Annalena Baerbock

Enttäuscht von den Grünen? Eine Zwischenbilanz

Dennoch gibt es allerdings so etwas wie einen Koalitionsvertrag. Hinsichtlich dieses Vertrages kann man nun einerseits bemängeln, dass man sich an ihn halten sollte, wenn er einmal steht – was hinsichtlich Kohle und Atomkraft aktuell ja eindeutig nicht der Fall ist. Andererseits kann man kritisieren, dass bereits die Verhandlungen, die zu eben jenem Koalitionsvertrag geführt haben, von Seiten der Grünen zu schwach geführt wurden.

Und genau darum scheint es vielen Menschen auch zu gehen: um die Vehemenz, mit der für Grundüberzeugungen eingestanden wird. Die FDP stellt schließlich den kleinsten Teil der Regierung dar – und trotzdem scheint Christian Lindner deutlich härter verhandeln zu können als Robert Habeck und Annalena Baerbock. Die Menschen, die die Grünen gewählt haben, scheinen sich hintergangen zu fühlen – denn aktuell kann man nun wirklich nicht behaupten, dass viel für den Umwelt- und Klimaschutz getan wird. Die Ernsthaftigkeit, mit der die Grünen für ihr programmatisches Alleinstellungsmerkmal einstehen, scheint aktuell mehr als fraglich zu sein.

Aber: Wer ist überhaupt enttäuscht von den Grünen?

Eine Frage darf man inmitten der ganzen Kritik jedoch nicht außer Acht lassen: Wer hat überhaupt das Recht, von den Grünen enttäuscht zu sein? Doch eigentlich nur diejenigen, die die Grünen gewählt haben, oder ihnen politisch zumindest relativ nahestehen, oder?

Warum aber lässt mich das Gefühl nicht los, dass es sich bei denjenigen, die jetzt vorgeben, „ja so enttäuscht“ von den Grünen zu sein, nicht ausschließlich um jene handelt, die sie gewählt haben oder grundsätzlich mit ihnen sympathisieren?

Vielmehr handelt es sich wohl auch zu einem beachtlichen Teil um Konsorten wie Boomer-Jochen, der in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in seinem stillen Kämmerlein stets fleißig auf die Gutmenschlichkeit der Grünen geschimpft hat. Es ist derselbe Boomber-Jochen, der jetzt auf dieselbe Partei schimpft – mit dem Argument, dass deren Mitglieder jetzt wohl ihre Gutmenschlichkeit abgelegt haben, weil sie Waffen an die Ukraine liefern, anstatt sich trotz des Angriffskriegs Russlands weiterhin für uneingeschränkten Pazifismus auszusprechen.

Darüber, dass die Grünen nun aber zwangsläufig mitziehen, was die Beschlüsse hinsichtlich Kohle- und Atomkraftwerken angeht, wird von Boomer-Jochen und seinen Freunden (natürlich ausschließlich männlich) hingegen kein Wort verloren. Denn das ist ja tatsächlich mal ein Punkt, der ganz gut in deren politische Ideologie passt. Also: Psst.

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Bildquelle: Pressefotos von gruene.de; CC0-Lizenz