Fiva IV Zeitjung

Zum Heiland mit Fiva: „Wir waren nie auf Platz Eins und ich werde nie Popstar werden“

Vielen Dank für den perfekten Übergang zur nächsten Frage! Jetzt kommt so eine typische Emanzenfrage: Glaubst du, dass Frauen sich heutzutage zu sehr in den Schatten der Männer stellen?

Nina: Ich glaube, wenn man das pauschal beantworten könnte wäre alles so viel leichter. Ich denke, das ist ziemlich vielschichtig. Es gibt immer noch bestimmte gläserne Decken für Frauen, wo man einfach nicht durchkommt, was man dann einfach auch schon an Gehältern sieht, sowas bringt mich um den Verstand. Es gibt aber auch einen Trend, dass viele Frauen einfach gar nicht den gleichen Weg gehen möchten, wie die Männer. Ich empfinde das immer mehr so, dass ganz viele Frauen auf ihre eigene Art und Weise Karriere machen und diese Karriere muss nicht als Vorstandsvorsitzender in einem großen Unternehmen sein. Dieser Typ oder Weg von Karriere wird vielleicht einfach von Frauen nicht gegangen, das kann daran liegen, das es ihnen nicht eingeräumt oder erlaubt wird, das glaube ich auch. Das kann aber auch daran liegen, dass manche Frauen das einfach gar nicht wollen und damit meine ich nicht, dass sie nur zuhause bei ihren Kindern sind – das respektiere ich genauso, wenn das eine Frau will – aber mehr, dass sie inzwischen ganz eigene Wege gehen, dass sie Start Up-Firmen gründen, dass sie ihre eigenen Geschäftsmethoden entwickeln. Ich arbeite wahnsinnig gerne mit Frauen zusammen, ich kenne nämlich auch diese ganzen Zickenkriege nicht – nicht einmal im Fernsehen. Ich könnte natürlich jetzt auch lauter Negativ-Beispiele aufzählen und ständig nörgeln wie schwer das alles ist. Es ist auch richtig schwer, mit einer 20-köpfigen Big Band ein Album zu machen. Es ist überhaupt utopisch eine 20 köpfige Big Band zusammenzukriegen, die sich selbst finanzieren möchte und Techno, Dubstep und Jazz spielt. Eigentlich geht das gar nicht so, aber wir haben es ja doch hinbekommen und das passt natürlich auch zur Frage: Keine Angst vor Legenden! Nicht einscheißen! Macht es Sinn noch ein Online-Magazin zu machen? Ich weiß es nicht, aber ihr macht es und es ist geil! Abraten kann dir jeder die ganze Zeit.

Euer neues Album „Keine Angst vor Legenden“ ist wie ein kleines Best Of. Was kriegen die Fans mit dem Album auf die Ohren? 

Nina: Dieses Album sind meine letzten siebzehn Jahre – Hier, das bin ich! Ich habe mir ganz viel Zeit gelassen zu überlegen, welche Stücke ich von meinen letzten fünf Alben nehme, also es sind ja wirklich von jedem Album einige Songs dabei. Ich habe die Texte dann nochmal überarbeitet. „Keine Angst vor Legenden“ bin ich und mit den neuen Songs zeige ich einfach meine Entwicklung und das ist schön so!

Roman: In der Zeit, wo die Möglichkeit bestanden hat, dass wir mit Nina zusammenarbeiten können, ging schrittweise die Überlegung los: Wie können wir das umsetzen? Wie fangen wir das auf, was Nina macht? Was spiegelt das am Besten wieder? Ich habe mich in der Vorbereitung dann viel mit ihren alten Sachen auseinandergesetzt und während der Produktion habe ich gefühlt hundert Stunden die Songs von diesem Album gehört. Das Spannende für mich ist, dass es einfach nicht nur davon lebt, dass es Text alleine oder Rhythmus alleine ist, sondern schon davon lebt, dass das Ganze ein großes Facettenreichtum in der Sprachmelodie zeigt. Diese Vielschichtigkeit führt natürlich auch auf die Band zurück, weil wir viele Instrumente dabei haben, die in einer normalen Big Band so gar nicht vorkommen. Wir haben viele Streicher und Holzbläser, also Klänge, die darüber hinausgehen, was wir jetzt von einer normalen Big Band oder einer normalen Hip Hop-Produktion kennen. Das Album lebt also definitiv davon, dass es nicht nur eine Message ist, sondern einfach noch viel mehr dahinter steckt. Deswegen kann ich mir das auch nach all den Stunden immer noch im Auto anhören und dabei immer wieder neue Sachen entdecken.

Ihr steht mit jetzt mit sehr vielen Menschen zusammen auf der Bühne. Wie schwierig war die Zusammenarbeit am Anfang? Hat sofort alles gepasst? 

Roman: Die Band besteht ja eigentlich aus vierzig festen Musikern und ich habe mir schon von Anfang an sehr gut überlegt, wen ich bei dieser Produktion einsetze und wer in dieses Produktions-Team passt. Man konstruiert natürlich erst mal und dann sieht man ja erst beim ersten Zusammentreffen, ob und wie das funktioniert. Es lebt definitiv von diesem ersten Moment, wenn alle aufeinandertreffen. Vor diesem Moment war ich tatsächlich sehr aufgeregt, weil die Big Band ja so groß ist und man ja nicht wusste, wie die einzelnen Musiker der Big Band auf die Nina reagieren. Ich kannte Nina ja vorher schon sehr gut, aber für die Musiker war das natürlich erst einmal abstrakt. Die konnten sich auf YouTube anschauen, was Fiva sonst so macht. Es war tatsächlich von der ersten Probe im Gasteig an so, dass die Art und Weise, wie die Band auf die Nina reagiert hat, eine Art und Weise war, wie sie vorher auf niemand anderen reagiert hat.

Nina: Ich habe sie auch mit Bier bestochen, muss ich dazu sagen!

Roman: Davor oder danach?

Nina: Danach natürlich. Ich hab‘ da so meine Taktik.

Roman: Nein, aber mal ernsthaft. Man kann das einfach nicht planen und es passiert, wies passiert und es hat funktioniert.

Gottseidank!

Nina: Ja gottseidank! Sonst würden wir hier aber auch gar nicht sitzen. Wir sind so unterschiedlich und wären die ersten beiden Proben eine Katastrophe gewesen, würde sich das auch keiner von uns antun. Wir leisten uns ja eh schon ganz schön was, dadurch, das wir nur das tun, auf was wir Bock haben und dann kannst du ja mit all denen gar nicht auf Tour gehen oder ein Album machen, wenn das nicht passen würde. Das war aber ja alles nicht geplant. Wir wollten ursprünglich nur auf der Manic Street Parade spielen und dann wollten wir irgendwie mehr. Das ist mir vorher so noch nie passiert! Das heißt nicht, dass meine anderen Alben alle ein Krampf waren, aber das ist einfach so ins Haus reingeknallt. Eigentlich wollte ich dieses Jahr mit meinem neuen Album anfangen, aber wie kann man, wenn einem alles geschenkt wird, einfach ablehnen?! Joa und jetzt sitzen wir hier und sind kurz vor Platz 1 in den Big Band Charts. Wir stehen also kurz vor dem Jazz-Echo. Muss man sich da eigentlich anmelden? So in der Art „Liebe Macher des Jazz-Echos…“ ? Mein liebster Satz schon immer in einem Interview war ja : Unser Erfolg hat uns recht gegeben.

Mit dem Jazz-Echo könntet ihr definitiv gute Chancen haben, weil ihr ja mit eurem Album mal eine ganz neue Mischung an den Mann bringt.

Nina: Ja nä? So jugendlich. Wir können auch einfach ne Mülltonne anzünden und Graffiti sprayen. Wir waren auch kurz vor den Baggypants und so….(lacht).

Ein Song ist ja schon draußen. Er heißt „Frühling“ – das ist schon ein älterer Song von dir, aber es ist sozusagen das „Premierenvideo“ für dieses Album. Wieso musste der als allererstes raus?

Nina: Wir haben ganz lange überlegt und es ist auch ein wenig schwierig geworden, weil ich einfach alle raushauen will. Frühling ist sehr wichtig für mich. Der Song verbindet mich sehr mit München und mit meiner ganzen Schaffensphase hier. Bei mir können wir ja nicht von Hits sprechen, aber das ist einfach was, was mich mit allen Leuten, die meine Musik hören immer wieder verbindet. Wenn wir den Song live spielen, weiß einfach jeder was passiert und damit meine ich jetzt nicht Feuerzeuge an und „Schalalala“, sondern da ist einfach klar was los ist. Da ist auch einfach alles drin, was ich sagen will „Immer wenn ich euch seh’ wird in mir wieder Frühling“ weil – und jetzt kommt der Hollywood-Satz – sechs Alben kann ich nicht machen, ohne dass es die Leute kaufen. Ich könnte es natürlich machen und mir dann zuhause hinstellen, aber es würde nicht funktionieren. Wir haben viele Menschen, die stabil bei uns bleiben und davon bin ich anfangs einfach nicht ausgegangen. Wie gesagt, wir waren nie auf Platz 1 und ich werde nie Popstar werden, aber ich kann davon leben was ich mache und auf meine Konzerte kommen viele Leute und die sind da und die bleiben – das wage ich jetzt nach 17 Jahren zu sagen.