Liebeserklärung an: Luigi, der Held aus der zweiten Reihe

Es sind die kleinen Dinge, die uns unseren tristen Alltag versüßen und das Leben ein bisschen besser machen. Ob es hübsche Gänseblümchen sind, die am Straßenrand wachsen oder eine Kugel deiner liebsten Eissorte – wir alle haben kleine Muntermacher in unserem Alltag, über die wir nur selten ein Wort verlieren. Das soll sich jetzt ändern! Wir bieten euch eine Liebeserklärung an die kleinen Dinge, die uns in stressigen Situationen retten, an schleppenden Tagen motivieren oder uns die guten Tage versüßen!

Lieber Luigi,

mir war all die Jahre gar nicht bewusst, dass wir zwei ganz zentrale Dinge gemeinsam haben. Zum einen sind wir beide jeweils der Jüngere von zwei Geschwistern, zum anderen sind wir beide jeweils dennoch der Größere. Gut, meine Schwester und ich sind überraschenderweise keine schnauzbärtigen Klempner. Aber dennoch: Wir haben viel, gemeinsam, Luigi. Egal, wie sehr wir uns auch bemühen, irgendwie stehen wir, trotz unserer Größe, immer im Schatten unserer älteren Geschwister. Selbst wenn dieser Schatten nur in unseren Köpfen existieren sollte. Es sind deine Unzulänglichkeiten, es ist dein „Born to be a loser“-Gen, das dich mir so sympathisch macht. Selbst wenn es regnet und wir merken, dass unser Regenschirm Löcher hat, lächeln wir und lassen die dicken Tropfen an uns abprallen. Wir kennen es doch gar nicht anders.

Alles begann mit einer Pizzeria

Deinen ersten Auftritt in einem Videospiel verdankst du der Tatsache, dass der junge Spiele-Entwickler Shigeru Miyamoto Anfang der 1980er auf der Suche nach einem Partner für seine Figur Super Mario war. Miyamoto tauschte beim Charaktermodell von Mario einfach die Farben von Shirt und Latzhose und schon war die digitale Geburt vollzogen. Gemeinsam mit deinem Bruder machtest du 1983 in Mario Bros. erstmals Schildkröten, Krabben & Co. den Garaus. Während Mario nach dem Immobilienmakler Mario Segale benannt wurde, der Nintendo damals bei der Suche nach seiner ersten Niederlassung in den USA half, soll dein Name auf eine Pizzeria zurückgehen. Die Pizzabude „Mario and Luigi’s“ soll damals nur einen Katzensprung von Nintendos Niederlassung in Redmond, Washington, entfernt gewesen sein und Miyamoto dazu inspiriert haben, dir diesen klangvollen Namen zu verleihen.

Ein Super LUIGI Adventure hast du nie verlangt

In den kommenden Jahren spieltest du immer nur die zweite Geige. Ob Super Mario Bros. oder Super Mario World, in den Super-Mario-Jump’n’Runs warst du immer nur dann dabei, wenn der Zwei-Spieler-Modus gestartet wurde. Auch in den zahlreichen Spin-offs, die über die Jahre hinzukamen, deutet der Name nie darauf hin, dass du dabei bist, lieber Luigi. Es heißt Super MARIO Kart, MARIO Party, MARIO Golf und MARIO Tennis. Dabei warst du immer ein fairer Sportsmann, hast dich nie beschwert, hast dich fürs Team geopfert und im Sinne der Harmonie innerhalb der fröhlichen Nintendo-Familie nie aufgemuckt. Du hast nie ein Super LUIGI Adventure oder ein LUIGI Volleyball verlangt. Dafür bist du (von wem eigentlich?) zu gut erzogen.

Die Schlange blieb immer im Käfig

Außerdem, und das muss dir dein Bruder sehr hoch anrechnen, hast du nie versucht, ihm Prinzessin Peach auszuspannen. Die Gelegenheit dazu gab es unzählige Male, schließlich kommt man sich bei den 2-vs-2-Minispielen in Mario Party sehr nah. Doch inmitten dieses frivolen Partyspaßes bist du deinem Bruder nie in den Rücken gefallen, hast dein italienisches Temperament stets in Zaum gehalten, die Schlange stets im Käfig gelassen. Ich hoffe, dein Bruder gibt dir dafür zwischendurch mal einen Teller Nudeln aus.

Ängstlich, aber kein Angsthase

Während dein Bruder als der Mutige und Tapfere gilt, bist du eher zurückhaltend, wirst oftmals regelrecht ängstlich dargestellt. Zögernd, zitternd, zähneklappernd. Aber…ist das überhaupt ein Defizit? Ist es nicht vielmehr…menschlich? Ist es nicht vielleicht sogar besser? Denn wo ein anderer blindlings und unüberlegt ins Abenteuer vorpreschst, kochst du dir lieber erstmal eine Tasse Tee und denkst darüber nach, welcher Schritt nun als sinnvoll erscheint. Dein Naturell und damit auch durchaus dein Vorteil, lieber Luigi, liegt darin, dass dich eine gesunde Skepsis auszeichnet.

Du bist zwar ängstlich, aber als Angsthase bezeichnen darf dich niemand, Luigi. Denn als dir Nintendo 2001 mit Luigi’s Mansion erstmals dein erstes „richtiges“ eigenes Spiel spendierte, schickte man dich dorthin, wo Angsthasen sofort schreiend wieder hinauslaufen. In ein von zahlreichen Geistern bevölkertes Spukhaus. Mit Hilfe von Professor I. Gidd und deinem Schreckweg 08/16, eine Art Geister-Staubsauger, sorgtest du in bester Ghostbusters-Manier für Ordnung. Es zählt zu den Sternstunden der Videospielgeschichte, wenn du zähneschlotternd und zitternd die knarzenden Türen in der Geistervilla öffnest und leise vor dich hin jammerst. Wohlgemerkt ohne dabei zu kneifen.

Schon das dritte Mal im Spukhaus-Einsatz

Und es hat sich gelohnt, Luigi: Deine „Luigi’s Mansion“-Serie ist heute ein Millionenseller und fester Bestandteil in Nintendos Portfolio, exakt an Halloween erscheint nun der dritte Teil der Serie für die Nintendo Switch. Auch diesmal wirst du in den sauren Schreckensapfel beißen müssen, doch auch diesmal wirst du trotz aller widrigen Umstände nicht weglaufen, sondern dich tapfer durch die schaurigen Korridore kämpfen. Seine Premiere feiert im dritten Teil dein wahrlich glibbriger Doppelgänger Fluigi. Ja, den Status hast du mittlerweile, Luigi: Als Teamkamerad fungiert nicht etwa dein Bruder Mario, sondern eine skurrile Kopie deiner Selbst. Wenn sich dies nach knapp 36 Jahren harter Arbeit auf den Bildschirmen dieser Welt jemand verdient hat, dann du.

Auf ewig im Schatten – wieso eigentlich nicht?

Apropos Sternstunden: Für mich zählt es zu den lustigsten Momenten, die ich als Videospieler vor dem Bildschirm verbringen durfte, dir und deinem Bruder in der „Mario & Luigi“-Reihe dabei zuzuhören, wie ihr euer Pseudo-Italienisch darbietet. Wenn ihr hier vor einem Rätsel steht, euch mit großen Augen und wild gestikulierend beratschlagt, dann ist das nicht nur hervorragende Arbeit eures langjährigen Synchronsprechers Charles Martinet, sondern auch beste Comedy, wie man sie von dir und deinem Bruder gewohnt ist. Darum möchte ich dich in dieser Welt, die sich jeden Tag schneller zu drehen scheint, bitten: Bleib bitte so, wie du bist, Luigi. Bleib bitte dieser ängstliche und zaghafte, aber eben auch liebenswürdige und zähnezusammenbeißende Typ, der auf ewig im Schatten seines Bruders steht. Und, hey, sehen wir’s doch mal von der guten Seite: Wer im Schatten steht, braucht weniger Sonnencreme.

Folge ZEITjUNG auf Facebook, Twitter und Instagram!

Bildquelle: Pexels unter CC0-Lizenz