„Ich kann mich einfach nicht öffnen“ – warum dieser Satz nervt

Dieser Text stammt von Max Osswald, Autor des Buches Quarterlife-Crisis und Poetryslammer.


Immer, wenn ich diesen Satz höre oder lese, könnte ich kotzen. Da träumen sie alle von der perfekten Beziehung, von irgendwelchen Traumpartnerinnen und Traumpartnern, aber die meisten von ihnen würden die nicht mal erkennen, wenn sie ihnen ins Gesicht springen würden – geschweige denn, dass sie für ihn oder sie »bereit« wären.

Ist irgendjemandem irgendwann schon mal irgendetwas Besonderes oder Tolles passiert, weil er oder sie den sicheren Weg gewählt hat? Wenn wir nie etwas riskieren, können wir das Ganze hier auch gleich bleiben lassen. Wozu sind wir denn auf diesem kleinen, beschissenen Planeten? Um uns zu verstecken? Um Schmerz zu vermeiden? Das ist ja gerade das Schöne an dieser absurden und völlig sinnlosen Veranstaltung, die sich Leben nennt: dass wir nichts zu verlieren haben. Nie. Wir haben immer nur etwas zu gewinnen.

Ich falle lieber noch tausendmal ungebremst voll auf die Fresse, anstatt mich mit gar nichts oder mit irgendwelchen halbgaren, unentschlossenen Kompromissen zufrieden zu geben. Wir alle sind schon mal auf die Schnauze geflogen, wir alle haben schon eine oder mehrere Bruchlandungen hinter uns. Ist das etwa ein Grund, aufzugeben?

Dieser Vergleich wird heutzutage zwar total inflationär gebraucht, aber eben deshalb, weil er super passt: Wenn ein Kind, das gerade lernt, zu laufen, hinfällt, meint es dann ja auch nicht: »Ach, du, ich glaube, laufen – das ist nichts für mich. Ich möchte einfach den Schmerz des Hinfallens nicht nochmal fühlen, das hat mir zu sehr wehgetan.« Es steht einfach wieder auf, macht weiter und fällt noch hunderte Male hin – bis es schließlich laufen kann.

Also, steh wieder auf. Öffne dich. Weg mit dem Selbstmitleid. Denn du bist absolut nichts Besonderes, tut mir leid. Du und deine Probleme sind nichts Besonderes. Egal, was in deiner Vergangenheit passiert ist: tausende Leute haben schon dasselbe durchgemacht wie du – oder sogar Schlimmeres. Und das Schlimme, das dir irgendwann mal widerfahren ist, ist vielleicht auch nicht deine Schuld. Aber es liegt in deiner Verantwortung, damit umzugehen und damit klarzukommen. Es ist schließlich dein Leben.

Ein Opfer zu sein ist leicht. Und faul.

Hör auf damit.

Etwas nicht zu wagen, aus Angst davor, dass es vielleicht nicht klappen könnte, ist Schwachsinn. Was wäre diese Welt, wenn jeder so denken würde?

Vorsichtig sein kannst du, wenn du über die Straße läufst, aber nicht in der Liebe. Wer Angst hat, ist unfähig, zu lieben. Also stürz dich rein, mit allem, was du hast. Alles andere lohnt sich nicht.

Jede Beziehung scheitert, bis es am Ende eine nicht mehr tut. Und all das Chaos, all die gestorbenen Hoffnungen, all die Verzweiflung, all die Nächte voller Tränen werden es wert gewesen sein.
Versprochen.

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Bildquelle: Pexels unter CCO-Lizenz