Männer als „Jäger“: Was ist dran am Dating-Mythos?
Das Prinzip der „Jäger und Sammler“ erscheint ganz klar: Er ist der Jäger, sie die Sammlerin. So war es bereits bei den Neandertalern, oder? Vielleicht war die Steinzeit in Sachen Geschlechterrollen doch fortschrittlicher als von den meisten bisher angenommen.
Beim Dating hat jede*r unterschiedliche Erwartungen und Präferenzen. Es gibt jedoch gewisse Meinungsbilder und Narrative, die im Dating-Kontext immer wieder aufkommen. Dazu gehört der Mythos der „Jäger und Sammler“, welcher sich in so manch einem Kopf festgesetzt hat. Er mischt überwiegend im heterosexuellen Dating mit. Meist ist es hier der Mann, der seinen „Urinstinkten“ nachgehen muss und Jagd auf neue Beute – eine Frau – macht. Die Frau hingegen verkörpert die Sammlerin, weil sie scheinbar zu schwach oder ungeschickt ist, um zu jagen. Am Ende gibt sie sich vielleicht dem Mann als „geschlagene Beute“ hin. Dieses Konzept hat nicht nur wenig mit einer gesunden Einstellung in Bezug aufs Dating-Leben zu tun, sondern hat sich grundsätzlich auch als falsch erwiesen. Was steckt wirklich hinter dem Phänomen der „Jäger und Sammler“?
Anfänge der Forschung
In der Altsteinzeit lebten alle Menschen vom Jagen und Sammeln, dies konnten Archäologen und Anthropologen herausfinden. Hier ist bewusst die Rede von männlichen Vertretern, da die Forschung der Urgeschichtsschreibung besonders in den Anfangszeiten von Männern dominiert war. Obwohl diese Forschungen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zurückgehen, gab es erst nach dem Ersten Weltkrieg erste weibliche Urhistorikerinnen. Jene waren bis in die 1980er-Jahre fast ausschließlich in den Laboren statt in archäologischen Grabungsstätten tätig. Dadurch herrschten lange Zeit stark sexistische Strukturen unter den Wissenschaftler*innen, die sich sogar negativ auf Forschungsergebnisse auswirken würden.
Erkenntnisse im Wandel
Jene Missstände riefen nämlich auch die Vorstellung von „Jäger und Sammler“-Gemeinschaften hervor, in denen Männer fälschlicherweise als Jäger und Frauen als Sammlerinnen fungierten. Ein Beispiel dafür stellt die Freilegung eines menschlichen Skeletts in Björkö im Jahr 1880 dar, bei dem zudem Jagdutensilien wie Lanzen oder Pfeile vorgefunden wurden. Die Forschenden gingen demnach direkt davon aus, Überbleibsel eines männlichen Wikingers entdeckt zu haben. 2017 folgte die überraschende Wendung. DNS-Analysen aus einer erneuten Untersuchung des Funds ergaben, dass es sich bei dem Skelett um eine Kriegerin aus dem 10. Jahrhundert handelte. Ein ähnlicher Fall ereignete sich aber auch 2018: In Peru wurden die 9.000 Jahre alten Überreste einer Jägerin aufgefunden. Vorerst hatte man sie als Mann identifiziert.
Jägerinnen waren folglich noch nie eine Seltenheit. Dies lässt sich zum Beispiel anhand einer Studie, die in „Science Advances“ veröffentlich wurde, ausmachen. Diese bezieht sich auf Funde in ganz Amerika, die einer ähnlichen Altersklasse zugeordnet wurden wie der des Skeletts aus Peru. Die Studie konnte belegen, dass Frauen mit einem Anteil von 30-50% an Großwildjagden beteiligt waren. Und auch heute noch sind Frauen bei der Jagd in „Jäger und Sammler“-Stämmen von hoher Wichtigkeit. Eine weitere Studie setzte sich in den letzten 40 Jahren mit zahlreichen „Jäger und Sammler“-Gemeinschaften weltweit auseinander und beleuchtete ebenso deren Vorgehen bei der Jagd. Dabei stellte sich heraus, dass in beinahe 80% der untersuchten Gruppen Jägerinnen essenziell für die Fleischversorgung sind.
Das Phänomen des Mannes als Jäger auf der Suche nach neuen Dating-Bekanntschaften könnte daher von seinen historischen Hintergründen nicht weiter entfernt sein. Das zeigt einmal mehr, wie stark sich patriarchale und sexistische Denkweisen in unserer Gesellschaft etablieren konnten. So stark, dass sie selbst die Wissenschaft in ihrer Objektivität beeinflusst haben.
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Bildquelle: Crawford Jolly via Unsplash; CC0-Lizenz