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Stummer Genozid: Die vergessenen Frauen Kanadas

In Kanada findet ein Völkermord statt – und niemand spricht darüber. Immer mehr indigene Frauen und Mädchen werden Opfer von Vergewaltigungen, verschwinden spurlos oder werden leblos aufgefunden. Seit 2019 werden diese Vorfälle von der Regierung offiziell als genderbasierter und rassistischer Genozid eingestuft.

Triggerwarnung: Der Text behandelt Themen wie Vergewaltigung, Gewalt an Frauen und Mord. 

Angehörige der Métis, Inuit und First Nations sind laut Amnesty International in Kanada überdurchschnittlich oft Opfer von Gewaltverbrechen. Zwischen 1980 und 2012 sollen 1200 indigene Frauen als vermisst gemeldet oder ermordet worden sein. Demzufolge liegt die Mordrate bei indigenen Frauen in Kanada sechsmal höher als bei anderen Frauen. In den USA ist die Mordrate an indigenen Frauen sogar noch höher und liegt zehnmal über dem nationalen Durchschnitt.

Highway of Tears

Besonders deutlich wird dies entlang des sogenannten Highway of Tears im Norden von British Columbia. Auf dem Highway 16, der sich über mehr als 700 Kilometer durch die westliche Provinz erstreckt, werden Frauen erschlagen, erwürgt und misshandelt. Seit 1970 ist diese Straße Schauplatz grausamer Verbrechen, von denen überwiegend indigene Frauen betroffen sind. Eine dieser Frauen ist Ramona Wilson, die im Jahr 1994 auf dem Highway 16 spurlos verschwand. Bis heute bleibt ungeklärt, was sich in jener Nacht tatsächlich ereignete. Sie ist eine von 43 Frauen, die auf dieser Strecke verschwunden sind, wobei die Mehrheit von ihnen nicht-weiße Kinder aus First-Nation-Familien sind.

Mary Jane Hill erging es ähnlich. Am 26. März 1978 verschwand sie, und drei Tage später wurde sie nackt, etwa 30 Kilometer außerhalb der Stadt, in einem Gebüsch gefunden. Der offizielle Totenschein führte als Todesursache eine Lungenentzündung an. Es gab keine polizeilichen Ermittlungen. Bis heute sucht ihre Tochter Vicki Hill nach Antworten und Gerechtigkeit. Später erfährt sie, dass die tatsächliche Todesursache ihrer Mutter Totschlag war und dass Mary Janes Leiche auf einem freien Platz auf dem Friedhof von Prince Rupert verscharrt wurde. Ohne Grabstein und ohne Markierung.