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Warum ein Nichtraucher gegen das Rauchverbot in Kneipen ist

Ein leichtes Glimmen im Dimmerlicht einer Kneipe. Mitten in die ein wenig stickige Luft hinein, taucht es auf wie ein Raubtierauge im Dschungel-Dickicht. So schnell, wie es aufgetaucht ist, verschwindet es wieder im Halbdunkel. Ich weiß noch, wie ich als Kind faszinierend auf die Enden von Zigaretten starrte. Mitten zwischen dem Spielen unter den Tischen der Erwachsenen und dem Essen viel zu großer Portionen Nachtisch beobachtete ich wie ein Forscher die Raucher, die mit meinen Eltern am Tisch saßen und über Erwachsenendinge redeten. Ich war der Watson unter den Kindern. Sah ganz genau zu, um zu verstehen, was vor sich ging – und fand dieses wundermagische Glimmen immer wieder aufs Neue aufregend.

Später zog ich selbst ab und zu an Zigaretten, überspielte den Geschmack, der meinen Mund austrocknete und so schmeckte wie Biscuits aus übereinander gelegten Ascheschichten. Noch ein wenig später ließ ich es dann sein, weil Rauchen meinen Mund austrocknete und ebenfalls schmeckte wie Ascheschichten. Und dennoch: Das leicht Faszinierende aus tiefster Kindheit, in der man die Welt Stück für Stück für sich entdeckte, blieb. Natürlich auf andere Weise. Denn Rauchen kann tödlich sein. Danke, liebe Werbeindustrie, wir haben es alle verstanden. Ich bin Nichtraucher und wäre trotzdem für das Aufheben des Rauchverbots.

Denn die rauchige Luft, die weder gut roch, noch gut schmeckte, gehörte immer dazu. Sie war der riechbare Soundtrack unserer Abende. In der Jugend in einer eigentlich schrecklichen Kneipe, die wir dennoch jeden Freitag besuchten. Alle rauchten drinnen. Und so vollzogen sich die Hoffnungen, das Annähern, die Erlebnisse einer Jugend stets zwischen Rauchschwaden, die wie treue Begleiter in der Luft hingen und zu sagen schienen: Alles ist möglich.

 

Es zählt der Moment

 

In meiner Kindheit waren es oft rauchende Männer, die das Erwachsenenleben der unbegrenzten Möglichkeiten verkörperten. In Filmen. In Restaurants, vor Kneipen, an denen ich mit meinen Eltern vorbeiging. Sie verkörperten diese „scheiß-egal“ Attitüde, die irgendwann jeder Heranwachsende mal verkörpern will. Der Reiz des Verbotenen, der in der Ecke des Pausenhofs von denen symbolisiert wurde, die den Lehrern Widerworte gaben und nach der Schule in den Skatepark weiterzogen.

Heute finde ich Raucher leichtsinnig, finde den Zigarettenrauch nicht angenehm. Und cool schon gar nicht. Und dennoch ist das Gefühl der Geselligkeit geblieben. Viele meiner Freunde rauchen. Wenn sie im Winter die Bar mitten im Gespräch verlassen, um bei Minusgraden frierend zu rauchen, dann erinnere ich mich an frühere Tage. Als die Augen brannten, aber man reden konnte ohne Unterbrechung. Als das vielfache Glimmen am eigenen Tisch war, weshalb man sich für einen Wimpernschlag an die eigene Kindheit zurückerinnerte. Der Rauch, der Tod, wie die Werbeindustrie ihn nennt, konnte einen für einige Stunden mal kreuzweise, weil nur der Moment zählte.

Eine Kneipe in München. Direkt neben den Fingern meiner Freunde glühen im Halbdunkel die Augen von Raubtieren. Der Rauch wabert über unseren Tisch, an dem wir mit geröteten Wangen diskutieren. Wir kennen den Besitzer der Kneipe, das Rauchen ist erlaubt. Und anstatt genervt den Rauch wegzufächern und böse Blicke auszusenden, sitze ich da und atme die verqualmte Luft ein. Ich tue das gerne. Weil wir Gestalten der Nacht sind. Genussmenschen. Die in diesem Moment keine Kalorien zählen, keine Light-Biere bestellen, keine Selbstoptimierung betreiben. Sondern einfach dort sind. Als fehlbare Menschen mit Lastern, Pfunden zu viel. Gestern wie heute starre ich ab und zu direkt hinein. Nur dass ich heute am Tisch und nicht darunter oder daneben sitze – und es gibt keine Verbote oder Grenzen. Wenn auch nur für eine Sekunde.