Liebeserklärung an: das Jobben in der Gastronomie

Es sind die kleinen Dinge, die uns unseren tristen Alltag versüßen und das Leben ein bisschen besser machen. Ob es hübsche Gänseblümchen sind, die am Straßenrand wachsen oder eine Kugel deiner liebsten Eissorte – wir alle haben kleine Muntermacher in unserem Alltag, über die wir nur selten ein Wort verlieren. Das soll sich jetzt ändern! Wir bieten euch eine Liebeserklärung an die kleinen Dinge, die uns in stressigen Situationen retten, an schleppenden Tagen motivieren oder uns die guten Tage versüßen!

Liebe Gastronomie,

du und ich, wir sind schon ein gutes Team. Kennengelernt haben wir uns, da war ich so jung, dass Geld noch ausschließlich Spaß machte, und du die erste Möglichkeit, selbst etwas davon zu besitzen. Mein erster Job in einer Bar, mein erstes selbstverdientes Geld. Die Liebe zu dir ist geblieben, über all die Nacht-, Doppel- und Dreifachschichten hinweg. Die Städte, Freunde und Lebenspläne kamen und gingen – du bist geblieben.

 

Gastro – eine Schule fürs Leben

Arbeiten in der Gastronomie wird so oft durch den Dreck gezogen, zu schlecht ist die Bezahlung, die Arbeitszeiten, zu anstrengend der Umgang mit den Kunden. Dabei gibt es keine bessere Schule fürs Leben. Liebe Gastronomie, durch dich habe ich alles gelernt, durch dich bin ich, wer ich heute bin. Auf Menschen zugehen, Idioten um den Finger wickeln. Einen kühlen Kopf bewahren, wenn alles um einen herum zu explodieren droht. Wie gut Gin Tonic schmecken kann. Wie bitter die Erkenntnis, dass sich manche Menschen nur wegen deines Berufes über dich stellen. Mit Menschen konfrontiert zu werden, deren Blase sich ganz weit von meiner Lebensrealität befindet. Als ich meinen Schulabschluss machte und angesichts der Zukunft in ein schwarzes Loch der Orientierungslosigkeit stürzte, warst du für mich da, liebe Gastronomie. Fürsorglich nahmst du mich unter deine Fittiche und flüstertest mir ins Ohr; „Du kannst auch für immer bei mir bleiben“. Eine beruhigende Vorstellung.

 

Zuflucht für Schrägstriche

Aber für mich war klar: Es ist kein wirkliches Ziel sein Leben lang leere Biergläser an betrunkenen Menschen vorbei zu bugsieren. Aber die Gastronomie ist und war schon immer der Zufluchtsort für all die Schrägstriche unserer Gesellschaft: für die Kellner/Sänger, die Barkeeper/Filmemacher und die Servicekräfte/Designer. All diejenigen, bei denen der Traum noch nicht zum Leben reicht. Du, liebe Gastronomie, fängst sie auf und gibst ihnen einen sicheren Boden, von dem aus träumen möglich ist.

 

Mit offenen Augen durch das Leben

Wer einmal bedient hat weiß, wie es sich anfühlt, kein Trinkgeld zu bekommen, obwohl man den ganzen Abend gerannt ist. Weiß, wie verletzend abschätzige Kommentare und Blicke sind. Weiß, wie oft man jemandem, der sich über Nichtigkeiten beschwert, gerne das Tablett über den Kopf ziehen möchte. Wer einmal in der Gastronomie gearbeitet hat, vergisst es nicht mehr. Man geht anders durchs Leben, mit offenen Augen. Man knallt der Kassiererin im Supermarkt das Geld nicht einfach hin. Man schnauzt keine Bedienung an, nur weil das Essen vielleicht etwas länger dauert oder weil man einfach einen schlechten Tag hatte. Man akzeptiert still, dass man angeschnauzt wird, weil der andere einen schlechten Tag hatte. Ich glaube, es täte jedem gut, einmal herumgescheucht zu werden; für jeden Fehler, den man selbst nicht mal gemacht hat, zur Verantwortung gezogen zu werden. Manch einer würde dadurch sehr viel lernen.

 

Gastronomie und die feuchtfröhliche Freundschaft

Liebe Gastronomie, ich liebe dich wegen der Gespräche, wegen der Geschichten von Menschen, die man so nie erwartet hätte. Wegen den Feierabendgetränken, wegen den Freundschaften mit Kollegen. Wegen der Sicherheit, die für mich nur die Arbeit in der Gastronomie bieten kann. Die Sicherheit, tun und lassen zu können, was ich möchte. Du, liebe Gastronomie, bleibst immer da, falls ich dich doch brauche. Falls ich doch wieder in dein warmes Bett krabbeln möchte.

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Bildquelle: Unsplash unter CC0 Lizenz