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Rassismus: Die US-amerikanische Popkultur politisiert sich

Der Superbowl und die Oscarverleihung: Zwei popkulturelle Großereignisse, zuletzt im medialen Fokus. Und zwar nicht nur auf Grund ausgezeichneter Filme und sportlichen Wettkampfes, sondern auch weil sie zum Schauplatz des Kampfes für die Rechte der afroamerikanischen Minderheit in den USA wurden.

Die Halbzeitpause des 50. Superbowls nutzte die globale Popikone Beyonce für ein politisches Statement: 40 Tänzerinnen in Uniformen der „Black Panther“, einer schwarzen Bürgerrechtsbewegung aus den 1960er-Jahren, bildeten in der Tanzchoreographie ein großes X – eine Hommage an den schwarzen Aktivisten Malcom X, der 1965 ermordet wurde.

Am vergangenen Sonntag dann die diesjährige Oscarverleihung, bei der sich unter den nominierten Schauspielern, Regisseuren und Drehbuchautoren kein einziger Afroamerikaner fand. Showikonen wie Will Smith oder Spike Lee riefen dazu auf, die Veranstaltung zu boykottieren. Es entstand der Hashtag #OscarSoWhite. Und der dunkelhäutige Moderator Chris Rock äußerte sich beim Betreten der Bühne zynisch: „Wir waren in den letzten Monaten zu beschäftigt damit, vergewaltigt und gelynched zu werden, um bei der Auswahl der besten Filmkunst berücksichtigt zu werden.“ Die Oscars glänzten zwar gold, waren aber in Wirklichkeit farbenblind.

 

Kein Zufall, dass sich was bewegt

 

Nur zwei aktuelle Beispiele, die zeigen: Die US-amerikanische Popkultur politisiert sich. Und das kommt nicht von ungefähr. Viel mehr ist diese Politisierung als Konsequenz des bereits monatelang andauernden Kampfes für Rechte von Afroamerikanern zu sehen.

Dass nämlich Alltagsrassismus, zum Beispiel in Form von überproportional häufigen Verkehrskontrollen, Diskriminierungspraktiken wie willkürlich angewandte Polizeigewalt oder schlechter Zugang zu Bildungschancen die Lebensrealität vieler schwarzer Gemeinden darstellen, war lange bekannt. 2014 wurde aber zum Wendejahr. Prominente Fälle ausufernder Polizeigewalt wie bei Michael Brown, Eric Garner oder Freddie Grey befeuerten die öffentliche Debatte. Über Proteste und Ausschreitungen in Baltimore und Ferguson wurde weltweit berichtet. Die Bürgerrechtsbewegung „Black Lives Matter“, bereits 2013 gegründet, professionalisierte sich und verschaffte dem Kampf für die Rechte der Minderheit neue Relevanz.

An ihrer Spitze stehen Johnetta Elzie, eine 26-jährige Aktivistin von Amnesty International, und Deray McKesson, ein 30-jähriger Lehrer aus Baltimore. Das Fortune-Magazine wählte sie auf Platz 11 der „World’s Greatest Leaders“. In ihrem „This is the movement“-Newsletter berichteten sie zunächst von den Protesten in Ferguson vor Ort, heute informieren sie Tausende von Empfängern über Studien, Vorfälle und Proteste auf nationaler Ebene. Erst vergangenen Monat veröffentlichten Elzie und McKesson den Zehnpunkteplan „Campaign Zero“, in dem sie erklären, wie man der Polizeigewalt in Amerika ein Ende setzen könnte. Es folgten Treffen mit Barack Obamas Beraterin Valerie Jarrett und dem demokratischen Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders

 

Der Kampf für Rechte von Afroamerikanern wird zum Politikum

 

Was also Popstars in Hochglanz-Auftritten anprangern, wird mittlerweile von Bürgerrechtsbewegungen mit professionalisierten Strukturen artikuliert. Das ist auch deswegen wichtig, weil 2016 wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Barack Obama, der erste afroamerikanische US-Präsident, steht vor dem Ende seiner zweiten und somit letzten Amtszeit. Die schwarze Minderheit ist traditionell den Demokraten zugeneigt. Und auf Seiten der Republikaner führt Multimilliardär Donald Trump eine offenkundig fremdenfeindliche und rassistische Kampagne.

Die Folge: Der Kampf für die Rechte der Afroamerikaner wird zum Politikum, mit dem um Wählergunst gebuhlt wird. Die oft prekären Lebensumstände, ihre Ungleichbehandlung, die Diskriminierung, der sie ausgesetzt sind, und fehlende Aufstiegschancen, kurz gesagt: die Probleme der schwarzen Bevölkerung, stoßen öfter denn je auf politisches Gehör. Sie sind im öffentlichen Bewusstsein angekommen. Gleichzeitig stellen Afroamerikaner mehr als ein Sechstel der amerikanischen Bevölkerung. Ihre Stimmen können den Wahlkampf entscheiden.

Sieht man die Demokratenpartei, hat besonders Bernie Sanders einen schweren Stand bei der afroamerikanischen Bevölkerung. Sie stimmt eher für Hillary Clinton, die verspricht, die Agenda Barack Obamas fortzuführen.

 

„Feel the Bern“? Bisher tun das nur weiße Wähler

 

Dass dem Senator aus Vermont alles andere als egal sein dürfte, wie die schwarze Minderheit ihn bewertet, wird an drei Beispiel deutlich: Schon im August 2015 veröffentlichte Sanders einen „Racial Justice“-Plan, der dokumentiert, wie Gewalt und Diskriminierung gegenüber Schwarzen bekämpft werden soll. Einen Monat später heuerte Sanders Symone Sanders an, eine afroamerikanische Pressesekretärin. Und erst vor kurzem tauchte ein Kampagnenvideo von Erica Garner, der Tochter des durch Polizeigewalt getöteten Eric Garner, auf: Ein vor Pathos triefendes Werbetrommel-Drama, das schwarze Wähler vom „demokratischen Sozialisten“ überzeugen soll.

Wie wichtig schwarze Wähler sind, merkt Sanders jetzt. Am gestrigen „Super Tuesday“ verlor er in sieben von elf Staaten gegen Hillary Clinton. In südlichen Bundesländern mit größerem Anteil an schwarzen Wählern wie Alabama, Georgia oder South Carolina war er ihr haushoch unterlegen, holte teilweise nicht mal 20% der Stimmen der schwarzen Bevölkerung.

 

„White Supremacy isn’t just a white dude in Idaho“

 

Dabei beziehen popkulturelle Größen wie Beyonce, Will Smith, Chris Rock, aber auch beispielsweise Kendrick Lamar so gut wie nie eine Position, die konkret für einen der beiden Kandidaten Partei ergreift. Sie schärfen aber mit ihrem Engagement ein Bewusstsein und machen auf Probleme aufmerksam, was wiederum den Druck auf Politiker erhöht, Alternativen für den Status Quo anzubieten. Sie sind also Mediatoren, die gesellschaftspolitische Impulse nach außen transportieren. Die Aufgabe der Politiker ist es, diese wahrzunehmen und in Lösungsvorschläge umzuwandeln.

Bernie Sanders gelingt das bisher jedenfalls nicht und er wird in den Vorwahlen auch keine Chance haben, sich gegen Hillary Clinton durchzusetzen, sollte sich das nicht ändern.

Sicher ist aber auch: Egal, ob der Präsident schwarz, weiß oder anderer Couleur ist; egal, ob er einen noch so guten „Racial Justice“-Plan oder ein noch so rührseliges Kampagnenvideo hat. Ohne ein Umdenken innerhalb der US-amerikanischen Bevölkerung wird sich nichts ändern. Denn letztendlich liegt es auch am großen Teil der weißen Bevölkerung, sich mit Afroamerikanern zu solidarisieren. Nur wenn sich eine Gesellschaft als Ganzes verändert, kann sich auch die Situation für eine Minderheit merklich verbessern.

Seit kurzem hat der Kampf für die Rechte der afroamerikanischen Minderheit übrigens einen neuen Fürsprecher: Macklemore, so etwas wie das gute Gewissen und der Moralapostel des US-Raps. In seinen Liedern warnt er vor Drogenmissbrauch, kritisiert die Pharmaindustriesetzt sich für die Homo-Ehe ein oder mahnt vor Konsumwahn. Vor kurzem veröffentlichte er das höchst kontroverse „White Privilege II“. Im Refrain wird gesungen: „Blood in the streets, no justice, no peace / no racist beliefs, no rest ’til we free“. Macklemore kommt aus Seattle im pazfistischen Nordwesten, ist irischer Abstammung – und weiß.

 

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Bildquelle: Youtube/ Screenshot