Annalena Baerbock

Enttäuscht von den Grünen? Eine Zwischenbilanz

Falls daraus – überraschenderweise – nichts werden sollte, wäre es vielleicht doch eine Option, auf Diplomatie zurückzugreifen. Denn jeder normaldenkende Mensch hält es zwar für absolut gerechtfertigt, dass die Regierung wegen der aktuellen Situation in Sachen Energieversorgung nicht auf Russland angewiesen sein will.

Aber ist es wirklich so viel besser, stattdessen auf Saudi-Arabien angewiesen zu sein? Denn Saudi-Arabien ist das Land, mit dem wir aufgrund der Energieengpässe aktuell gute Miene zum bösen Spiel machen müssen, um einen Teil von deren Öl abgreifen zu können. Und ganz nebenbei ist Saudi-Arabien auch ein Land, in dem keine Religionsfreiheit herrscht, in dem Homosexualität unter Todesstrafe steht, in dem Frauen einen männlichen Vormund haben und auch abgesehen davon keinerlei Rechte genießen. Spiegelt dieses Land etwa unsere freiheitlich-demokratischen Werte und unsere ablehnende Haltung gegenüber Gewalt wieder?

Dauerkrisenherd: Haben die Grünen das Klima vergessen?

Ein Punkt, der vor allem jene entrüstet, die den Grünen thematisch nahestehen, ist die scheinbare Vernachlässigung unserer Klima- und Umweltprobleme. Auch das hat selbstverständlich mit der Energiekrise zu tun.

Aufgrund der aktuellen Lage wurden sowohl die Laufzeiten für Atom- als auch für Kohlekraftwerke verlängert. Was einige ranghohe Grünen-Politiker*innen wie Ricarda Lang kritisieren, sei laut Habeck eine durch die Krise bedingte Notwendigkeit.

Kritik dafür hagelt es von allen möglichen Organisationen und Interessengruppen, die sich für Klimaschutz einsetzen – von Fridays For Future bis hin zur Deutschen Umwelthilfe. Der Geschäftsführer letzterer, Jürgen Resch, kritisiert vor allem, dass die Verlängerung jener Verträge nicht wie eine durch die Energiekrise bedingte Übergangs-, sondern beinahe wie eine Langzeitlösung daherkommt. Er wirft den Grünen vor, dass sie nicht stark genug für das Erreichen ihrer selbstgesteckten ökologischen Ziele eintreten.

Nur: Was genau haben wir uns eigentlich von den Grünen erhofft?

Natürlich darf man aber nicht vergessen, dass die Grünen selbstverständlich nicht allein regieren. Was aktuell an Politik betrieben wird, ist also mitnichten ausschließlich den Entscheidungen und Überzeugungen der Grünen geschuldet. Genau das scheinen viele Menschen aber immer wieder zu vergessen: Sie glauben, sobald eine Partei Teil einer Koalition ist, würde sich alles ändern.

De facto haben die Grünen aber gerade einmal 118 der 416 Sitze im Bundestag inne, aus denen unsere Regierung aktuell besteht. Das ist weniger als ein Drittel. Dass nicht alles entsprechend den Wahlversprechen und dem Parteiprogramm umgesetzt werden kann, ist also klar.