den Echo. Nicht ganz so glamourös. Aber: Die Deutschen können den Deutschen zum 25. Mal selbst einen Musikpreis verleihen und müssen nicht vergebens auf eine Nominierung bei den Grammys hoffen. Und weil die Deutschen ja immer alles richtig machen, wird der Echo natürlich auch an internationale Künstler verliehen. Von denen war nur fast keiner da. Mal wieder.

Nominiert werden beim Echo die in jeder Kategorie fünf meistverkauften Acts. Um wenigstens ein bisschen Spannung zu suggerieren, wählt eine Jury aus diesen fünf Bestgecharteten den Gewinner. Diese Jury besteht aus den BVMI-Mitgliedern, dessen Vorstand und früheren Gewinnern.

 

Das große Vorbild

 

Beim Grammy spielt die Chartplatzierung keine Rolle. Die Jury reicht Vorschläge ein, die von einem Gremium auf die Kategorien verteilt werden (Pop, Rap, Rock, …). Dann gibt es eine Vorabstimmung, um die Nominierten zu ermitteln. Um die Auszählung kümmern sich die Wirtschaftsprüfer von Deloitte, was Unabhängigkeit und Transparenz bedeutet. Aus den Nominierten werden dann die Gewinner gewählt. Die Jury besteht aus den Mitgliedern der „Recording Academy“, also aus Künstlern, Produzenten, Tontechnikern und anderen Menschen, die an der Entstehung von Musik (und nicht nur ihrer Vermarktung) mitwirken. Das kann dann schon mal dazu führen, dass Arcade Fire zurecht für „The Suburbs“ 2011 die Auszeichnung für das beste Album erhielten – gegen Eminem und Lady Gaga. Beim Echo wird so etwas nie passieren. Wir werden also auch nie einen Tumblr wie „whoisarcadefire?“ erleben, wo die lustigsten bis dümmsten Reaktionen auf den Gewinn der im Vergleich mit den Weltstars doch unbekannten Band gesammelt wurden.

Das Album des Jahres beim „deutschen Grammy“ kommt, wie nicht anders zu befürchten war, von Helene Fischer. Es heißt „Weihnachten“. Außerdem gewann die Schlagerqueen die Kategorie „Crossover“. Helene. Fischer. Crossover. Alles klar…

 

Beim Echo wird gewürdigt, wer eh schon den größten Erfolg hat

 

Die irische Sängerin Enya tritt auf, geht seit Neuestem sogar auf Tour, etwas, das sie früher nie getan hatte, da sie ihre Musik als zu komplex produziert einschätzte, um sie live aufführen zu können. Von der Moderatorin wird ihr Auftritt angekündigt mit den Worten „Wir können froh sein, dass eine weltweit so erfolgreiche Künstlerin bei uns ist“. Herrlich, diese Tiefstapelei, Verzeihung, Ehrlichkeit über das wahre Gewicht dieser Veranstaltung. Der Refrain schläfert nicht nur das im Schnitt immer vergleichsweise graugetigerte ARD-Publikum mit „Hallelujahs“ und deren Echos ein. Insofern sehr passend gewählt.

Beim Echo gestern in der ARD war eigentlich alles sehr vorhersehbar. Denn wer in den Charts ganz oben war und die größten Erfolgsaussichten hatte, weiß man ja aus dem Radio. Das ist für den Zuschauer fast ein bisschen wie die Doppelbestrafung beim Fußball, wenn der letzte Mann im Strafraum Foul spielt und es dann Elfmeter plus rote Karte gibt. Beim Echo wird gewürdigt, wer eh schon den größten Erfolg hat. Trotzdem behauptet man auf der Homepage, man fördere auch Nachwuchskünstler. Wer das versteht, versteht auch, warum Putin trotz der Enthüllungen der Panama Papers absolut unschuldig ist. Wenigstens hießen die Laudatoren in bestem Marketing-Denglisch „Presenter“ (die Rechtschreibprüfung meines Textverarbeitungsprogramms wird an dieser Stelle sofort rot – vor Scham). Ein bisschen Jugendlichkeit schadet der Veranstaltung aber sicher nicht.

 

Was soll man dazu noch sagen?

 

Bernd Begemann, ein deutscher Musiker, der zwar jeden Preis der Welt verdient hätte für sein musikalisches und Bühnenwerk, ist hingegen froh, dass er gestern Abend nicht beim Echo war. Auf Facebook postete er heute Morgen:

„Bei einigen Interviews in letzter Zeit ging es ab und zu so ‚na, du warst ja noch nie so WAHNSINNIG erfolgreich, das muss doch an dir nagen?‘ Nun, wenn ich mir vorstelle, da beim „Echo“ rumsitzen zu müssen, kann ich nur sagen: ‚was für ein Scheiß-Segen‘. Ernsthaft, was für ein Alptraum das war… Wie die nominierten Künstler sich per Video-Einspieler einen abbrechen müssen, um zu erklären WIEVIEL DIESER GROßARTIGE PREIS IHNEN BEDEUTET. Wenn du Frei.Wild applaudieren musst. Wenn du David Bowie warst und deine Errungenschaften vom Vorsitzenden der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr gewürdigt werden. ein Alptraum… Sagte ich das schon? Verzeihung.“

 

2013 wurden die wegen ihrer rechten Vergangenheit und zweifelhaften Heimatverbundenheit höchst umstrittenen Frei.Wild vom Echo ausgeladen. 2014 wurden sie erneut nominiert, sagten aber aus Protest die Teilnahme ab. Dieses Jahr siegten sie in der Kategorie Rock-Alternative. Das einzig Gute an der Vergabemethode der größten Musikverkäufer ist offensichtlich, dass der Preis für Frei.Wild nicht für ihre „gute“ Musik vergeben wurde.

 

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Bildquelle: Jay Wennington unter cc0 1.0