„Nimona“: Von Disney fallen gelassen, von Netflix gerettet
Für gewöhnlich landen auf YouTube nur kurze Trailer für Filme und Serien, hier und da vielleicht mal eine ganze Episode einer längeren Serie. Doch das, was Netflix da vor kurzem hochgeladen hat, ist nicht nur ein ganzer Film – es ist ein Oscar-Kandidat! Doch wie kam es überhaupt dazu?
Der Film basiert auf dem mit dem Eisner Award (eine der wichtigsten US-amerikanischen Auszeichnungen für Comics) ausgezeichneten Graphic Novel von ND Stevenson. Stevenson wurde im US-Bundesstaat South Carolina geboren und ist nicht-binär.
Worum geht’s in den Film?
„Nimona“ spielt in einer Welt, die Mittelalter-Fantasy und Futurismus vereint: So „reiten“ hier etwa Ritter mit Schwertern auf fliegenden Motorrädern in den Kampf. Ballister (Riz Ahmed) wollte bereits von klein auf Ritter sein und das Königreich vor Monstern beschützen, doch als Nichtadliger bliebe ihm die Erfüllung dieses Traums eigentlich verwehrt – wäre da nicht Königin Valerin, die sich höchstpersönlich für seine Erhebung in den Ritterstand eingesetzt hat.
Doch mit dem Ritterschlag fangen Ballisters Probleme erst an: Nachdem er eines Verbrechens schuldig gesprochen wurde, welches er nicht begangen hat, wird er zum Untertauchen gezwungen. Um dem Königreich und seinem Geliebten, einem Ritter namens Ambrosius Goldenloin, seine Unschuld zu beweisen, verbündet er sich mit der Gestaltwandlerin Nimona. Die ist aber vor allem auf zwei Dinge aus – Chaos anrichten und Leute verprügeln!
Das klingt erst einmal nach weniger, als es eigentlich ist: Der Film ist richtig gut! Die Dynamik zwischen Ballister, der als klassischer „goody two-shoes“-Charakter anfängt, und Nimona, die das personifizierte Chaos ist, wurde wundervoll umgesetzt und Nimona selbst erweist sich immer mehr als eine wahnsinnig vielschichtige Figur.
Eine (fast) verlorene Perle
Umso verrückter ist es, dass Disney dem Film zuvor eine Abfuhr erteilt hatte: Eigentlich hätte er bei Blue Sky Studios entstehen sollen – dem Studio, das vor allem für seine Arbeit an den „Ice Age“-Filmen bekannt sein dürfte. Laut dem US-amerikanischen Nachrichtenportal Deadline, welches auf News aus Hollywood spezialisiert ist, wurde bereits zehn Jahre lang an der Verfilmung gearbeitet, bevor Disney – welches im Jahr 2019 die Filmproduktionsgesellschaft 20th Century Fox und damit Blue Sky Studios aufgekauft hatte – den Film abgesägt und die Blue Sky Studios geschlossen hat.
Bei einem Screening des Films in Los Angeles soll Co-Regisseur Nick Bruno, der selbst schon sehr lange bei Blue Sky Studios gearbeitet hatte, gesagt haben, dass Disney „nicht von den LGBTQ+-Themen begeistert war“. Dies sei so weit gegangen, dass der Film sogar eine Rolle bei der Schließung des Studios gespielt haben soll. Mit Ballister und Ambrosius haben wir ein homosexuelles Paar (womit der Film ganz offen umgeht) und in der Gestaltwandlerin Nimona eine nicht-binäre Protagonistin. Bei einem Zoom-Meeting der beiden Co-Regisseure Nick Bruno und Troy Quane (damals noch bei Blue Sky) mit Disney CCO Alan Horn soll dieser laut Bruno zuallererst gesagt haben:
„Can we talk about the gay stuff?“
Diese Form von Repräsentation sei etwas, worauf man in Zukunft hinarbeiten wolle. Zum jetzigen Zeitpunkt wolle man das aber noch nicht machen. Kurz darauf, am 9. Februar 2021, wurden die Blue Sky Studios geschlossen – als Grund nannte man die aufgrund der Corona-Pandemie schwere wirtschaftliche Lage.
Doch noch ein Happy End für den Film
Schlussendlich konnten Netflix und Annapurna Pictures den Film noch retten: Megan Ellison, die Gründerin von Annapurna Pictures, kaufte das Projekt von Disney und beauftragte das britische VFX-Studio DNEG mit der Animation des Films. Netflix finanzierte das Projekt mit, welches sich inzwischen als Kandidat in der Kategorie „Bester Animationsfilm“ bei den Oscars herausgestellt hat, und lud den Film am 19. Februar sogar in voller Länge auf YouTube hoch.
Ob man damit vor allem die Chancen des Films auf eine Auszeichnung steigern will oder diese Aktion auch als ein dezenter Mittelfinger an den Mäusekonzern zu verstehen ist, kann jeder für sich selbst entscheiden.
Verwendete Quellen:
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Bildquelle: © 2023 Netflix, Inc.