Annalena Baerbock

Enttäuscht von den Grünen? Eine Zwischenbilanz

In einer Zeit, die von einem Krieg in Europa und nach wie vor vom Klimawandel geprägt ist, haben die Regierungsparteien keinen leichten Job. Insbesondere die Grünen werden für Waffenlieferungen, Energiekrise und mangelnden Klimaschutz scharf kritisiert. Wie stichhaltig sind die Argumente?

Aktueller Krisenherd, Akt 1: Waffenlieferungen

„Wenn ich dieses Versprechen an die Ukrainer gebe (…), dann möchte ich auch liefern – egal, was meine deutschen Wähler denken.“

Dieser Satz von unserer Außenministerin Annalena Baerbock hat vor einiger Zeit für Empörung gesorgt – genauso, wie es bereits die Waffenlieferungen an die Ukraine an sich getan haben. Und allem voran: die regelrechte Begeisterung, mit der die Grünen mitgezogen haben.

Denn wenn eine Partei, die sich nicht selten für Pazifismus und Diplomatie ausgesprochen hat, einen anderen Weg geht, scheint das deutlich schlimmer zu sein als wenn Parteien, die von vornherein weniger pazifistisch eingestellt sind (wer die Anspielung nicht verstanden hat: FDP, SPD), begeistert Waffen an andere Staaten liefern. Die Grünen waren wohl bis vor kurzem für viele die Personifikation des Pazifismus.

Umso erstaunlicher ist es, dass die Anhänger*innen der Grünen den Waffenlieferungen verglichen mit den Anhänger*innen anderer Parteien prozentual am stärksten zustimmen. Außerdem waren es auch die Grünen, die 2001 gemeinsam mit der SPD beschlossen haben, in den Afghanistan-Krieg zu ziehen.

Zudem hat Annalena Baerbock bereits während des Wahlkampfes betont, für Europa zu stehen. Und jeder, der jemals einen Blick ins Parteiprogramm der Grünen geworfen oder sich eine x-beliebige Rede angehört hat, weiß auch, dass die Grünen vor allem für Europa stehen. Wie überraschend ist es also überhaupt, dass sich eben jene Partei nun für Waffenlieferungen an die Ukraine – ein Land, das für seine Annäherungsversuche an Europa von Russland hart bestraft wurde – einsetzt?

Gutheißen muss man die Waffenlieferungen natürlich trotzdem nicht. Denn obwohl es sich zweifelsohne um einen Angriffskrieg von russischer Seite handelt und die Ukraine das Opfer dessen ist, sollten diplomatische Lösungsversuche eventuell trotzdem nicht zu kurz kommen – auch mit Blick auf das, was eben jene Wähler*innen, von denen Baerbock spricht, aktuell finanziell stemmen müssen.

Aktueller Krisenherd, Akt 2: Energiekrise

Denn: Wir haben kein Geld. Wähler*innen der Grünen sind zwar im Schnitt wohlhabender als die Basis anderer Parteien, aber selbst Grünen-Wähler*innen dürften sich an den aktuellen Preisen für praktisch alles nicht nur stören, sondern teilweise auch an ihnen zu Grunde gehen. Naja, zumindest die Studierenden und jungen Familien unter ihnen. Denn die hören mitunter auf zu heizen oder ernähren sich fünf Tage am Stück von denselben Nudeln mit derselben Soße – weil sie das Gefühl haben, sich keinen höheren Lebensstandard leisten zu können.

Und warum? Weil die Entlastungspakete bei weitem nicht ausreichen, um das zu decken, was durch die Energiekrise für uns alle an Mehrkosten entsteht. Die Regierung könnte also entweder dafür sorgen, dass die Bürger*innen Entlastungspakete erhalten, die auch tatsächlich entlastend wirken und mehr als eine nette Geste sind. Und die Grünen als soziale Partei könnten sich doch bestimmt dafür einsetzen. Das wäre ganz großartig, dankeschön!