9 Fragen, 9 Antworten: Ist das Blumenkohl? Ein Guide über Geschlechtskrankheiten

Eigentlich wollte Lena Müller Sport studieren – eigentlich. Bis sie nach dem Abi nach Burkina Faso reiste und dort unter anderem ein Praktikum im örtlichen Krankenhaus machte. „Im Viertel gab es eines Tages einen schweren Motorradunfall, ein junger Mann, ohne Helm. Er brauchte dringend ärztliche Versorgung, aber es gab keinen Krankenwagen, der ihn hätte transportieren können“, sagt Lena. „Das hat in mir den Wunsch ausgelöst, Medizin zu studieren.“

Heute ist Lena 32 Jahre alt und hat nicht nur Medizin, sondern auch Zahnmedizin und Journalismus studiert. Sie gründete die Organisation „DEVELOPmed.aid“, die Kindern in Burkina Faso medizinische Behandlungen ermöglicht. Vor Kurzem hat die gebürtige Mainzerin außerdem ein Buch herausgebracht, das sich an Frauen richtet: „Versteh eine die Frauen! Mythen über Körper und Psyche aufgedeckt.“ Dabei bespricht sie unter anderem ein über ein besonders mit Scham behaftetes Thema: Geschlechtskrankheiten. „Als ich ganz konkret für das Buch nach Geschlechtskrankheiten recherchiert habe, sind mir – selbst als Medizinierin – viele Dinge begegnet, bei denen ich dachte: Krass, das hab ich nicht gewusst. Wie soll das dann jemand wissen, der gerade in der Schule oder im Studium ist?“ So dachte Lena zum Beispiel lange, Kondome seien ein vollumfänglicher Schutz. „Ist aber gar nicht so.“ Wie kann man sich denn sonst noch schützen? Was sind eigentlich gängige Geschlechtskrankheiten und ihre Symptome? Und sind Genitalwarzen und stinkiger Ausfluss wirklich nur Frauenprobleme? Wir haben Lena mal die Fragen gefragt, die keiner gerne stellt.

 

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1. Was sind häufige Geschlechtskrankheiten?

Chlamydien sind eine der häufigsten. Außerdem kommen die HPV-Viren (Humane Papillomaviren) recht oft vor, die Gebärmutterhalskrebs auslösen können. Da gibt es über 200 verschiedene Viren, darunter sogenannte Hochrisikotypen, die dazu führen können, dass die Zellen entarten. Oder, was nicht so schlimm, aber auch nicht schön ist: Genitalwarzen. Auch die können durch den HPV-Virus ausgelöst werden. Eine häufige Geschlechtskrankheit ist noch die Gonorrhö, der Tripper. Eine Infektion mit Bakterien, die beim Mann zu Ausfluss aus der Harnröhre oder Schmerzen beim Wasserlassen führen können. Auch bei Frauen führt Gonorrhö zu Ausfluss und Beschwerden beim Wasserlassen. In 50% der Fälle kommt es bei Frauen zu gar keinen Symptomen. Genitalherpes ist eine weitere Geschlechtskrankheit, die viele in sich tragen, bei manchen aber niemals ein Symptom äußert – ähnlich wie bei Lippenherpes. Bei den meisten ist es allerdings so, dass sich kleine Bläschen bilden, die stark jucken. Wenn man ihn einmal hat, wird man Genitalherpes nicht mehr los. Der macht aber auch nichts Schlimmes, führt nicht zu Unfruchtbarkeit oder Krebsvorstufen. Er ist aber trotzdem sehr lästig und kann bei der Geburt auf das Kind übertragen werden.

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2. Gibt es Geschlechtskrankheiten, die zu Unfruchtbarkeit führen?

Ja, Chlamydien zum Beispiel. Wenn diese nicht behandelt werden, können sie bis in die Eileiter hinaufsteigen, die sich dann entzünden. Die Eileiter haben wenige Nerven. Deshalb kann man eine Entzündung haben, ohne, dass es weh tut. Irgendwann verkleben die Eileiter und das Ei kann nicht mehr durch. Das stellt man erst fest, wenn man nicht schwanger wird. Acht von zehn Frauen merken nichts davon, dass sie Chlamydien haben. Deshalb ist es so wichtig, dass man darüber spricht. Geschlechtskrankheiten sind der häufigste Grund für Unfruchtbarkeit bei Frauen. Dabei ist es eigentlich leicht, Chlamydien zu therapieren: Der Partner und man selbst nimmt vierzehn Tage lang ein Antibiotikum – damit ist die Sache durch. Das Problem ist eben, dass viele gar nicht wissen, dass sie Chlamydien haben. Deshalb verbreitet sie unbemerkt. Ein weiterer Auslöser für Unfruchtbarkeit: bakterielle Infektionen.

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3. Was sind Symptome, an denen man eine Geschlechtskrankheit erkennen kann?

Ganz typisch sind Juckreiz, Brennen, kleinere Hautgeschwüre oder Bläschen. Im Falle einer bakteriellen Infektion kann sich das bei Frauen an einem fischig riechenden Ausfluss bemerkbar machen, bei Männern zum Beispiel an eitrigen „Guten-Morgen-Tropfen“. Es kann auch Fieber oder eine Lymphknotenschwellung auftreten. Bei manchen Infektionen merkt man aber eben nicht viel – deshalb sollte man im Zweifel einer möglichen Ansteckung lieber eine Vorsorgeuntersuchung wahrnehmen.

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4. Kann man alle Geschlechtskrankheiten therapieren, wenn man sie erkennt?

Viele, ja. HIV kann man allerdings nicht eliminieren. Heutzutage kann man es gut behandeln, aber mit dem Virus lebt man lebenslang. Ebenso bei Genitalherpes.

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5. Du sprichst davon, inwiefern Frauen betroffen sind. Sind Geschlechtskrankheiten für Männer ungefährlich?

Nein, das ist definitiv ein Thema für beide Geschlechter. Geschlechtskrankheiten befallen genauso die männlichen Geschlechtsorgane. Unentdeckt können sie zu Nebenhoden- oder Prostataentzündungen und so zu Unfruchtbarkeit führen. Außerdem hat man bei Männern einen Zusammenhang zwischen HPV und Krebs im Mundbereich festgestellt: Bei 80 Prozent der Erkrankten konnte HPV nachgewiesen werden. Das könnte zum Beispiel dadurch kommen, dass der Virus beim Oralverkehr übertragen wird. Männer bekommen außerdem genauso Genitalwarzen wie Frauen, HIV betrifft Männer genauso wie Frauen, auch bakterielle Erkrankungen trifft beide Geschlechter.

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6. Wie kann man sich vor Geschlechtskrankheiten schützen?

In jedem Fall sollte man verhüten. Auch, wenn das Kondom keine 100 prozentige Sicherheit bietet. Es gibt auch Kondome für Frauen, sogenannte Femidome. Studien haben gezeigt, dass jeder Vierte ungeschützten schon Geschlechtsverkehr mit einer Person hatte, der nicht der Partner war. Es ist aber auch ein Trugschluss zu denken, Geschlechtskrankheiten holt man sich nur beim One Night Stand. Selbst beim Partner weiß man nicht, was der mitbringt. Natürlich ist das ein sehr schambehaftetes Thema, aber es ist total wichtig, dass man bei jeglicher Unsicherheit zum Arzt geht und sich testen lässt. Dann passiert auch nicht viel. Die meisten Krankheiten, HIV ausgenommen, sind therapierbar. Deshalb: Immer lieber einmal zu viel testen als zu wenig. Denn auch wenn man keine Symptome hat, heißt das nicht, dass da nicht trotzdem was ist. Man kann sich per Abstrich auf fast alles testen lassen, HIV ist ein gesonderter Test, bei dem man erst drei Monate nach dem Geschlechtsverkehr sagen kann, ob der Virus im Körper ist. Frauen können sich in Deutschland übrigens bis zum 24. Lebensjahr einmal jährlich kostenlos auf Chlamydien testen lassen. Während sie die Tests beim Gynäkologen machen, gehen Männer übrigens am ehesten zum Urologen. Auch ein Hautarzt kennt sich mit Geschlechtskrankheiten aus.

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7. Hat man außer den Tests noch Möglichkeiten, sich zu schützen?

Ja, gegen den HPV-Virus zum Beispiel kann man sich impfen lassen. Man kann zwar auch ohne die Viren Gebärmutterhalskrebs bekommen, aber es wird sehr häufig dadurch ausgelöst. Am besten lässt man sich schon im jüngeren Alter impfen, bis 18 Jahre wird das von der Krankenkasse übernommen. Es macht aber auch im späteren Leben noch Sinn.

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8. Wie kann man mit der Scham umgehen, zum Arzt zu gehen oder über Geschlechtskrankheiten zu sprechen?

Das Schamgefühl ist bei jedem da, selbst und gerade im eigenen Freundeskreis. Aber wenn man es da einfach mal anspricht, stellt sich vielleicht raus, dass eine Freundin oder ein Freund sich schon einmal hat testen lassen und dir einen Arzt empfehlen kann. Beim Arztbesuch muss Scham generell nicht sein. Selbst wenn man jede Woche zum Test auf der Matte steht: Jedem Arzt ist das lieber, als wenn man später Probleme bekommt. Und wenn man sich wirklich viel zu sehr schämt, kann man auch in den nächsten Ort oder zu einem anderen Gynäkologen oder Hautarzt gehen und sich dort testen lassen. Ich würde im Zweifel immer raten: Einfach mal beim Arzt erfragen, man habe von bestimmten Infektionen gehört, die man nicht merkt, ob man sich da mal testen lassen könnte. Nicht alle Ärzte sprechen das von selbst an, daher ist Eigeninitiative in Bezug auf die eigene Gesundheit wichtig.

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9. Wie steht es denn generell um die Aufklärung?

In Deutschland, und das ist auch gut so, gibt es sehr viel Aufklärung zu HIV: Plakate von „mach’s mit“ hängen überall. Bei anderen Geschlechtskrankheiten gibt es das auch, aber viel weniger. In England zum Beispiel sind sie seit Jahrzehnten viel forscher, was Chlamydien angeht – weil es eben so häufig ist. Ob es zu wenig Aufklärung gibt, ist allerdings immer schwer zu sagen. Sicher ist: Es gibt ein großes Unwissen. Deshalb ist auch die Aufklärung in der Schule so wichtig – dass man über Krankheiten spricht, am besten ab dem ersten Geschlechtsverkehr.

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Beitragsbild via Unsplash unter CC0 Lizenz