Humanitäre Notlage: Der vergessene Krieg im Sudan
Im April 2023 eskalierte ein lang andauernder Konflikt im Sudan und löste eine schwere humanitäre Krise aus. Laut Berichten des Deutschlandfunks verschärfte sich der seit Jahren schwelende Konflikt zwischen der sudanesischen Armee und der paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF) Mitte April. Die Armee steht unter der Führung von Abdel Fattah Abdelrahman Burhan, während die RSF von Mohammed Hamdan Daglo geleitet wird, Burhans ehemaligem Vize.
Burhans Entlassung von Daglo diente als Auslöser für die Eskalation. Daglo wird vorgeworfen, Gräueltaten, unter anderem während des Darfur-Krieges, begangen zu haben. Der Konflikt stürzte das Land, das reich an Rohstoffen wie Öl und Gold, aber von Armut geprägt ist, ins Chaos. Die UN-Flüchtlingshilfe berichtet, dass 1,6 Millionen Menschen in die Nachbarländer geflohen sind und weitere sechs Millionen innerhalb des Landes auf der Flucht sind.
Paramilitärische Strukturen und internationale Verbindungen
Die Journalistin Anna-Theresa Bachmann beschreibt die RSF als eine Art Mafia, die in verschiedenen Branchen aktiv ist. Das „Businessimperium“ der RSF umfasst auch eine Sicherheitsfirma, die von westlichen Botschaften und Hilfsorganisationen engagiert wurde. Indirekt flossen so auch deutsche Steuermittel in die Finanzierung der RSF.
Im April 2023 begann der Konflikt in der Hauptstadt Khartum und breitete sich schnell auf andere Gebiete aus, besonders auf die Region Darfur. Berichte aus der Region deuten darauf hin, dass die RSF und verbündete arabische Milizen Anfang November 2023 Hunderte Zivilist*innen der Masalit-Minderheit getötet und sexuelle Gewalt ausgeübt haben. Die Vereinten Nationen bezeichnen die Krise als eine der schlimmsten humanitären Katastrophen der jüngeren Geschichte, mit schätzungsweise 15.000 bis 150.000 Toten. Laut WHO leiden fast fünf Millionen Kinder unter fünf Jahren und schwangere Frauen an akuter Mangelernährung.
Ein Land im Chaos
Hadeel Abdelseid, eine angehende Ärztin, behandelte bis zum 15. April 2023 hauptsächlich Knochenbrüche. Mit Beginn des Krieges strömten jedoch Patient*innen mit Schusswunden ins Krankenhaus. Abdelseid musste selbst operieren, obwohl sie erst vier Monate ihres praktischen Jahres absolviert hatte. Insgesamt sind fast neun Millionen Menschen vertrieben worden, die meisten innerhalb des Landes. Etwa 800.000 flohen ins Nachbarland Tschad.
Europäische Sicherheitsbehörden glauben, dass der Flüchtlingsstrom bald Europa erreichen könnte. UN-Mitarbeiter*innen berichten, dass sich seit Jahresbeginn über 160.000 Geflüchtete nordwärts bewegen. Von diesen sind 40.000 nach Algerien unterwegs, der Rest nach Libyen. Die meisten Geflüchteten stammen aus dem Niger, Nigeria und Tschad, an vierter Stelle stehen Geflüchtete aus dem Sudan.
Ärztemangel und improvisierte Krankenhäuser
Viele Ärzt*innen fliehen ebenfalls aus dem Sudan, meist nach Ägypten. Bereits vor dem Krieg gab es im Sudan nur einen Arzt oder eine Ärztin pro 4.000 Einwohner*innen. Abdelseid blieb jedoch und wurde zur Krisenmedizinerin. Ihr Krankenhaus wurde aufgrund der Kämpfe evakuiert. Mit Hilfe von Geldsendungen aus der Diaspora richtete sie eine Notaufnahme in einer Moschee ein. Unterstützung erhielt sie über die Plattform „Project Echo“, die weltweit ehrenamtliche Spezialist*innen mit Mediziner*innen in strukturschwachen Ländern verbindet. Diese telemedizinische Hilfe ist besonders in Darfur wichtig, wo das Internet von beiden Kriegsparteien blockiert wird.
Ein zugeschalteter Arzt half Abdelseid bei der Behandlung eines bewusstlosen Diabetes-Patienten, der dank der Anleitung überlebte. Die humanitäre Lage in El Fasher, der letzten von der Armee kontrollierten Stadt in Darfur, verschlechtert sich zusehends. Ärzt*innen ohne Grenzen berichten, jedes 15. Kleinkind sei akut mangelernährt. Internationale Beobachter*innen warnen vor einem möglichen Einmarsch der RSF in El Fasher, der zu Massakern an der Zivilbevölkerung führen könnte.
Flucht und Fernunterstützung
Abdelseid berichtet, die Lage sei so schlimm wie 2003 bis 2005, als Hunderttausende in Darfur starben. Sie fühlt sich von der internationalen Gemeinschaft alleingelassen. Nach dem Tod ihres Cousins floh sie nach Ägypten, kann aber nur noch aus der Ferne helfen. „Ich bin immer noch dort, mit meinem Herzen und meinem Verstand“, erklärt sie laut der WELT.
Zwischen 2003 und 2005 starben schätzungsweise 200.000 Zivilist*innen in Darfur infolge brutaler Angriffe, Krankheiten und Hungersnöten. Diese Tragödie resultierte aus einer Gewaltkampagne der sudanesischen Regierung und den Janjaweed-Milizen, die systematisch Gebiete entvölkerten und Zivilist*innen angriffen. Die sudanesische Regierung behinderte den Zugang internationaler humanitärer Hilfe, was zu tödlichen Lebensbedingungen für die Vertriebenen führte.
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Bild: Diego Delso, delso.photo, License CC-BY-SA via Wikimedia