Joanna Stein Sex Kolumne

Frag Joanna! „Warum wollen meine Kumpels nicht mit auf queere Partys gehen?“

Wenn man dann weiter nachfragt, dann stellt sich ziemlich schnell raus, dass das mit der Musik eigentlich sekundär ist, und die Jungs eigentlich in erster Linie ziemlich unsicher sind, was eine gleichgeschlechtliche Anmache angeht. Unangenehm finden sie das, und wollen sich dem deswegen lieber gar nicht erst aussetzen. Auch da muss ich mich an die oben bereits erwähnte Party erinnern, und daran, wie sich eine ziemlich große Frau vor mir aufgebaut hat, und ganz schön unverblümt gegraben hat. Ich war zwar auch groß, aber – doof für die Dame – auch ziemlich hetero. Das hab ich dann gesagt, nicht so souverän zwar, weil noch ganz schön jung damals, dafür aber nett, und damit war die Situation auch wieder vorbei. Eigentlich ganz einfach, sollte man denken. Und auch loszulösen von Geschlecht und sexueller Orientierung. Da will jemand vielleicht mehr von einem, man selbst will nicht, das sagt man, und gut ist. Bei Frauen kriegen die Männer das schließlich auch hin. Warum bringt sie das dann so aus dem Konzept, wenn das Gegenüber ein Typ ist?

Ich habe den starken Verdacht, dass das alles ganz viel mit Angst zu tun hat. Und die nährt sich zu einem großen Teil aus ziemlich platten Vorurteilen über den promiskuitiven, sexhungrigen, schwulen Mann. Der seine Finger nicht bei sich lassen kann und ein Nein erstmal nicht akzeptiert. Wie bei allen Vorurteilen gibt es sicherlich Individuen, die diesen entsprechen, die überwiegende Mehrheit hat damit allerdings nichts gemein. Ich glaube auch, dass dieses unangenehme Gefühl noch mehr beinhaltet: Was ist denn, wenn mir das tatsächlich doch gefällt? Wenn ich, als Mann, einen anderen Mann als attraktiv empfinde? Das bringt Männer eher aus dem Takt als Frauen, und auch das ist, aus meiner Sicht, wieder mit einem heteronormativen Stereotyp verbunden: Wer auf Männer steht, der kann selbst nicht allzu männlich sein. Und zu guter letzt, um das noch ein bisschen auf die Spitze zu treiben, könnte auch eine implizite Furcht dahinter stehen, die mit dem Thema Penetration zu tun hat, oder vielmehr mit dem passiv penetriert werden. Für viele Heterojungs ist das deutlich homoerotisch besetzt und wird daher eher abgelehnt, um sich eben nicht mit der Fluidität der eigenen Sexualität auseinander setzen zu müssen.

All das sind nur Gedankenexperimente und, zugegebener Maßen, kaum eine Antwort auf deine Frage. Verunsicherung schwingt bei allen Erklärungsansätzen mit. Und eigentlich müsste das nicht sein. Beim Feiern geht’s doch schließlich einfach darum, mit Leuten, die man mag, irgendwo ne gute Zeit zu haben. Sollte es da nicht ziemlich egal sein, welchem Geschlecht die Leute um einen herum angehören, und was für sexuellen Präferenzen sie nachgehen? Du bringst da auf jeden Fall schon ne gehörige Portion Offenheit und Akzeptanz für Vielfalt mit und das auch weiter zu vertreten und zu artikulieren, führt vielleicht irgendwann dazu, dass auch die männlichen Mitglieder deines Freundeskreises Schranken im Kopf einreißen. Wenigstens das.

Über Joanna:

Joanna hat die Weisheit auch nicht mit Löffeln gefressen, aber während sie sich im Studium eigentlich mit der Theorie von Erziehung und Bildung hätte auseinander setzen sollen, hat sie sich lieber mit Gender Studies rumgeschlagen. Nach der Uni hat sie dieses Thema zum Beruf gemacht und arbeitet nun seit 5 Jahren als Sexualpädagogin bei einer Aidsberatungsstelle. Bald wird sie Kinder- und Jugendpsychotherapeutin, aber der Sex lässt sie nicht los.

Was sie in Bezug auf Sex gut findet: Alles geht, solange alle Beteiligten okay damit sind.

Außerdem: Wild sein und Dinge ausprobieren.

Was sie nicht so geil findet, wenn’s um Sex geht: Wenn Menschen, die sich abseits des sexuellen Mainstreams bewegen, das nicht in gleichem Maße ausleben können, weil unsere verdammte heteronormative Gesellschaft das nicht zulässt.

Außerdem: Langweilige Routinen.

Sexpositionen und -fetische, STIs und sexuelle Gesundheit, Verhütung, Körpergefühl, sexuelle Identität und Orientierung – Hau raus! Frag, was du schon immer wissen wolltest, oder hol dir den Rat den du jetzt grade dringend brauchst. Deine Fragen gerne an chefredaktion@zeitjung.de oder gleich hier als Kommentar! Alle Mails werden natürlich streng vertraulich gehandhabt.

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