Gender Pain Gap

Gender Pain Gap: Wie Vorurteile Frauen unnötig leiden lassen

Frauen leiden laut Studien häufiger und intensiver unter Schmerzen als Männer, ihre Beschwerden werden jedoch oft nicht ernst genommen: Dieses Phänomen nennt sich „Gender Pain Gap“.

Bestimmte Schmerzen werden bei Frauen oft als normal abgetan. Zudem herrscht bei vielen noch immer die Vorstellung, dass Frauen schmerzerprobter seien, weil sie doch auch Geburten und Regelschmerzen ertragen. Tatsächlich sind Frauen jedoch empfindlicher gegenüber Schmerz – zudem schwankt das Schmerzempfinden je nach Zyklus, schreibt etwa die Brigitte. Aber woher kommt diese Diskrepanz zwischen öffentlicher Wahrnehmung und Wirklichkeit?

Forschungslücken und ihre Folgen

Frauen dürfen erst seit 1993 an klinischen Studien teilnehmen. Eine Richtlinie der FDA von 1977 hatte Frauen im gebärfähigen Alter die Teilnahme an Medikamentenstudien untersagt. Diese Richtlinie führte unter anderem dazu, dass in der Medizin lange Zeit unzureichend dahingehend geforscht wurde, wie der weibliche Körper auf bestimmte Medikamente reagiert: Diese Forschungslücke resultiert heute darin, dass Frauen länger auf Diagnosen warten müssen und bei spezifischen Problemen weniger Unterstützung erhalten. Laut einer Studie ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Frau ein Herzinfarkt fehldiagnostiziert wird, um 50 Prozent höher als bei einem Mann.

Frauen werden bei Schmerzen, deren Ursache sich nicht auf den ersten Blick erkennen lässt, oft als „hysterisch“ und „sensibel“ abgestempelt. Wenn keine offensichtliche Verletzung vorliegt, wird Frauen eher zu einer Psychotherapie geraten. Männer bekommen in solchen Fällen hingegen Medikamente verschrieben, denn: Wenn ein „wackerer“ Mann über Schmerzen klagt, dann muss er ja wirklich leiden!

Interessanterweise scheint die Realität aber genau umgekehrt zu sein: Anekdotischen Erzählungen einer Freundin nach zu urteilen, die im Rettungsdienst arbeitet, scheinen insbesondere Männer eher „wehleidig“ auf Schmerzen zu reagieren, während Frauen oft versuchen, diese zu verstecken. Höchstwahrscheinlich, um ebenjenen schädlichen Vorurteilen entgegenzuwirken.

Hoffnung auf Veränderung

Die Gender Pain Gap ist ein komplexes Problem, das weit in die Vergangenheit zurückreicht. Glücklicherweise wurden in den letzten Jahren jedoch auch aktiv Fortschritte bei der Schließung dieser Lücke gemacht. So hat sich etwa eine Studie der Berliner Charité tiefer mit Migränen auseinandergesetzt. Dabei hat sich nicht nur herausgestellt, dass Frauen dreimal häufiger von Migränen betroffen sind als Männer – es hat sich auch gezeigt, dass der Entzündungsbotenstoff, der bei einer Migräne freigesetzt wird, während der Periode in besonders großen Mengen gebildet wird. Diese Erkenntnis ist laut den Autor*innen der Studie möglicherweise relevant für bestehende Migräne-Medikamente, die sich gegen diesen Botenstoff richten.

Frauen sollten ihre Beschwerden nicht als normal akzeptieren, sondern auf eine gründliche medizinische Untersuchung bestehen. Nur so kann sichergestellt werden, dass ihre Schmerzen ernst genommen und auch angemessen behandelt werden. Und für Ärzt*innen heißt dies wiederum, ihre Patient*innen mit der gebotenen Sorgfalt zu behandeln.

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Bildquelle: Karolina Grabowska via Pexels, CC0-Lizenz