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Warum werden mit der neuen Beziehung plötzlich die Freunde geghostet?

Von Tabea Simon

 

Best friends forever! Niemals wollten wir einer dieser Frauen werden, die sich plötzlich nicht mehr melden, sobald sie einen neuen Typen am Start haben. Denn Freundschaften sind schließlich fürs Leben und Männer im besten Fall für ein paar Monate oder Jahre! Diesen Eid leisteten meine beste Freundin und ich uns voller Naivität vor ein paar Jahren und lästerten im Anschluss über die Fuckboys, die uns aktuell das Leben schwer machten. Auch die Pärchen im Freundeskreis, die ihre Identität langsam, aber sicher zu einem ‚Wir‘ verschmelzen lassen – und in diesem Prozess ihre Namen gegen das generische Schatzi eintauschten –  bekamen regelmäßig ihr Fett ab.

Nachdem wir die erste Hälfte unserer 20er gemeistert hatten und plötzlich in großen Schritten auf die 30 zugingen, schien sich bei der Freundin ein Hebel umzulegen. Auf einmal kommt sie mit Typen zusammen, die sie vorher nur kurz gedatet hätte. Ihr Kalender ist nun so voll mit zweisamen Aktivitäten, dass wir es nur schaffen, uns einmal im Monat auf einen Drink zu treffen statt wöchentlich in unserer Stammkneipe die Nacht zum Tag zu machen. Selbst Leute, die in anderen Städten wohnten, bekomme ich öfter zu Gesicht! Unsere Kommunikation besteht heute hauptsächlich darin, uns gegenseitig in süßen Tierbildern oder Memes bei Instagram zu verlinken. Auf Whatsapp Nachrichten kriegt man meist erst nach Tagen eine Antwort. Während meines Auslandsstudiums schaffen wir es monatelang nicht, einen freien Termin zum Telefonieren zu finden. Mir kommt es mittlerweile so vor, als ob ich auf ihrer Prioritätenliste immer hinter ihrem Freund komme und ich nicht mehr weiß, was in ihrem Leben eigentlich so passiert. Genauso fehlt es mir, ihr von meinen täglichen Erlebnissen zu erzählen, ihre Einschätzung zu hören und einfach mit jemanden zu sprechen, der mich kennt und versteht.

 

Sorry, keine Zeit – Wir sind in der Therme!

 

Das Ganze wäre noch zu verkraften, wenn es sich um einen Einzelfall handeln würde. Aber nein! Eine Couple Epidemie hat um sich gegriffen in meinem Freundeskreis, so dass ich als Single nun fast ganz alleine dastehe. Um Salz in die Wunde zu streuen, erkundigen sich die vergebenen Freunde regelmäßig, ob ich Updates im Love Department hätte. Ich gehe davon aus, dass sie besorgt sind um eine mögliche Verwandlung zur Catlady. Meine mentale Antwort: „Nein.. dafür passiert grad einiges anderes und auch wichtigeres in meinem Leben.. Danke der Nachfrage!“

Den Samstagabend muss ich also immer öfter alleine auf Netflix verbringen, weil der Kumpel mit seinem Bae in einer Therme irgendwo in Brandenburg relaxt oder grade einen romantischen Weekendtrip nach Barcelona macht. Auch ich hätte mal wieder Lust auf eine Reise, aber es gibt einfach niemanden mehr, mit dem man sie antreten könnte. Als sich dann doch kurzfristig ein Griechenland Urlaub mit meiner besten Freundin ergibt, kann ich es kaum glauben. 10 Tage nur mit ihr! Eine Wohltat für unsere Freundschaft.

 

Uns gibt’s nur noch im Doppelpack

 

Auf eine andere Freundin ist trotz Beziehung immer Verlass, wenn ich am Wochenende spontan was unternehmen möchte. Nur einmal tauchte das Schatzi-Anhängsel nach 10 Minuten plötzlich in ihrer Wohnung auf. Andererseits scheint das unangekündigte Erscheinen an der Haustür ein weit verbreitetes Boyfriend Phänomenen zu sein, weshalb ihr verziehen sein soll. Wenn ich mich dann doch mal dazu durchringe, mit befreundeten Pärchen wegzugehen, fühle ich mich wie das fünfte Rad am Wagen.. Da es den Couples anscheinend auch unangenehm ist, neben mir aneinander zu grinden, wird meist ein ‚Freund‘ mitgeschleppt, mit dem ich mich doch bitte amüsieren soll. Die Gelegenheiten wo man tatsächlich Leute kennenlernen könnte (WG Parties!) finden leider immer sporadischer statt. Jetzt ist das Motto: „Every woman on her own!“. Da ich nicht die Art von Mensch bin, die mal eben jemanden im Supermarkt kennen lernt, bleibt mir nur Tinder. Yay.

 

Kuscheln bis zur Overdose

 

Mir kommt es so vor, als hätte ich den Absprung verpasst. Sind alle plötzlich erwachsen und sesshaft geworden während ich immer noch auf Tinder swipe? Langsam werde ich panisch, habe Angst, schneller als gedacht zur seltsamen Tante zu werden. Obwohl ich eigentlich nichts dagegen hätte Tante zu sein. Ich sehe mich nur eher als die Coole, die immer tolle Geschenke mitbringt und super aussieht, weil sie sich nicht mit Windeln, Geschrei und explodierenden Haushaltskosten herumgeschlagen muss.

Ich fühle mich in meinen Gedanken bestätigt, wenn sich mal wieder jemand über die Eifersucht des jeweiligen Partners und die ständigen Streits beschwert. Dann bin ich doch wieder froh, mich nicht auch noch mit dem Drama einer anderen Person auseinandersetzen zu müssen. Schließlich habe ich auch schon so genug Probleme. Got 99 problems and at least he´s not one of them! Außerdem löst der Gedanke, jede freie Stunde der Woche mit einer Person zu verbringen, klaustrophobische Ängste in mir aus. Über was redet man eigentlich, wenn man IMMER aufeinander hockt und alles zusammen erlebt? Früher oder später muss das doch zur Overdose führen..

 

Irgendwann kommen sie alle zurück

 

Vor ein paar Wochen erhielt meine Mutter einen Anruf von einer alten Bekannten, mit der sie seit deren Hochzeit vor 15 Jahren nur noch durch Weihnachtsbilder und Geburtstagsgrüße in Kontakt stand. Aufgelöst erzählte sie von ihrer Scheidung und dem einsamen Leben im Vorort. Ihr Leben war aus den Fugen geraten, im Rosenkrieg hatte sie das Haus verloren und auch sonst musste sie ganz alleine von Null anfangen. Offensichtlich sehnte sie sich in dieser schweren Zeit nach ihren alten Freundinnen, nach jemanden, der ihr nun zur Seite stehen konnte. Doch den Kontakt zu ihrem Freundeskreis hatte sie ja jahrelang schleifen lassen und alle wichtigen Ereignisse verpasst. Weshalb sie bei meiner Mutter zwar auf Sympathie und Verständnis stieß, aber nicht die vergangene Zeit wieder gut machen konnte.

Natürlich ist das ein extremes Beispiel. Trotzdem entfernt man sich oft mehr und schneller von seinen Freunden als man denkt, wenn man einen neuen Partner hat. Aus ein paar Wochen werden dann ein paar Monate und sobald man verheiratet ist und Kinder hat, auch mal ein paar Jahre. Was verständlich ist, da sich die Prioritäten mit den Lebensumständen nun mal verändert. Und doch sollte man die Beziehungen zu Menschen, mit denen einen zwar keine romantische, dafür aber eine starke platonische Freundschaft verbindet, pflegen. Sind es am Ende doch diese Verbindungen, die einen wieder auffangen, sollte aus ‚Forever and ever‘ nichts werden. Dann kann der Bestie einem vielleicht auch gleich zeigen, wie das mit dem Online Dating eigentlich funktioniert..