Großer Altersunterschied in Beziehungen: Wann er zur Belastung werden kann

In vielen Beziehungen spielt der Altersunterschied eine Rolle. Besonders bei einem Unterschied von zehn Jahren kann es zu Herausforderungen kommen. Wie sich diese auswirken, haben die Single- und Paarberater Anna Peinelt und Christian Thiel in ihrem Podcast „Die Sache mit der Liebe“ für „die WELT“ besprochen. Ein Beispiel verdeutlicht dies: Julia ist 24 Jahre alt und seit fünf Jahren mit ihrem Freund, der 34 ist, zusammen. Sie studiert in einer Stadt in der Nähe seines Wohnortes und wohnt in einer WG. Er hingegen lebt im Dorf, in dem er aufgewachsen ist, und hat eine wichtige Rolle bei der Freiwilligen Feuerwehr.

Julias Frage an die Berater: Sie ist sich unsicher, ob die Beziehung noch ihren Lebensvorstellungen entspricht. Julia überlegt, ob sie sich zu sehr anpasst, da sie wichtige Entscheidungen, wie etwa ein Auslandssemester oder eine berufliche Veränderung, aus Rücksicht auf ihren Partner nicht in Betracht zieht. Thiel erklärt, dass der Altersunterschied von zehn Jahren eine bedeutende Rolle spielt, besonders bei jungen Menschen. Mit 24 befindet man sich in einer ganz anderen Lebensphase als mit 34. Während die einen hinaus in die Welt möchten, würden die anderen eher sesshaft bleiben.

Unterschiedliche Lebensphasen

Peinelt ergänzt, dass der Altersunterschied in späteren Jahren weniger gravierend ist. Zwischen 50 und 60 Jahren oder 30 und 40 Jahren ist der Unterschied oft kaum noch spürbar. Aber zwischen 24 und 34 Jahren stellt sich die Frage: „Wie passen unsere Lebensvorstellungen zusammen?“ Julia müsse sich darüber klar werden, ob sie weiterhin in sein Leben auf dem Dorf passen möchte oder ob ihre eigenen Wünsche in den Hintergrund geraten. Die Frage, welche Intuition die richtige sei, könne nur durch Ausprobieren beantwortet werden.

Gemeinsame Visionen entwickeln

Laut Peinelt geht es in Beziehungen auch darum, gemeinsame Träume zu haben und sich eine gemeinsame Zukunft vorzustellen. In Julias Fall ist das allerdings schwierig, da sie sich bereits stark angepasst hat. Thiel erklärt, dass es normal sei, dass Julia mit 24 anders entscheide als mit 19, als sie die Beziehung begann. Es sei möglich, dass sie die Beziehung damals gebraucht habe, um sich von ihrem Elternhaus zu lösen und Halt zu finden. Mit zunehmendem Alter entwickelt man jedoch eigene Vorstellungen, die nicht immer mit denen des Partners übereinstimmen.

Peinelt betont, dass es wichtig sei, für sich selbst Standards zu setzen und die eigenen Wünsche nicht zu unterdrücken. Sie glaubt, dass Julia lernen müsse, ihre Bedürfnisse klarer zu formulieren, um zu verhindern, dass ihre eigenen Wünsche verloren gehen.

„Wenn wir Frauen in unserer Essenz, in unserer Kraft sind, wenn wir wissen, was wir wollen, dann treffen wir auch eher auf einen Mann mit einer attraktiven Vision, der wir uns anschließen können.“

Anna Peinelt

Druck auf die Beziehung

Die Frage, ob Julia sich von ihrem Partner trennen solle, müsse sie sich stellen, meint Thiel. Eine Beziehung ist dann in Gefahr, wenn einer der beiden Partner ständig seine eigenen Bedürfnisse zurückstellt. Je mehr Druck sich dadurch aufbaut, desto stärker leidet die Verbindung, auch in sexueller Hinsicht. Beziehungen, in denen sich ein Partner unterordnet, enden der Erfahrung der Paarberater nach häufig in einer Krise.

Peinelt fügt hinzu, dass Zweifel in einer Beziehung immer einen Grund hätten. Es sei wichtig, diese ernst zu nehmen und mit dem Partner darüber zu sprechen. Oft ist es so, dass das Gefühl, nicht mehr weiterzukommen, nicht vom Verstand allein gelöst werden kann. Hier kommt es auf die Intuition an, die in Beziehungen eine ebenso wichtige Rolle spielt wie das rationale Denken.

Eigene Wünsche entdecken

Julia müsse sich klar werden, was sie tun würde, wenn sie Single wäre. Würde sie dann vielleicht ein Auslandsjahr machen oder eine neue berufliche Herausforderung annehmen? Oft würden junge Menschen in Beziehungen ihre eigenen Wünsche zurückstellen, um den Partner nicht zu verletzen. Diese Entscheidungen führen jedoch langfristig zu Unzufriedenheit.

Peinelt ermutigt Julia dazu, in ihrer jetzigen Beziehung ihre eigenen Wünsche zu entdecken und diese zu kommunizieren. Es ist aber nicht notwendig, die Beziehung zu beenden, um sich selbst zu erforschen. Vielmehr sollte der Partner die Möglichkeit bekommen, sich gemeinsam mit ihr weiterzuentwickeln.

Verantwortung in der Beziehung

Thiel schließt mit dem Hinweis, dass es immer wichtiger werde, eigene Wünsche nicht aus Angst vor Konflikten zu unterdrücken. Je mehr man bereit sei, diese zu äußern, desto größer sei die Chance, dass sich die Beziehung positiv entwickle. In vielen Fällen kann ein offenes Gespräch über die eigenen Wünsche und Bedürfnisse sogar die Beziehung stärken.

Es bleibt Julias Entscheidung, ob sie den Weg der Anpassung weitergehen möchte oder ob sie ihre eigenen Vorstellungen mehr in den Vordergrund rückt.

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