Pauline 22 studiert Bier

Pauline, 22, studiert Bier

Ihren pinken Ordner unterm Arm geklemmt, wartet Pauline vor dem Fakultätsgebäude. Pauline ist ein zierliches, modebewusstes Mädchen, mit roten Haaren und freundlichem, interessiertem Blick. Wer von ihrem Aussehen auf ihren Studiengang schließen will, liegt aber ziemlich sicher falsch. „Grundschullehramt, Architektur, Jura, auch Medizin… Das habe ich alles schon gehört“, erzählt sie lachend. Medizin, das war eigentlich auch mal ihr Plan. Heute studiert sie Bier. Oder, wie es korrekt heißt: Brau- und Getränketechnologie.

 

Bierbrauen unter stämmigen Bayern in Lederhosen?

 

„Ich war eigentlich nie ein besonderer Bierliebhaber. Ich bin Hessin, da trinkt man Apfelwein! Früher dachte ich immer: ein Brauer, das ist ein stämmiger Bayer in Lederhosen.“ Pauline lächelt verschmitzt, als wir gemeinsam durch die Gärten ihrer Uni spazieren, der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf – eine der drei Universitäten in Deutschland, an denen man überhaupt lernen kann, Bier zu brauen. Und das unter stämmigen Bayern in Tracht? Dieses Vorurteil mag zwar witzig klingen, aber nicht unbedingt nach dem Lebenstraum einer jungen Abiturientin.

Pauline habe selbst auch nie gewusst, dass man das überhaupt studieren kann – genauso, wie jeden anderen Studiengang eben auch. Bis sie in der Schulzeit anfing, in einer kleinen Brauerei zu arbeiten. „Ich habe mich super mit dem Brauer verstanden, er hat mich dann auch öfter mal mitbrauen lassen. Und mir von dem Studium erzählt.“ Von da aus kam alles aus einem Bauchgefühl heraus: „Ich pfiff auf Medizin und bewarb mich bei Brauereien und hier an der Hochschule.“

Harte Kost: Von Bierschädlingen, Schaumhaltbarkeit und chemischen Reaktionen

 

Die 22-Jährige studiert dual und arbeitet parallel bei Spaten-Franziskaner-Löwenbräu in München. Alles schön und gut. Aber was heißt es denn jetzt eigentlich, Brau- und Getränketechnologie zu studieren? „Klar, wie die meisten anderen Studenten trinken wir alle gerne Bier. Aber wir brauen nicht, um uns zu betrinken“, beantwortet Pauline das typischste Vorurteil. Es gäbe sogar Brauer, die trinken nur Alkoholfreies.

Wir sitzen mittlerweile auf einer Parkbank, sie klappt ihren pinken Ordner mit Lernunterlagen auf. „Mathe, Physik, Chemie – das alles ist Teil unseres Studiums. Aber schon mit Bezug zum Bier: In Physik berechnen wir die Schaumhaltbarkeit von Bier, in Mikrobiologie lernen wir Bierschädlinge kennen, in Chemie testen wir die Reaktionen von Stoffen, die in Getränken vorkommen.“ Ein reines Vergnügen ist das Studium also nicht. Anders, als man denken könnte.

 

Brauen kann man auch mal außerhalb des Reinheitsgebots

 

Trotzdem: Das leckere Kaltgetränk ist und bleibt Mittelpunkt von Paulines Karriere. Dementsprechend gerne braut sie privat Bier und probiert sich an verschiedenen Sorten und Hopfen aus, „auch mal außerhalb des Reinheitsgebots.“ Total verrückt ist es dabei allerdings noch nicht geworden: „Ich glaube, das Ausgefallenste bisher war eine Himbeerweiße, das ich mit zwei anderen Auszubildenden in der Brauerei hergestellt hab. Wir haben Weißbier gebraut und dem Prozess einfach frische Himbeeren hinzugefügt – es ist sogar rosa geworden“, erinnert sich Pauline. Für das Wochenende nach unserem Treffen hat sie sich von ihrer Uni ein Heimbrau-Kit geliehen, sie wird mit ihrem Freund Bockbier herstellen. „Übrigens mein Lieblingsbier“, fügt sie an. „Aber nichts von wegen: Flasche her, ansetzen und weg damit. Das trink ich schön im Glas und gerne auch mal über eine Stunde hinweg.“

Auch wenn Pauline mittlerweile gemerkt hat, dass nicht alle Bierbrauer Süddeutsche sind, ein Vorurteil trifft doch zu: Die Brauereibranche ist sehr männerlastig. „Wir sind aktuell 75 Leute in meinem Jahrgang, davon vielleicht 8 Frauen. Trotzdem muss ich sagen: Wenn diskriminiert wird, dann eher von Außenstehenden. Unter Brauern wird man, meiner Erfahrung nach, immer respektiert und angenommen. Auch wenn ich nicht gerade aussehe wie die typische Brauerin.“

 

Eigene Brauerei? Eher eine Schnapsidee

 

Und was macht man dann später, als bachelorgeprüfte Brau- und Getränketechnologin? „Puh, so ganz genau weiß ich das jetzt noch nicht. Eine eigene Brauerei will ich zumindest nie“, weiß die Studentin. Der Markt sei übersättigt und das Überleben dadurch denkbar schwer. Das hat sie selbst erlebt: „Die Brauerei, in der ich angefangen habe, hat mittlerweile zu. Das war eine Schnapsidee, ein Drei-Mann-Projekt, das in einer Garage angefangen hat.“ Pauline selbst möchte nicht all diese Kraft und das Geld investieren, um ein solches Risiko einzugehen. „Dann lieber in einen bestehenden Betrieb einsteigen und da Veränderung bringen. Irgendwann auch mal in einer Führungsposition.“

Letztendlich ist die Hessin mit ihrem Studium aber rundum zufrieden. Also ist sie von der Apfelweintrinkerin doch noch zur Bierliebhaberin geworden? „Bierliebhaberin, definitiv. Aber auch heute: Wenn du mir ein Bockbier und einen Apfelwein hinstellst, ich werde immer nach dem Wein greifen.“

 

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Bildquelle: Laura Dahmer