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6 Liebestypen oder warum wir aufhören sollten, Liebe zu bewerten

Es gibt Fragen, die sollte man nicht stellen: Weil es nie eine befriedigende Antwort darauf gibt. Und trotzdem tun wir das, wir kleinen Masochisten. Liebst du mich?

Eine typische Selbstzerstörungsfrage, nagend, der Versuch, Gefühle zu rationalisieren ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Und obwohl wir es besser wissen, obwohl wir sie nicht laut stellen, geistert diese Frage irgendwo zwischen dem ersten Verliebtheitsmoment und routiniertem Alltag in unserem Kopf, weit weg von unserem Bauchgefühl. Denn trotz allen Gefühlsfetischismus, holt uns der vermessene Wunsch nach einer Skalierung – zack bumm –ein. Doch warum neigen wir dazu, die Qualität einer Liebe mit quantitativen Pseudobewertungen beurteilen zu wollen? Und wie könnten wir stattdessen die Unterschiede zwischen Beziehungen verstehen?

 

Wie sollen wir die Schärfe einer Beziehung oder die Intensität von Sympathien messen?

 

Manchmal flüchten wir uns in die Vermessung einer Liebe, wenn der oder die andere ein Mehr, ein Zuviel an Gefühlen aufbringt, als wir bereit zu geben sind. Und dadurch dass wir Liebe messen, gibt es natürlich auch einen furchterregenden Nullpunkt, den Moment, in dem anscheinend nichts mehr von diesem Feuerfunken-Zauberkribbeln da ist. Doch wenn wir ehrlich sind, dann sind all die Momente, in denen wir Liebe zum zählbaren, messbaren Gegenstand degradieren, nur Versuche, die eigene Angst gut zu reden, das mangelnde Vertrauen zu überspielen, die vielen Zweifel zu legitimieren.

Denn erstens ist jede Liebe ein komplexer Mix aus verschiedenen Gefühlen. Und zum anderen kann man dieses Zusammenwirken an Einzelteilen nicht verallgemeinern. Es gibt keine Maßeinheit, welche die Schärfe einer Beziehung, die Intensität von Sympathien oder die Farbigkeit verschwendeter Tagträumen misst. Deswegen bauen wir aus unseren Erfahrungen eine Skala an Liebesgefühlen:

Du liebst mich nicht genug, weil ich mehr für dich tue als andersherum. Ich liebe nicht genug, weil ich nicht mehr jeden Tag meines Sommers mit dir verbringen kann. Dieses Wir liebt weniger als das Wir aus einer der letzten Beziehungen. Doch die Messung von Qualität durch Quantität ist absurd, der Vergleich mit der eigenen Vergangenheit nur schmerzhaft.

 

… und wir vergeben fröhlich Noten für Liebesbeweise

 

Denn wenn wir ehrlich sind, dann ist keine Liebe wie die andere. Wir sind schließlich nicht beim Eiskunstlaufen und bewerten mit Noten, welcher Liebesbeweis größer, tiefer, wahrer ist. Eine niedrige A-Note für den Schwierigkeitsgrad und eine mittelmäßige B-Note vergeben wir für den schnörkellosen Liebesbrief eines Pragmatisten. Für den Akt, ein Fahrrad in minutiöser Kleinstarbeit über Tage hinweg zu reparieren, gibt es dann aber eine Gesamtwertung von 5? Dieses Bild fühlt sich absurd an, spiegelt die Darstellung von Liebe erstens nicht zwangsweise das dahinterliegende Gefühl wider. Und zum anderen gibt es in der Liebe kein richtig und kein falsch und deswegen sollte es auch keine Bewertungen geben.

Doch wenn wir vergleichen, um uns selbst und andere besser zu verstehen, schlage ich vor, sich von Bewertungsskalen zu verabschieden und stattdessen einen Blick auf John Alan Lees Theorie zum Lieben zu werfen. Der kanadische Psychologe unterteilt in verschiedene Arten zu lieben. Dabei kann man selbst innerhalb einer Beziehung verschiedene Stufen des Spektrums durchlaufen. Zu wissen, welche Typen es gibt, soll jetzt aber keine Einladung sein, den nächsten Brigitte-Selbsttest zu machen, sondern viel eher dabei helfen, die Unterschiede in der Darstellung, den Ängsten und den Konsequenzen zu verstehen.

 

Von Freundschaft, Erotik und Eifersucht – die sechs Liebestypen

 

Klar, Eros ist DER Inbegriff unserer westlichen Konzeption von Liebe: Sex, Erotik, Leidenschaft, Sehnsucht. Kennen wir alle, mindestens aus Liebesfilmen. Doch der Nachteil ist, dass kaum jemand diesen Typ auf lange Zeit aufrechterhalten kann. Einen Marathon sprintet man auch nicht. Wessen Liebe stattdessen auf Werten wie Verständnis, gemeinsamen Interessen, Vertrauen aufbaut, praktiziert eher den Typ Storge. Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Freundschaft. Kleiner Wermutstropfen: Storge ist eben eher kumpelhaft als lasziv-intensiv. Und dann gibt es natürlich auch die Gutmenschen unter den Liebenden. Agape heißt das Stichwort und ihre Liebe ist bedingungslos und uneigennützig. Dabei kommt es bisweilen vor, dass sie ihre Partner*innen als Projekt verstehen und ihren eigenen Lebenssinn in der Befriedigung dessen. Das kann anstrengend werden, wenn Agape einseitig ist, aber auch sehr schön, wenn beide auf diese Art und Weise lieben.

Auch Mania wird als Liebestyp benannt, der sehr intensiv ist, aber umgekehrt auch mit Eifersucht, der Angst vor Verlust und wenig Selbstvertrauen assoziiert wird. Wer stattdessen auf Leichtigkeit, freie Liebe und Freiheit pocht, sieht Liebe eher als Spiel: Ludus. Das macht die einzelnen, vielen Beziehungen etwas oberflächlich und lässt Tinderellas trotz wechselnder Sexualpartner*innen dezent unbefriedigt zurück. Und was früher durchaus den Beginn vieler Ehe markiert hat, ist heute verpönt. Was damals vor allem Kalkulation einer Beziehung nach finanziellen, sozialen oder kulturellen Größen bedeutete, heißt heute für die Kinder zusammen zu bleiben. Natürlich ist Pragma, so nennt man diesen Typ, überhaupt nicht „romantisch“, aber dafür sieht man der Realität ins Auge und hat meistens länger etwas von dieser Entidealisierung.

Das Schöne an so einem Spektrum ist, dass man meistens mehrere Stile pflegt, es innerhalb Beziehungen Entwicklungen gibt und dass jeder Stil seine Pluspunkte und negativen Aspekte hat. In der Theorie geht man davon aus, dass die ersten drei – Eros, Storge und Agape – eher am Anfang einer Beziehung stehen und dann durch die sekundären Typen ersetzt werden. Um eine grobe, gewissermaßen wertfreie Einschätzung zu bekommen, sind solche Modelle wunderbar geeignet. Ich persönlich denke, dass man selbst dafür verantwortlich ist, was und wo man sich gerade mit seiner Liebelei wiederfindet. So ein Modell vergrößert die Möglichkeiten, die eigene Gefühlswelt und die vielen verschiedenen Liebesbeweise zu sortieren. Doch Liebe bewerten zu wollen macht wahnsinnig unglücklich. Denn am Ende können wir nur sagen, ob es uns selbst gut tut, so geliebt zu werden und ob wir die andere Person auf diese Weise so lieben wollen. Und dafür gibt es keinen Maßstab.