Snoop Dog Game of Thrones

Game of Thrones: Warum der Iron Throne bloß ein Stuhl ist

Von Paul Garbulski

Vor ein paar Wochen hat es Snoop Dogg gewagt, sich einen Joint auf dem ach so heiligen Thron aus der Serie Game of Thrones durchzuziehen. Bei einigen Fans der mittelalterlichen Saga war damit die Kernschmelze erreicht: Blasphemie, Snoop Dogg der Teufel! Andere feiern ihn nun via Twitter als „OG“ – tatsächlich ist er weder Lucifer, noch ein echter Gangster. Denn genauso wie es Menschen gibt, denen der Bedeutungsinhalt von Symbolen irgendwie abhanden kommt, gibt es auch jene, die Taten, Personen und Objekten einen symbolischen Wert zusprechen, den diese schlichtweg nicht verdienen. Jeder, der glaubt, dass eine Person Multimillionär sein muss, nur weil sie Wodkaflaschen in Großraumdiskotheken kauft, möge sich jetzt angesprochen fühlen.

Ein Symbol, viele Bedeutungen

Leblose Objekte, Menschen oder auch Taten können zu Symbolen werden. Ein Kopftuch kann Symbol sein, das Gesicht der chirurgisch fein optimierten Donatella Versace ist ein Symbol dafür, dass Schönheit im Auge des Betrachters liegt und wer sich mit vollen Einkaufstüten auf der Straße des himmlischen Friedens vor rollende Panzer stellt, wird zum Symbol des Kampfes gegen staatliche Repression.

Symbole sind Bedeutungs- und Sinnträger, das tückische an ihnen ist nur, dass ihr Sinn nicht immer erkenntlich wird. Dass etwa ein knallrotes Straßenschild mit einem Totenkopf nichts Gutes bedeuten wird, kann sich manch einer vielleicht noch erschließen; dass aber eine weiße Taube ein Symbol für Frieden ist, weiß eine Person nur, wenn sie Teil der jeweiligen Gesellschaft ist, in der die Schlussfolgerung „weiße Taube = Frieden“ als kollektives Symbolwissen verankert ist. Man muss auf eine kulturelle Kollektivsymbolik zurückgreifen können, um zu verstehen, warum dem Schwiegerpapa die Gesichtszüge entgleisen, wenn er den Mittelfinger zur Begrüßung gezeigt bekommt. Achtsamkeit ist gefragt. Die hatte Boris Becker zum Beispiel nicht, als er sich mit seinem verschwitzten Arsch gedankenvergessen auf eine Buddha-Statue setzte, um mit Verwandten für Familienfotos zu posieren. Via Instagram schickte er die Bilder in die weite Welt, die Welt schickte einen Shitstorm.

 

http://instagram.com/p/qw1YNaEf4D/

 

 Symbole falsch gedeutet

 

Fettnäpfen lauern überall, gerade heutzutage, wo so vieles in den Rang von kleinen Heiligtümern hochgehypte wird. Wohl dem, der PR-Berater hat! Queen Elizabeth zum Beispiel muss ganz vortreffliche Berater haben, die ihre Arbeitgeberin sogar über das popkulturelle Einmaleins auf dem Laufenden halten. Denn sofern die Queen nicht selbst mit Ben&Jerry‘s-Eis vor ihrem HD-Plasmafernseher sitzt und eine Game of Thrones-Staffel nach der anderen schaut, wird es einer der königlichen Berater gewesen sein, der ihr davon abriet, sich auf den Iron Throne zu setzen. Diese Möglichkeit hatte sie nämlich letztes Jahr beim Besuch des Drehsets in Belfast. Doch geschult in Etikette und dem Umgang mit den Medien, beschränkte sich Queen Elizabeth auf die andächtige Betrachtung des Schwerterungetüms, wohl wissend, dass bei einer Thronbesteigung die Schnittmenge aus Twitter-Gemeinde und Game of Thrones-Jüngern einen Sturm des Zorns über ihrem königlichen Haupt entfachen würde.

 

In der Parallelwelt von George R. R. Martin mag der eiserne Thron ein Symbol für vieles sein, in unserer ist er bloß ein Stuhl. Die Reaktionen wären durchaus berechtigt gewesen, wenn Snoop Dogg das rote Mädchenkleid aus Schindlers Liste zu rauchen versucht hätte oder die ganze Game-of-Thrones-Saga eine große Allegorie auf den Kampf gegen Drogen wäre. Das ist sie aber nicht. Ähnlich wie Sudoko ist Game of Thrones gute Unterhaltung, sprich eine adäquate Form, die Zeit bis zum eigenen Tod zu überbrücken. Vor allem aber ist die Serie eins: Fiktion.

Der gewiefte Leser schreit jetzt auf und sagt womöglich: „Aha! Vielleicht sind das Religionen auch!“ Ja, geschenkt. Aber jeder, der nicht zu den Jedi-Rittern konvertierte, wird sich eingestehen müssen, dass es zumindest kleine Unterschiede gibt, zwischen den Weltreligionen, die für Milliarden von Menschen als oberste Sinninstanz fungieren und einer Serie, die von einem dicken Mann erfunden wurde, bei dem der Blutdruck ab der siebten Treppenstufe in die Höhe schießt. Andererseits, wer weiß? Vielleicht ist auch Gott ein gefährlich adipöser und äußerst kreativer Mann.    

 

Der Iron Throne ist weit davon entfernt, ein Heiligtum zu sein

 

 

Wer dennoch Schwierigkeiten hat, sich mit Snoop Doggs Aktion abzufinden, der möge sich damit trösten, dass George R. R. Martin höchstpersönlich die Filmversion des eisernen Throns für misslungen hält. Im Vergleich zum Buchentwurf ist die Filmrequisite bestenfalls ein Sessel. Viel zu klein sei der Thron ausgefallen, auch wenn Martin zugibt, dass die Wunschvorstellungen schlichtweg nicht film- und realisierbar waren. Stattdessen adelte er den Künstler Mark Simonetti, indem er dessen Zeichnungen als diejenigen kommentierte, die seinen eigenen Vorstellungen am nächsten kämen.   


Der Iron Throne ist also weit davon entfernt, ein Heiligtum zu sein und Snoop Dogg ist nicht der Antichrist, aber gefeiert sollte er für seine Aktion auch nicht werden. Denn sie war kaum mehr als billige Cross-Promotion. Der Rapper ist nicht etwa in die nordirländischen Filmstudios eingebrochen, um seinen zarten Leib illegal auf dem Thron zu platzieren, sondern eine 1:1-Kopie der originalen Filmrequisite wurde ihm von den Serienproduzenten in Übersee aufdrapiert, damit er vor versammelter Presse seine Show abziehen konnte. Aufhänger des Spektakels war passend zum fünften Staffelbeginn das neue Game-of-Thrones-Mixtape, dem natürlich auch der Feature-König einen Track beizusteuern hatte.

 

Kiffen für die Publicity

 

Letztlich ist der Blunt auf dem Thron eine Win-Win-Situation für beide Vertragspartner: Die Filmstudios verhelfen einem jetzt schon fast lächerlich lukrativem und in den Medien omnipräsentem Serienformat zu noch mehr Publicity und Snoop Dogg – machen wir uns da nichts vor – kann das Gerede um seine Person auch gut gebrauchen. Sein Status als eine der großen Hip-Hop-Legenden ist unbestritten – zu groß sind seine Verdienste in diesem Genre; doch mittlerweile ist er kaum mehr als ein stark alternder Mann, dem seit Jahren kein ordentliches Album mehr gelang und dem neben seinen gelegentlichen Features nicht mehr viel bleibt, als Weed, sehr viel Geld und die gähnende Langeweile der Dekadenz. Denn wie jedes Geschäft hat auch das Rapgeschäft ein hohes Tempo und die Aufmerksamkeit scheint sich auf Künstler wie Kendrick Lamar zu verschieben, die mit ihren Texten mehr auszusagen haben als:

I got a living room full of fine dime brizzles

waiting on the pizzle, the dizzle and the shizzle

G’s to the bizzack, now ladies here we gizzo

 When the pimp’s in the crib am

drop it like it’s hot, drop it like it’s hot…

Ja, es ist irgendwie menschlich darüber erbost zu sein, dass ein Symbol der eigenen Lieblingsserie für billige Promotion herhalten muss, aber letztlich ist die Aufregung ihre Mühe nicht wert. Zum Start der fünften Staffel sollte sich bei den meisten Game-of-Thrones-Fans der Blutdruck wieder gelegt haben.

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Bildquelle: © Esquire Magazine via Twitter