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Ein unmoralischer Beschluss: Die Maghreb-Staaten sind nicht sicher!

Er ist verregnet, grau und macht seinem Namen bislang alle Ehre: Heute ist Freitag, der 13. Pünktlich zu diesem rabenschwarzen Tag gab es nun einen Beschluss, der wohl jeder moralischen Instanz gründlich gegen den Strich geht. Doch trotz heftiger Kritik von Diakonie und Caritas stufte der Bundestag die Maghreb-Staaten Algerien, Tunesien und Marokko heute als sichere Herkunftsstaaten ein. Eine Entscheidung, die viel zu verantwortungslos ist, als dass wir sie einfach so hinnehmen könnten.

 

Dieser Gesetzesentwurf ist verfassungswidrig

 

Denn tatsächlich ist der Entwurf, dem heute 424 Abgeordnete zustimmten, verfassungswidrig. Trotzdem stimmten nur 143 dagegen, drei Abgeordnete enthielten sich. Allerdings ist der Beschluss noch immer nicht handfest: Dafür müsste in zweiter Instanz auch der Bundesrat zustimmen. Heute lehnte allein die Opposition die Einstufung gemeinhin ab: „Das ist ein schwarzer Freitag für das Grundrecht auf Asyl in Deutschland“, meinte der Linken-Politiker Andrej Unko. Denn natürlich hofft die Bundesregierung mit der Durchsetzung dieses Entwurfs die nordafrikanische Einwanderung einzudämmen und damit das Asylverfahren zu verkürzen. „Zum Helfen gehört auch Nein sagen können.“, bestätigte Innenminister Thomas de Maizére.

Das stimmt, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Nein sagen ist nur dann ethisch vertretbar, wenn in dem Land die Hilfe zur Selbsthilfe gewährleistet ist. Doch ist das in Maghreb wirklich der Fall? Gibt es dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen? Was weiß unsere Regierung wirklich über die Zustände in Nordafrika?

 

Zwischen den Staaten muss differenziert werden

 

Wir glauben, mit ziemlich fester Überzeugung sagen zu können: Herzlich wenig. Denn es gibt viele zu viele undichte Stellen, die unser Misstrauen weckten. Zunächst einmal wird in dem Entwurf nicht zwischen den Ländern Algerien, Marokko und Tunesien unterschieden. Nein, diese werden einfach zu dem Begriff „Maghreb-Staaten“ zusammengefasst – als wären die Zustände tatsächlich überall gleich. Aber so einfach ist das nicht. In Algerien kann von fairen Bedingungen beispielsweise keine Rede sein: Menschrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Human Rights haben hier seit Jahren keinerlei Zugang.

Über die Zustände in Marokko ist immerhin ein wenig mehr bekannt, allerdings leiden Menschenrechtsaktivisten unter den enormen restriktiven Bedingungen. Wenn sie sich auch nur einen Fehltritt (äußern beispielsweise Kritik an der marokkanischen Regierung, die Homosexuelle bestraft) leisten, haben sie mit übelster Vergeltung zu rechnen. Nur in Tunesien wissen wir über die Arbeit lokaler Menschenrechtsorganisationen weitgehend Bescheid – der Staat hat sich in den letzten Jahren am ehesten in eine demokratische Richtung entwickelt. Doch die Situation in Tunesien lässt sich in keinster Weise mit der ihrer Nachbarstaaten vergleichen. Wie auch? Es ist gar nicht möglich, über die Menschenrechtslage in Algerien informiert zu sein. Wie kann es da moralisch vertretbar sein, dieses Land als sicheres Herkunftsland einzustufen?

 

Der Beschluss birgt auch außenpolitische Risiken

 

Tatsächlich ist es nicht nur unmoralisch, es ist sogar gesetzeswidrig. Denn die Verfassung erlaubt eine solche Einstufung nur dann, wenn Rechtslage und -Anwendung auch wirklich einem sicheren Herkunftsland entsprechen und dieses auch kritisch neutral beurteilt wurde.

Neben all diesen Absurditäten birgt der Beschluss aber auch außenpolitische Risiken. Deutschland wird mit Sicherheit an Glaubwürdigkeit verlieren – brüsten sich die EU und insbesondere die deutsche Regierung doch immer mit ihrem allumfassenden Einsatz für Menschenrechte und Demokratie. Dabei wäre es mit einer alleinigen Einstufung Tunesiens als sicheres Herkunftsland so einfach gewesen, vertrauenswürdig zu bleiben. Ein solcher Gesetzesentwurf hätte geradezu strahlende Symbolkraft gehabt – beinhaltete er doch auf der einen Seite eine Honorierung der voran geschrittenen Demokratisierung, und auf der anderen Seite den aufrechterhaltenen Menschenrechtsschutz in den angrenzenden Ländern.

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Bildquelle: acquimat4 unter CC by-SA 2.0