Mobile Flüchtlingshilfe: So einfach bekommst du den Arsch hoch

Von Julia Rösch

Es ist der 22. November 2015: Die letzte Lagebesprechung steht an, bevor es los geht zur ersten Fahrt. Elf junge Menschen und vier Fahrzeuge werden sich in den kommenden Stunden zum Flüchtlingscamp in Dobova in Slowenien aufmachen. Im Gepäck: unzählige Kisten mit Sachspenden und 8.000 Euro Geldspenden für Nahrungsmittel. Das Ziel: helfen, helfen, helfen.

 

Immer da, wo gerade Hilfe benötigt wird

 

Als im vergangenen Jahr klar wird, dass der Flüchtlingsstrom aus Syrien, Afghanistan und anderen Ländern so schnell nicht abreißen wird, starten Vera, Julie und Christian ihr eigenes Ding. „Wir wollten einfach selbst etwas unternehmen, nicht nur die schrecklichen Bilder der Flüchtlingscamps im Fernsehen verfolgen“, erzählt Vera im Gespräch mit ZEITjUNG. Zusammen – sowie mit der Unterstützung unzähliger freiwilliger Helfer – organisieren die drei heute als Mobile Flüchtlingshilfe Fahrten zu den Flüchtlingscamps an den Grenzen der EU. Insgesamt 13 Fahrten gingen inzwischen nach Slowenien, Kroatien, Serbien, Frankreich und Griechenland; weitere Hilfskonvois sind in Planung.

 

In den Camps packen die Teams der Mobilen Flüchtlingshilfe überall da an, wo gerade Hilfe benötigt wird. „Wir kochen Essen für mehrere Hundert Menschen, helfen in Kleiderkammern beim Verteilen von trockenen Klamotten, holen Leute aus den ankommenden Booten, unterstützen große Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen bei ihrer Arbeit und vieles mehr“, erzählt Vera. Falls Kapazitäten vorhanden sind, organisiert das Team auch selbst kleine Aktionen, verteilt zum Beispiel Care-Pakete an die Geflüchteten oder sorgt mit Seifenblasen für leuchtende Kinderaugen. Auch als Mitte März mehrere Hundert Flüchtlinge bei Idomeni versuchen, den Grenzfluss zwischen Griechenland und Mazedonien zu überqueren, ist die Mobile Flüchtlingshilfe vor Ort: „Als sich die Menschen von dieser Idee nicht abbringen ließen, haben wir ihnen geholfen, durch das rauschende Wasser zu kommen – um Schlimmeres zu verhindern!“

 

Die Behörden sehen weg

 

Die Lage in den Camps sei sehr unterschiedlich, erzählt Vera – von halbwegs strukturiert bis zu absolut katastrophal. Dennoch, Eines ist immer gleich: „Wenn nicht überall in den Flüchtlingscamps so viele Freiwillige anpacken würden, würde wohl gar nichts funktionieren.“ Die großen Camps werden zwar von dem Flüchtlingswerk UNHCR betreut, dennoch sind es die Volunteers, die Tag für Tag versuchen, den Geflüchteten ein einigermaßen erträgliches Leben zu ermöglichen. Und gerade da, wo Manpower benötigt wird, ist oft von offizieller Seite – von Behörden, Regierung oder den großen Hilfsorganisationen – niemand vor Ort. „Es ist erschreckend und wirklich erschütternd, was man sieht, mitbekommt und auch selbst erlebt“. Tränen, Verzweiflung, Trauer: Emotionen, die Mitglieder der Mobilen Flüchtlingshilfe bei ihren Einsätzen tagtäglich miterlebt haben.

 

Neben all dem Elend und der Not gibt es aber trotzdem immer wieder Momente des Glücks; Momente der Hoffnung, Momente der Menschlichkeit. Bei ihrem Einsatz in Chios, Griechenland, ist Vera ein ganz besonderer Moment in Erinnerung geblieben. „Ein syrischer Mann war gerade selbst mit dem Boot angekommen. Er benötigte trockene Schuhe und die Strapazen der letzten Tage standen ihm ins Gesicht geschrieben. Dennoch hat er uns die ganze Nacht geholfen, zu dolmetschen und die Neuankömmlinge mit trockener Kleidung zu versorgen.“ Am nächsten Morgen wäre er wieder da gewesen – und half weiter, wo immer er konnte. Vera beeindruckten seine Worte: „Er sagte zur mir, dass dies die beste Nacht seines Lebens gewesen sei. Er habe sich endlich wieder wie ein Mensch gefühlt, nicht mehr wie eine Sache. Für mich sind das mehr als beeindruckende Worte aus dem Mund eines Menschen, der wohl die schlimmsten Tage seines bisherigen Lebens hinter sich hat.“ Grundsätzlich hat Vera die Erfahrung gemacht: Viele Flüchtlinge wollen helfen und anpacken. Egal ob beim Übersetzen oder bei der Essensausgabe.

 

Mobile Hilfe – Mobile Koordination

 

Die Koordination der Mobilen Flüchtlingshilfe läuft über deren Facebook-Seite. Durch verschiedenste Aktionen und Aufrufe hat sich inzwischen ein Team von etwa 50 Helfern formiert. Einige davon waren bereits mehrmals mit unterwegs. Bisher lief die gesamte Spendenorganisation über ein privates Konto. Doch das soll sich nun ändern: Ein Verein ist in Planung. „Wir möchten die Mobile Flüchtlingshilfe offizieller machen und können so hoffentlich noch mehr Spenden sammeln!“, sagt das Team, denn: „Wir haben noch viel vor!“

 

So sollen die nächsten Fahrten schon bald losgehen: wieder einmal auf die griechische Insel Chios, sowie nach Filippiada, in ein militärgeführtes Camp, in dem das Team ein Begegnungszentrum mit integrierter Teeküche aufbauen will. Die Mobile Flüchtlingshilfe freut sich dafür über jede Spende sowie natürlich über neue Mitfahrer, die künftig die Touren in die Flüchtlingscamps begleiten möchten. Einfach via Facebook Kontakt mit Vera, Julie oder Christian aufnehmen!

 

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Bildquelle: Danielle MacInnes unter cc0 1.0