falsche-Romantik-im-Urlaub

Love in Fauxville?

Von Melanie Wolfmeier

Heute nicht, denke ich / Während sich der Atem über die Scheibe legt / Und ich mein Spiegelbild verlier‘ / Und alles was ich seh‘ / Sich nicht wirklich als konkret herauskristallisiert. 

Was sich da durch die Songtextzeilen Unterwasserliebe von OK KID schleicht, schmeckt nach Melancholie und verschwommener Realität. Zwei Begriffe, die man so schön in einem Satz mit der Liebe nennen kann. Vor allem im Urlaub zerreiben wir gerne unseren Sinn für das Wirkliche. Wir lassen ihn durch unsere Finger rieseln wie Sandkörner und bauen damit Luftschlösser, die dann nach dem Urlaub langsam vom Meer weggeschwemmt werden.

 

Sonne, Strand, Meer und an der Hand jemanden für Unterwasserliebe

 

Eine schöne Vorstellung ist es schon: Sonne, Strand, Meer und jemanden an der Hand, mit dem man von Unterwasserliebe träumen kann. Als Hemya Moran vor einer ihrer Reisen den Zielort Deauville googelte, einen verträumten Badeort in Nordfrankreich, sprangen ihr Fluten von Fotografien mit durchsichtigen Versprechen entgegen. „In these stock images there is a promise: a young, single girl armed with a bikini, determined enough for hunting and fishing for (preferably French) men in Deauville, will end up spending the weekend in the arms of a lover“, schreibt die Fotografin auf ihrer Website – und schnappte sich daraufhin ein paar völlig Fremde von der Straße, um selbst solche Fantasiebilder zu machen.

 

Liebe mit Ablaufdatum

 

Unter Wasser fühlt sich das Gewicht vom Alltag nicht mehr so schwer an und wir können uns leichter für etwas hergeben, was zu Hause nicht möglich ist: für eine schnelle, intensive Urlaubsliebe. Die Zeit ist begrenzt und so ist es auch die Menge an Gefühlen, die wir investieren. Und gelingt es uns tatsächlich, in der kurzen Auszeit die Sucht nach Liebe zu stillen, machen wir davon Beweisfotos. Gerade in Deauville scheint die gefälschte Romantik großartig zu funktionieren – aber eben nur für einen Bruchteil der Besucher, wie die Fotografin beobachtet hat.

Hemya Moran kopiert die pseudo-realistischen Motive. Sie posiert mit Fremden am Pool und in Ferienhäusern, um zu zeigen, dass mit ein bisschen Schummelei jedem die Flucht vor der Einsamkeit gelingen kann. Zumindest auf Fotos. „As my photographs go on to have a life of their own in the image world, they will themselves become swallowed up and incorporated into the online image bank, further complicating their slippery relationship with reality“, resümiert die Fotografin ihr Projekt.

Deauville ist, wie so viele Strände dieser Welt, eine Projektionsfläche für echte Liebe und falsche Hoffnungen, ein Ort mit Fake-Potenzial. Vielleicht sollte es nicht Deauville heißen, sondern Fauxville. Vielleicht wäre das aber auch nur unnötiger Schmerz. Denn die Utopie der Urlaubsliebe ist eben, was sie ist: eine nicht ganz realistische, aber wunderbar romantische Vorstellung.

 

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Bildquelle: Hemya Moran