Das erste Mal im Wellnessurlaub

Dieser Text ist eine Zusammenarbeit mit dem Jerzner Hof.

Ein Text von Ben Krischke.

Um ganz sicher zu gehen, fragte ich meine Freundin zuvor noch, ob man das Besteck auch wirklich von außen nach innen benutzt. Bald darauf stand ich in einer langen Polonaiseschlange, die sich vom Barbereich mit den dunklen Loungemöbeln im Gleichschritt vorbei an einem rechteckigen Weinregal und einmal durch die Küche führte.
Ich hatte ein verbrieftes Vier-Sterne-Menü im Bauch und zwei, drei Gläser eines österreichischen Bieres im Kopf. Die Zwei-Mann-Band mit elektronischer Gitarre und Keyboard spielte überraschend gut auf (ältere Semester würden wohl „fetzig“ sagen), wir beendeten unsere Tanzeinlage, lösten uns aus der Schlange heraus, und als ich das nächste österreichische Lagerbier bestellte, musste ich meine Meinung zu Wellnesshotels überdenken. Aber der Reihe nach.

 

Mein erstes Mal

Für mich waren Wellnesshotels bisher etwas für Mädchen, selbstredend samt Ausnahmen. So wie Couscous oder Beikram-Yoga etwas für Mädchen und Ausnahmen waren. Das meine ich gar nicht wertend, sondern, sagen wir, kategorisierend. Anders formuliert: Wellnesshotels, Couscous, Beikram-Yoga und ich führen seit Jahren eine friedliche Koexistenz, haben ansonsten aber nichts miteinander zu schaffen, was mein Leben bisher keineswegs weniger lebenswert machte.
Ein bisschen aufgeregt war ich dennoch, als wir Mitte Januar im Opel Corsa über die A95 in Richtung Berge fuhren. Zum einen, weil ich nicht wusste, was mich im Jerzner Hof erwarten und ob ich – und entsprechend auch wir als Paar – denn wirklich Spaß haben würden. Zum anderen, weil wir genau in jener Woche nach Tirol fuhren, in der ganze Bundeswehrkonvois zum Schneeschippen und Dächerräumen gen Alpen entsandt wurden. Die Erleichterung war groß, als wir bei Anbruch der Nacht ohne größere, wetterbedingte Zwischenfälle am Jerzner Hof ankamen.

Eine Suite wie eine Zweizimmerwohnung

Das Hotel liegt in Jerzens im Pitztal, gut 50 Kilometer hinter Innsbruck, auf 1150 Meter Höhe (was für Tiroler Verhältnis eher „unten am Berg“ ist). Im Sommer kommt man zum Wandern, im Winter zum Skifahren auf den Pisten des Hochzeigers. Ein Wochenende, also zwei Nächte, haben wir gebucht.
Als wir erleichtert ankommen, begrüßt uns die Dame am Empfang im Dirndl und mit Handschlag. Unser Gepäck wird auf das Zimmer gebracht und wir bekommen eine kleine Führung, damit wir wissen, wo gegessen, wo getrunken und wo sauniert wird. Der Jerzner Hof ist im Innern rustikal und modern zugleich. Mit Holz verkleidete Wände, die dem Ambiente ein Gefühl von Berghütte verleihen, harmonieren dunkelblaue Loungesessel und verspielte Lampen und Kronleuchter.
Unsere Suite, die wir wenig später beziehen, ist eigentlich eine Zweizimmerwohnung samt Balkon, extra großem Bett im Schlafzimmer, zwei Waschbecken und Wanne im Bad sowie einem elektrischen Kamin. Vor diesem sitzen wir später in der gleichen Nacht, reden über das Leben, den Winter, das gute Essen und unsere erste Polonaise durch eine Küche, in der auf Vier-Sterne-Niveau gekocht wird.

 

Spuren im Schnee

Am nächsten Morgen – nach einem Frühstücksbuffet mit heimischen Produkten und frisch zubereiteten Eiergerichten, das keine Wünsche offen lässt – machen wir uns auf zu einer mehrstündigen Wanderung durch das winterliche Pitztal. Wir treffen kaum Menschen, fühlen uns zeitweise fernab der Zivilisation, an die uns dann nur Spuren von Schneeschuhen auf dem Waldweg erinnern. Als wir zurückkehren zum Hotel bricht plötzlich die Sonne über die Berggipfel und wir sind mittendrin im schönsten Winterwetter, das das Pitztal wohl zu bieten hat.
Wie in Puderzucker getaucht erstrahlen die Berggipfel vor uns. Wir tauschen Wanderkleidung gegen weiße Bademäntel und machen uns auf in den Wellnessbereich, zur finnischen Sauna mit Aquarium, zur Zirben-Infrarotkabine und dem Sole-Inhalationsdampfbad. Am Besten gefällt uns die Partnersauna. In der Kabine liegt man auf geformtem Holz und blickt zur Decke, in der ein Bildschirm eingelassen ist. Zu Naturbildern lauschen wir Entspannungsmusik aus verborgenen Boxen. Ein wunderbar entspannender Moment mit angenehmer Saunawärme.
Der Ausklang unseres Wellnessnachmittags ist dann gleichsam mein Wellness-Höhepunkt: Mit Blick auf die mit Schnee gezuckerten Berge liegen wir im Außenwhirlpool und gleiten durch einen rotfadigen Sonnenuntergang in den Abend. Im Whirlpool war es wohl 30 Grad wärmer als draußen und am liebsten wären wir einfach darin sitzen geblieben. Doch die Vier-Sterne-Küche wartete.

Zweierlei vom Duroc-Schwein

Auch im Speisesaal trifft das Rustikale das Moderne. Grau verkleidete Wände und Stühle, dazwischen dunkles Holz. Das Personal in Tracht ist schnell und zuvorkommend und serviert vor allem das Beste aus der Region, gerne variiert bis neu interpretiert von Küchenchef Bruno Wohlfarter. Am ausgiebigen Salat- und Vorspeisebuffet decken wir uns nach unserer ausgiebigen Wanderung gleichsam reichlich mit Blattsalaten und Wurstsalaten ein.
Das Abendmenü beschert uns eine Jerzner Marend – eine Brotzeit aus regionalen Spezialitäten, neu in Szene gesetzt – und Rinder Bavette als Vorspeise, gefolgt von Kraftbrühe mit Milzschnitten als Suppengang. Als Hauptspeise entschieden wir uns für Zweierlei vom Duroc-Schwein und Geschmortes vom Milchkalb. All das krönten wir mit einer Süßspeise aus Honig, Joghurt und Limette.
Das Abendessen war, wie schon am Vortag, der perfekte Ausklang eines schönen Tages. Doch noch mehr als das Essen und die Aussicht beschreibt folgende Szene, was einen im Jerzner Hof erwartet: Während des Menüs brannte das kleine Teelicht herunter, das zur Tischdeko (die übrigens jeden Tag eine Neue war) gehörte. Und obgleich der Saal gut besucht war und die Kellner eifrig zwischen den Tischen servierten, ging der Hotelchef gewohnt fröhlich und nie um einen Plausch verlegen im Saal auf und ab, sah, dass unser Licht nicht mehr brannte und ersetzte es im Vorbeigehen durch ein Neues. Eine Liebe zum Detail, die sich nicht nur im Speisesaal zeigt, sondern im ganzen Hotel in ganz unterschiedlicher Ausprägung, auf den Zimmern ebenso wie in den Gängen.

Kein klassisches Wellnesshotel

Tatsächlich wären wir gerne noch ein, zwei Tage länger geblieben. Trotzdem war ich entspannt, eigentlich nach wenigen Stunden schon. Spätestens aber, als uns die Polonaise-Schlange bereits am Freitagabend durch die Küche geführt hatte. Bei der Rückfahrt meinte meine Freundin, dass der Jerzner Hof eigentlich kein klassisches Wellnesshotel sei – viel lockerer, jünger, kreativer – was mir wohl zu Gute komme. Ob das so ist, kann ich nicht beurteilen. Aber wenn auch das Wellnessurlaub ist, spricht vieles dafür, dass dies mein erster, aber nicht mein letzter Ausflug ins Pitztal gewesen war.

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Bildquellen: Titelbild © Jerzner Hof, Beitragsbilder © Jerzner Hof und © Ben Krische