Viele Menschen kämpfen für mehr Gleichberechtigung

Gleichberechtigung: Wenn Feminismus in Männerhass umschlägt

Feminismus ist ein aktuelles und viel diskutiertes Thema. Oft wird er aber falsch verstanden.

Es ist schon ein paar Monate her, es war der 08. März, der internationale Frauentag. Überall auf der Welt haben sich die Menschen versammelt, um für mehr Gleichberechtigung zu kämpfen. Auch ich war gemeinsam mit meiner Schwester und meinem Freund auf einer Demonstration. Es hat gut angefangen: Junge Mädchen haben darüber gesprochen, was falsch läuft auf der Welt und was sie daran ändern möchten. Nach ein paar Ansprachen begann ein Zug durch die Stadt. Plötzlich rief eine der Organisatorinnen: „Keine Cis-Männer in die erste Reihe!“ Ich konnte es nicht glauben: Wieso wollte man Ausgrenzung mit Ausgrenzung bekämpfen? Wieso durfte mein Freund, der sich gleichermaßen für die Rechte von Frauen wie ich interessiert, nicht nach vorne stellen? Wieso dürfte mein Papa, Vater von drei Töchtern, sich nicht auf die gleiche Weise wie wir engagieren? Immerhin hat er die letzten 22 Jahre alle Ungerechtigkeiten des Alltags live miterlebt. Das ist nicht fair und hat mit dem ursprünglichen Gedanken von Feminismus nichts mehr zu tun.

Was ist Feminismus denn überhaupt?

Es war der 13. September 1968. Drei Tomaten flogen auf Hans-Jürgen Krahl, einen Studentenaktivisten der 68er-Bewegung. Zuvor hielt Helke Sander, Delegierte des „Westberliner Aktionsrates zur Befreiung der Frau“ eine Rede, in welcher sie den männlichen Mitgliedern des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) vorwarf, die Ausbeutung der Frauen im privaten Bereich zu tabuisieren. Nach ihrer Ansprache weigerten sich die Männer, über das Thema zu diskutieren und gingen zum nächsten Tagesordnungspunkt über. Aktivistin Sigrid Rüger griff deswegen zu den Tomaten und warf sie auf das Podium. Eine neue Frauenbewegung war geboren, der Tomatenwurf wird oftmals als „Initialzündung“ dafür bezeichnet. Laut Definition ist das Grundanliegen des Feminismus die Selbstbestimmung, Freiheit und Gleichheit für alle Menschen.

Haben wir diese Gleichberechtigung jetzt, 54 Jahre später, erreicht? Ich glaube, diese Frage lässt sich ziemlich klar mit nein beantworten. Wir kämpfen noch immer dafür, patriarchale Normen und Strukturen zu durchbrechen und hoffen immer noch auf ein faires Nebeneinander. Diesen Kampf können wir aber nur gemeinsam gewinnen, ein Männerhass wird uns dabei nicht weiterhelfen.

Mythos Männerhass?

Ich weiß, mit dieser Anschuldigung muss ich vorsichtig sein. Denn der Männerhass ist ein beliebtes Narrativ, dem sich viele Antifeminist*innen bedienen. Auch das ist nicht fair, verdeutlicht meiner Meinung nach aber das Problem. Ich sehe da eine Spaltung, ich sehe zwei Lager, in denen Geschlecht die maßgebende Größe ist. Da ist Mann gegen Frau und Feminist*innen gegen Antifeminist*innen.

Ich will gar nicht abstreiten, dass viele Männer noch immer in alte Denkmuster verfallen. Alltagssexismus ist ein großes Problem und der Gender Pay Gap an Ungerechtigkeit fast nicht zu übertreffen. Viele Mädchen haben nicht die Chance sich frei zu entfalten, unzählige Frauen werden klein gemacht. Das ist ein Problem, gegen das etwas getan werden muss. Es ist aber gleichermaßen ein Problem, allen Männern das gleiche Verhalten zu unterstellen. Tragen wir so nicht auch zur Verbreitung der toxischen Männlichkeit bei? Schließlich gibt es genug Männer, die unter der ihnen zugedachten Rolle leiden. Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass es gerade in ist, gegen Männer zu schießen. Vor allem, wenn man durch TikTok scrollt, sehe ich Videos, in denen Frauen sagen „I hate all men“, „Men are Trash“. Und ich bin ehrlich: Manchmal erwische ich mich selbst dabei, wenn ich solche Dinge sage. Manchmal bin ich wütend und manchmal tut es gut, seine Wut auf diese Weise auszudrücken. Aber ist das richtig?

Die französische Feministin Pauline Harmange ist der Ansicht: Ja, das ist richtig. Sie hat ein Manifest mit dem Titel „Ich hasse Männer“ („Moi les hommes, je les déteste“) veröffentlicht. Darin vertritt sie die These, dass Männerhass emanzipatorisch sei. Wut bei Frauen ist also wichtig und richtig? Und der „Angry white man“ hingegen aber die Bedrohung schlecht hin? Der Autor Anselm Neft schreibt in der Berliner Zeitung, dass das Problem an einem Text wie „Ich hasse Männer ist“, dass vor allem eine Grundlage für ein Vorwurfs-Ping-Pong ist. Ich glaube, dass ein solches Match niemand gewinnen kann.

Der schmale Grat

Es gibt viele Männer, die einfach nur reden. Reden und nicht viel machen. Denen das Problem nicht bewusst ist, die sagen, dass sie helfen, in Wirklichkeit aber nur bestimmen wollen. Unternehmensberater Robert Franken sagt zu Deutschlandfunk vor diesem Hintergrund: „Weil man, glaube ich, sehr aufpassen muss, dass man nicht über Gebühr Raum beansprucht. Weil das, was ich repräsentiere, ja Teil des Problems ist. Das heißt, ich muss schon genau gucken, wo äußere ich mich, wie äußere ich mich und wo ist es angebracht, zurückzutreten. Und ich habe für mich versucht, einen Weg zu finden, wo ich ein Teil der Lösung sein kann und versuche trotzdem sensibel zu bleiben, wo ich auch ein Problem bin.“ Ein schmaler Grat also.

Ich denke aber, dass genau das der richtige Ansatz ist. Differenziert zu denken und sensibel zu sein. Und das auf beiden Seiten. Und da gehört es für mich dazu, dass sich mein Freund auf einer Demonstration für mehr Frauenrecht neben mich stellen darf. Genauso möchte ich ihn dabei unterstützen, wenn er Lust hat, seine Nägel zu lackieren, wenn er weinen will und wenn ihm unterstellt wird, er sei ignorant und würde alle Frauen unterdrücken. Denn genau das macht er nicht, wenn er sich zu uns nach vorne stellt.

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Bildquelle: Flavia Jacquier von Pexels; CC0-Lizenz