Generation-Y-Reise-Extremsport

Otto Normal ist tot, Standard war gestern

Wenn wir reisen, dann muss es Australien sein. Zweimal Sport die Woche reicht nicht, wir gehen besser viermal und natürlich tunen wir unseren Lebenslauf bis zum Erbrechen. Längst sind wir in allen Lebenslagen im Bereich der Superlative angekommen. Bessere Noten, bessere Vita, besseres Essen. Standard? Nö, lieber glutenfrei, bitte.

Einen gemeinsamen Tag verbringen? Ja, aber bitte mit Programm. Erlebnisgeschenke boomen. Wer etwas auf sich hält, hat eben schon mal den Fallschirmtandemsprung, den Kochkurs mit dem japanischen Sushimeister, den spektakulären Hubschrauberflug oder einen Bierbraukurs absolviert. Mit ausführlicher Berichterstattung auf Twitter, Facebook und Instagram, versteht sich.

 

Schaf gefällig?

 

Die Ideen für extravagante Freizeitgestaltung werden immer skurriler. In einem Ranking von Mydays wird gezeigt, welche Erlebnisgeschenke in Spanien, Italien, Deutschland und Frankreich am beliebtesten sind. Obwohl viele der verfügbaren Optionen für Otto Normal schlichtweg absurd erscheinen, erfreuen sie sich großer Beliebtheit. In Italien zum Beispiel ist es üblich, jemandem einen Tag als Hirte zu schenken. Kein Witz! Dieses Geschenk rangiert bei den Italienern sogar auf Platz fünf des Rankings der beliebtesten Erlebnisse, noch vor einer Lamborghini-Fahrt und einer Rodel-Tour mit Huskys.

Entwarnung für Deutschland: hier sind die ersten drei Plätze unangefochten mit Essen ausgefüllt und zumindest etwas bodenständiger: Krimi-Dinner, Dinner in the Dark und das Candle Light Dinner gefallen uns Deutschen als geschenkte Erlebnisse am besten. Und das, obwohl wir im internationalen Vergleich nicht gerade durch gustatorische Meisterleistungen hervorstechen. Aber hey, das muss man doch mal gemacht haben! Und schnell noch ein Foto schießen!

 

Newsfeed vs. Real Life

 

Die Suche nach dem Superlativ in unserem Leben ist durch viele Faktoren begründet. Hauptsächlich spielen aber wohl die sozialen Medien eine große Rolle – denn die sozialen Netzwerke machen unsere Lebensgewohnheiten vergleichbar, und dass die Sucht nach digitaler Aufmerksamkeit existiert, ist mittlerweile bewiesen. Wer ständig im Newsfeed die Urlaubsfotos und Partypics der Bekannten sieht, wird zwangsweise neidisch. Was, Julia ist schon wieder in Paris? Pff, dann buche ich eben auch einen Trip. Oh je, Lukas hat seine Masterarbeit fertig. Und ich hab den ganzen Tag nur Netflix geschaut…

Jeder, der in irgendeinem sozialen Netzwerk aktiv ist, wird schon einmal das leise Stimmchen im Hinterkopf gehört haben: “Das könnte ich doch auf Facebook sharen…” Sei es der geile Song, den man gerade entdeckt hat, das neue Paar Schuhe oder der schicke Latte macchiato, den man gerade trinkt – aus irgendeinem Grund haben wir es uns angewöhnt, auch die banalsten Dinge unseres Lebens mit anderen teilen zu wollen. Wie unsinnig das ist, demonstriert uns dieser Amerikaner mit “Screaming Tweets on the Streets”. Mal ehrlich, wer will das denn alles wissen?

 

Mein Leben, mein Tempo

 

Vielleicht hilft es, sich nicht ständig mit anderen zu vergleichen. Man muss nicht mit 21 schon seinen Bachelor in der Tasche haben. Man muss auch nicht mit Mitte 30 Kinder haben. Und man ist kein armer Hund, wenn man jahrelang Single ist. Life Goals hin oder her – statt Motivation bringen sie meist nur Frustration. Macht deshalb auch mal was in eurem Tempo und lasst euch von niemandem einreden, was man in eurem Alter schon geschafft haben sollte. Und seid ein bisschen länger offline. Das macht glücklicher, versprochen.

 

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Bildquelle: Morgan Sherwood über CC BY-2.0