Über Etappensieger und Hängenbleiben

Manchmal, zwischen angepasster Werbung, YouTube-Videos und prolligen Fotos aus dem Fitnessstudio, tauchen sie auf. Diese kleinen, eigentlich unauffälligen Posts von Ex-Freunden. Mit der Neuen, auf Reisen, beim Feiern. Und dann kommt es vor, dass da dieses fiese Ziehen im Bauch auftaucht. Dieses Ziehen, das uns sagt, dass wir immer noch festhängen. Zumindest ein klitzekleines bisschen.

Ist es in Ordnung, noch an Ex-Partner zu denken? Dürfen wir das? Und wenn wir das noch tun, dürfen wir uns dann überhaupt auf jemand Neues einlassen?

 

„Wie konnte ich denn bitte mit so jemandem zusammen sein?“

 

Solche Sätze sagen einer Studie der Universität Bonn zufolge nur jene über ihre Ex-Partner, die noch nicht mit der Beziehung abgeschlossen haben. Wer sich positiv äußert ist drüber hinweg und automatisch glücklicher.

Die Studie sagt auch, dass das wirksamste Hilfsmittel ein neuer Partner ist. Aber sind selbst mit neuem Partner nicht Gedanken an den alten normal? Ab und zu zumindest. Und müssen wir nicht tolerieren, dass unser neuer Partner eventuell auch jemanden hat, an den er noch denkt?

 

Der kleine, aber feine Unterschied

 

Wenn man diese Frage bewertet, muss man differenzieren. Zwischen „an jemandem hängen“ und „noch an jemanden denken müssen“. Das macht einen gehörigen Unterschied. Der Begriff sagt’s doch schon. Hängt man noch an jemandem, dann ist man vermutlich niemals weggekommen. Dann war das „Schluss machen“ tatsächlich nur eine Änderung des Facebook-Status, nicht aber ein Loslassen. Und das ist gefährlich.

Denn dann gibt es kein persönliches Vorankommen. Man verbietet sich selbst die Chance auf neues Glück. Weil man denkt, dass man das eine, einzig wahre Glück nur in diesem einen Menschen finden kann. Das ist vollkommener Quatsch. Deswegen gilt die Devise: Wer loslässt, hat beide Hände frei. Und mit freien Händen lässt sich jemand Neues, der eventuell sogar noch besser passt, auch viel besser umschlingen und abknutschen.

Dagegen ist „noch an jemanden denken müssen“ vollkommen normal. Wir denken ständig an die Vergangenheit. Das macht uns zu Menschen. Und in Verbindung mit Gedanken kommen eben bestimmte Gefühle hoch. Das passiert selbst, wenn man an alte Freunde denkt. Oder an Urlaubsorte. An Konzerte. An durchzechte Nächte. Solange wir keinen Hass und keinen Schmerz mehr dabei spüren, sind diese Gedanken zweifellos in die „noch an jemanden denken müssen“-Schublade zu stecken. Und dann darf man sich auf jemand Neues einlassen. Solange dieser Jemand fähig ist zu akzeptieren, dass man eine Vergangenheit hat.

 

Von Laptops und der Tour de France

 

Wir sind eben keine Laptops, die man auf Werkseinstellungen zurücksetzen kann. Man kann sie nicht so ohne Weiteres löschen: Die Bilder, die sich in die Innenseite unserer Lider eingebrannt haben. Die Sätze, die wir gesagt und auf die noch weißen Seiten unseres Gedächtnisses in Schönschrift notiert haben. Oder die Lieder und die Gefühle, Momente, Gerüche und Gesichter, die wir immer nur in Verbindung miteinander sehen werden.

Jeder hat solche Ordner. Voll mit Vergangenheit und Ressentiments. Und es ist in Ordnung, ab und zu in den Tiefen des Papierkorbs zu wühlen und sich durch alte Gefühle zu klicken. Es ist auch in Ordnung, dabei mehr als Nichts zu fühlen, solange wir den Ordner nicht auf den Desktop rüber ziehen und uns tagtäglich in Fantasien darüber stürzen, ihn mit neuen Bildern, Liedern und Sätzen zu füllen. Dann sind wir nämlich einfach noch nicht bereit einen neuen Ordner zu erstellen.

Vielleicht ist unser Leben ein bisschen wie die Tour de France. Zwar gibt es pro Etappe einen, der einsame Spitze ist. Der ganz alleine vorne fährt: Unser ganz persönlicher Etappensieger. Und vielleicht wird er ja sogar der Sieger der ganzen Tour. Aber vorherige Sieger fahren trotzdem mit. Und auch, wenn sie erst die Zielgerade passieren, wenn wir schon lange mit der Nummer Eins und Champagner im Hotelzimmer verschwunden sind, so sind sie noch immer da. Weil sie an einem bestimmten Punkt aus gutem Grund selber Sieger waren. Deswegen tragen wir sie in unserer Erinnerung. Und daran ist rein gar nichts auszusetzen.

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Bildquelle: justine-reyes unter CC BY 2.0