mark-ronson-interview

Mark Ronson: „Ich habe den Club gesprengt!“

Von Erik Brandt-Höge

Mark Ronson, englischer Musiker und Produzent, arbeitete bereits mit Größen wie The Roots, Kanye West und Sean Paul zusammen. Erst durch die Zusammenarbeit mit Amy Winehouse aber gelang auch ihm der Durchbruch: 2008 bekam er bei den Brit Awards den Preis für den besten britischen Solokünstler überreicht. Im Interview erzählt uns der DJ von seinen Anfängen, den wilden Nächten in New York und von seinem neuen Album.

ZEITjUNG.de: Mark, dein neues Album „Uptown Special“ basiert auf dem Soundtrack deiner Teenager-Jahre: dem Soul, R’n’B und HipHop, der in den 90ern durch New Yorker Clubs strömte. Was mochtest du damals an dieser Musik?

Ich habe sofort gemerkt, was mir musikalisch gut tut und was nicht. Das geht ja jedem so: Musikalische Vorlieben kann man nicht erklären, sie kommen und gehen ganz automatisch. Sicher, wenn man 13 ist und es einem nur darum geht, ein bisschen zu rebellieren, hört man auch mal Pantera oder Public Enemy. Ist ja auch eine Möglichkeit, mit dem Hormonstau und der ein oder anderen Aggression umzugehen. Aber spätestens mit 17, 18 legt man sich musikalisch auf das fest, was man wirklich liebt.

War das bei dir an einen bestimmten Lebensstil geknüpft?

Ich wusste Mitte der 90er ganz genau, was ich wollte, nämlich nicht nur Soul, R’n’B und HipHop hören, sondern ein Teil davon werden. Und weil ich weder rappen, noch besonders gut produzieren konnte, beschränkte ich mich auf das, was ich schon anbieten konnte: das Auflegen. Als DJ war ich bald sechsmal die Woche in meist schwarzen HipHop-Clubs in New York unterwegs, immer für rund 200 Dollar pro Abend. Damit konnte ich meine Miete bezahlen. Wenn ich Glück hatte, durfte ich auch mal bei einer Fashionshow auflegen. Meine Tagen waren eigentlich immer gleich: Bis vier Uhr morgens war ich in den Clubs, danach noch schnell etwas essen und um halb sechs im Bett. Aufgestanden bin ich erst um halb drei am Nachmittag. Erstaunlich, wenn ich heute darüber nachdenke, wie lange ich damals schlafen konnte.

War dir das Auflegen genug? Oder wolltest du bald mehr als DJ sein?

Ich wollte nicht unbedingt berühmt werden, falls du das meinst. Mir ging es erstmal nur darum, mit dem Auflegen Geld zu verdienen. Allein das war gar nicht leicht: Zur damaligen Zeit haben tausende Kids den gleichen Wunsch verfolgt und wollten mit ihren HipHop-Platten in die Clubs. Ich musste mich ziemlich anstrengen, um am Ball zu bleiben. Immer wieder ging ich mit meinen Demo-Tapes in die Diskotheken und verteilte sie an die Betreiber, immer in der Hoffnung, sie würden mir ein paar Gigs verschaffen.

Meist klappte das. Was hattest du, was andere junge DJs in New York nicht hatten?

Zum Beispiel konzentrierte ich mich nicht nur auf die Hits der Zeit, wie es viele andere taten. Stattdessen machte ich mich auf die Suche nach den Originalversionen der Songs, die in den Hits gesampelt wurden. Ich ging in jeden Plattenladen von New York, bis ich fündig geworden war. Meine Strategie war einfach: Ich wollte die Leute mitnehmen auf eine Reise in eine andere Zeit und sie gleichzeitig mit etwas bei der Stange halten, das sie schon kannten.

Klingt sehr ambitioniert.

Ich wollte ja auch etwas erreichen. Es gab damals zum Beispiel diesen Club namens Life. Das war der angesagteste Laden von New York. Immer voll mit Superstars, Supermodels, den Coolsten aus der Downtown-Szene. Der Typ, der den Club betrieb, war Steve Lewis. Ich habe ihn geradezu angefleht, bei ihm auftreten zu dürfen, immer und immer wieder bettelte ich darum: „Lass mich bitte, bitte einmal freitagabends auflegen – ich verspreche dir, ich bringe deinen Club zum Kochen!“ Lewis ging aber nie darauf ein. Bis irgendwann eine DJane schwanger wurde und ich tatsächlich meine Chance bekam.

Wie lief der Abend?

Ich habe alles, wirklich alles, was ich hatte, in diesen einen Gig gelegt. Letztlich habe ich den Club nicht zum Kochen gebracht – ich habe ihn gesprengt! Chris Rock, Rick Rubin, Mariah Carey – der Club war wieder voll mit Prominenten, die alle verrückt nach meiner Musik waren. Seitdem legte ich regelmäßig im Life auf. Und mehr noch: Es gibt doch diesen Song, in dem es heißt: „Wednesdays I’m Up in Shine, Cheetah’s Monday Night, I’m Fucking with the model chicks Friday night at Life.”

„So Ghetto“ von Jay-Z (erschienen 1999; Anm. d. Verf.).

Genau. Jay-Z erzählt darin letztlich auch von mir, denn zu der Zeit legte ich schon in allen drei Clubs auf: mittwochs im Shine, freitags im Life, montags im Cheetah. Das war mittlerweile mein Leben: Ich legte in den wichtigsten Läden der Stadt auf und war dabei meinen musikalischen Helden ganz nah, die an den Tischen um mich herum saßen oder vor mir tanzten.

 

https://www.youtube.com/watch?v=4HLY1NTe04M

Der Ohrwurm „Valerie“ ging 2007 durch sämtliche Radiostationen und hielt sich wochenlang in den Charts.

Du hast die Musik gespielt, deine Helden haben dazu getanzt. Hast du dich da nicht selbst ein bisschen wie ein Held gefühlt?

Nein, denn abgesehen davon, dass die Clubs, in denen ich auflegte, nicht besonders groß waren – jeweils 300 bis 400 Gäste am Abend – war das DJ-Dasein dort nur wenig glamourös. Meistens hatte ich meinen Platz in irgendeiner dunklen Ecke des Clubs, oft konnte man mich gar nicht sehen. Ich war also kein Star, sondern nur für die Stars da. Meine Aufgabe war es, die V.I.P.s in Stimmung zu bringen. Das Gefühl, als DJ irgendwie besonders zu sein, stellte sich in den New Yorker Clubs damals nicht wirklich ein.

War der Druck beim Auflegen größer als der Spaß, den du dabei hattest?

Als DJ hatte man nicht mehr und nicht weniger Druck als in jedem anderen Job in New York: Es wurde einfach erwartet, dass man gut war. Andererseits war es natürlich auch toll: Ich war bald Mitte 20 und spielte in diesen legendären Clubs Musik, die ich selbst sehr mochte.

Wie verlief ein typischer Club-Abend für dich als DJ?

Ich spielte immer Sets von vier bis fünf Stunden. Es war eine spannende Zeit in der New Yorker Clubszene: Die Leute kamen noch, um zu tanzen, und zwar die ganze Nacht. Wenn ich anfing aufzulegen, so gegen halb zwölf, sah ich, wie sich die ersten Mädchengruppen vor mir positionierten. Und wenn ich meine Sache gut machte, waren um halb drei immer noch alle an ihrem Platz.

Was hat das New Yorker Nachtleben in den folgenden Jahren verändert?

Vor allem der V.I.P.-Service in den Clubs. Viele Stars gehen heute nur aus, um in irgendeiner angemieteten Loge rumzuhängen. Und dann natürlich Smartphones: Die ziehen so viel Aufmerksamkeit auf sich, dass das Clubleben um sie herum schnell verschwimmt. Allgemein haben Smartphones bewirkt, dass die Leute sich nicht mehr besonders lange auf etwas konzentrieren können, das außerhalb des Displays liegt. Und was auch dazu beigetragen hat, dass irgendwann alles anders wurde, war das Rauchverbot. Nicht, dass ich Rauchen gut fände oder wollen würde, dass die Leute in de Clubs wieder damit anfangen. Nur ist es ja so, dass sie fürs Rauchen heute ständig rein und raus müssen und dadurch den Spannungsbogen an so einem Club-Abend immer wieder unterbrechen.

Wünschst du dir manchmal, in der Zeit zurückreisen zu können?

Das könnte schon lustig sein – aber nur für einen Moment. Grundsätzlich gilt: Man kann nichts wiederholen, was man schon erlebt hat. Abgesehen davon bin ich heute ein sehr viel besserer Produzent und Songschreiber. Ich bleibe gerne in der Gegenwart.

Denkst du, deinem 90er-Jahre-Club-Publikum hätte „Uptown Special“ gefallen?

Ich denke schon. Viele hätten es vor allem interessant gefunden, weil das jetzt ja Musik ist, die mit Technologie entstanden ist, die es vor fünfzehn Jahren noch nicht gab. Damals hätte man diese Songs nicht so hingekriegt.

Deine Vorliebe für spezielle Aufnahmetechniken ist bekannt – genauso wie deine Abneigung gegenüber dem aktuellen Radio-Pop. Vermisst du derzeit Ausnahmekünstler wie Amy Winehouse?

Es gibt auch heute Künstler, die einen Unterschied im Pop-Geschäft machen. Wenn auch nicht sehr viele. Wer nachhaltig etwas schaffen will, muss schon mehr als nur talentiert sein.

Was noch?

Experimentierfreudig. Bereit, Risiken einzugehen. Bemüht, wirklich etwas zu verändern und auch andere zum Umdenken zu bewegen. Amy war natürlich all das. Künstler wie sie wird es so bald nicht wieder geben – aber hoffentlich welche, die wie Amy einfach ihr eigenes Ding machen.

 

Folge ZEITjUNG auf FacebookTwitter und Instagram!

Bildquelle: Su–May unter CC BY 2.0