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Frauen schlägt man nicht – Männer auch nicht!

Von Leonie Habisch

Väter gehen in Erziehungsurlaub während Mütter die Karriereleiter hochklettern. Wir haben eine Bundeskanzlerin und eine Bundesverteidigungsministern. Frauen werden nicht mehr abgeschleppt, sondern schleppen selber ab.

Die Generation unserer Eltern ging noch dafür auf die Straße, dass Abtreibung legalisiert und Vergewaltigung in der Ehe kriminalisiert wird. Wir streiten über Frauenquoten und gendergerechte Sprache. Es scheint, als wäre die Zeit des Feminismus vorbei. Ist sie aber nicht. Die Probleme sind nur anders und nicht weniger beachtenswert. Eine Frau kann einen Mann, der sie geschlagen hat, anzeigen und hat gute Aussichten auf Erfolg. Wer das umgekehrt aber nicht kann, ist der Mann. Genau das ist ein neues Problem im Feminismus. Denn es geht eben nicht darum, dass das patriarchale Machtgefälle von Mann zu Frau umgedreht wird, sondern darum, dass Männer und Frauen gleichgestellt sind. Man muss kein Testosteron-gesteuerter Männerrechtler sein, um zu sehen, dass beim Thema Gewalt verschiedene Maßstäbe angelegt werden.

 

Die Frau im Vorzimmer

 

Verlässliche Zahlen dazu, wer häufiger Opfer oder Täter wird, gibt es leider nicht. 2013 gab es in Berlin 14.300 Fälle häuslicher Gewalt. Dabei waren circa 23,8 % der Tatverdächtigen weiblich. Im selben Jahr machte das Robert Koch Institut eine Studie, aus der die Initiatoren ableiten, dass Frauen häufiger schlagen. Diese wurde jedoch heftig kritisiert. Von vielen Ungleichheiten haben wir uns mittlerweile verabschiedet. Von der Vorschrift, dass Frauen ihren Mann um Erlaubnis bitten müssen, um arbeiten gehen zu dürfen, oder davon, dass Frauen grundsätzlich nur im Vorzimmer des Chefbüros arbeiten.

Auch von einigen Arten der positiven Diskriminierung haben wir uns verabschiedet. Unter Studierenden und Azubis, die eh gleichermaßen chronisch pleite sind, ist es normal, dass die Frau den Mann auch mal einlädt, oder dass man sich die Rechnung teilt. Die Wehrpflicht wurde allgemein abgeschafft und nur noch wenige Clubs lassen Frauen gratis rein, während Männer zahlen müssen.

Dass ein Mann niemals eine Frau schlägt ist eines der wenigen Überbleibsel vergangener Tage, in denen eine Frau kein Geld verdienen durfte, dafür aber immer eingeladen wurde. Gibt eine Frau einem Mann eine Ohrfeige, muss er etwas getan haben, das sie wütend macht. Vielleicht hat er ihr an den Hintern gefasst, vielleicht hat er sie mit einer gemeinsamen Freundin betrogen. Irgendwas muss er jedenfalls getan haben. Wenn ein Mann eine Frau schlägt, ist der Hintergrund egal, denn sowas tut man einfach nicht. Wieso ist das so?

 

Das Bild des Mannes

Die Antwort scheint zu banal, als dass sie unsere Bigotterie wirklich erklären könnte: Männer sind nicht seit Anbeginn der Geschlechterkonstruktion in der Opferrolle. Der kleine feine Unterschied dass Frauen die Kinder kriegen und Männern meistens körperlich unterlegen sind, ist und war die Basis dafür, dass wir den Geschlechtern unterschiedliche Eigenschaften zuschreiben und damit ein Bild konstruieren. In diesem Bild kommt Gewalt gegen Männer nicht vor.

Schließlich sind Frauen die, die benachteiligt, unterdrückt und ausgebeutet werden. Trotzdem werden Männer Opfer von häuslicher Gewalt und verschweigen es. Zum einen aus den gleichen Gründen, weswegen auch Frauen verschweigen, dass ihr Partner gewalttätig ist. Sie reden sich ein, dass es besser wird, dass der Partner sie trotzdem liebt und es doch gar nicht so bleibt, sie wollen die Beziehung nicht kaputt machen, ihren Kindern keine Trennung zumuten und nicht schwach wirken.

Der letzte Punkt trifft Männer aber im Besonderen. Es scheint zwar häufig so, als wäre Franz Josef Wagner der letzte Mensch in Deutschlands Öffentlichkeit ist, der Angst vor Karrierefrauen hat.

 

Männer in der Opferrolle

 

Trotzdem scheinen wir uns mit Frauen in der Täter- und Männern in der Opferrolle nicht anfreunden zu können. Männer werden aber Opfer von häuslicher Gewalt, egal ob es in unser pseudo-aufgeklärtes Weltbild passt, oder nicht. Unsere Schwierigkeit, Männer als Opfer wahrzunehmen und anzuerkennen, mag auch daran liegen, dass ein Mann rein körperlich immer die Möglichkeit hat, sich erfolgreich zu wehren.

Eine Frau hat das nicht. Dafür schenkt ihr ein Richter, ein Polizist und die Öffentlichkeit mehr Glauben und vor allem: Mitleid statt Hohn. Dass das mittlerweile der Fall ist und Gewalt in der Beziehung nicht mehr als „Familiensache“ abgetan wird, ist ein riesiger Fortschritt. Trotzdem sollten wir uns damit auseinandersetzten, weshalb es circa 400 Frauenhäuser aber nur drei Männerberatungsstellen gibt.

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Bild: Christopher Campbell/unsplash.com