
„Quiet Quitting“: Die neue Lebensphilosophie der Generation Z
Hustle Culture adé! „Quiet Quitting“ ist ein neues Phänomen, das bei jungen Menschen immer populärer wird. Was genau steckt hinter diesem Trend – und profitiert jeder davon?
Zeit, Mühe und Enthusiasmus in die Arbeit investieren: Klar, aber nicht mehr als nötig! Seit nun zwei Jahren ist das Sarahs Mantra. Sie hat keine Lust mehr, nach Feierabend erreichbar zu sein und Überstunden zu machen. Ihren Laptop nimmt sie nach der Arbeit nicht mehr mit nach Hause. So hat sie genug Zeit, sich ihren Hobbys und ihrer Familie zu widmen. „Die Entscheidung, nicht mehr meine Arbeit zu priorisieren, hat mein Leben verändert“, sagt die 26-Jährige.
Sarah war bis vor zwei Jahren ein Workaholic, hat Überstunden gemacht und an Meetings teilgenommen, die nicht mal verpflichtend waren. Fertigpizzen wurden Alltag, gute Freundschaften verkümmerten und schlechte Laune gewann irgendwann die Oberhand. Irgendwann zog Sarah dann die Reißleine: „Es war dann Schluss, als ich gemerkt habe, dass ich nur noch für die Arbeit lebe.“
Woher kommt das Phänomen „Quiet Quitting“?
Die Entscheidung, die Freizeit zu priorisieren und nicht mehr Mühe als nötig in die Arbeit zu stecken, ist eine Lebensphilosophie, die unter dem Begriff „Quiet Quitting“ bekannt ist. Das Phänomen wurde insbesondere durch die sozialen Medien vorangetrieben. Auf TikTok wurde der Hashtag #QuietQuitting populär und verbreitete sich auf der Plattform vor allem aufgrund eines Videos des Users Zaid Khan („zaidleppelin“) wie ein Lauffeuer.
Im Video bringt Zaid Khan das Ziel „Quiet Quittung“-Mentalität wie folgt auf den Punkt: „Du erfüllst immer noch deine Pflichten, aber du folgst nicht mehr der Mentalität der ‚Hustle Culture‘, dass Arbeit dein Leben sein muss. Die Realität ist: Sie ist es nicht. Und dein Wert als Person definiert sich nicht durch deine Leistung.“ Bei dem Trend arbeiten Beschäftige also nur das Nötigste. Das Ziel ist demnach, wieder mehr Zeit für sein Leben zu haben.
„Quiet Quitting“ kann nicht mit Faulheit gleichgesetzt werden
„Ist die Generation Z zu faul zum Arbeiten?“, titelte „Gründerszene“ im vergangenen Monat provokativ. Nicht mehr als nötig arbeiten wollen wird kurzerhand mit Faulheit gleichgesetzt – dabei geht es beim Quiet Quitting um etwas anderes.
Zunächst mal ist der Begriff ein wenig irreführend, denn wortwörtlich übersetzt bedeutet er „stille Kündigung“. Allerdings geht es beim Quiet Quittung nicht darum, Arbeit zu verweigern. Quiet Quittung beschreibt die Abkehr von der Vorstellung, ständig überperformen zu müssen.
Quiet Quitting ist ein Phänomen, das mit der Überstundenkultur bricht und damit eine gesunde Work-Life-Balance vorne anstellt. Vor allem junge Menschen hinterfragen die klassischen Arbeitsmodelle und priorisieren zunehmend ihre mentale Gesundheit.
Durch den Fachkräftemangel, diverse Krisen und das Ende einer Wachstumsökonomie befinden wir uns gerade in einem Kulturwandel der Arbeit. Aus einer Berufe-Studie des Versicherers HDI geht hervor, dass die Bindung an die Arbeit in Deutschland vor allem bei jungen Menschen abnimmt: So sagten nur 58 Prozent der unter 25-Jährigen aus, dass sie sich ein Leben ohne Beruf nicht vorstellen könnten. 2020 waren es noch fast 70 Prozent.
Benachteiligte Gruppen profitieren weniger vom neuen TikTok-Trend
Doch an diesem TikTok-Trend gibt es auch Kritik: Um Quiet Quitting betreiben zu können, müsse man privilegiert sein. BIPoC, Menschen mit Behinderung und andere benachteiligte Gruppen haben oft nicht das Privileg, nur so viel wie nötig zu leisten.
Amira, 26, ist seit drei Jahren im Medienbereich beschäftigt und hat nie daran gedacht, Quiet Quitting zu betreiben. Amira hatte in ihrem Arbeitsumfeld aufgrund ihres Migrationshintergrunds mehrmals den Eindruck, sich mehr als ihre weißen Kolleg*innen beweisen zu müssen.
Sie kennt den neuen TikTok-Trend und findet es gut, dass die Gen Z mit den alten Arbeitsmodellen brechen will. Doch selbst will sie sich nicht an diesem Trend beteiligen: „Es ist nicht so, dass ich mich verausgaben will, aber Fakt ist: Ich bin eine BIPoC. Ich habe wirklich Angst davor, gekündigt zu werden. Das kann ich mir nicht leisten.“
Der TikTok-Trend Quiet Quitting ist schon längst auch auf Amiras Arbeitsumfeld übergeschwappt. Arbeiten bleiben oft unerledigt, weil die Quiet Quitter wenige Überstunden machen wollen. Genau diese Arbeiten werden dann auf die Kolleg*innen abgewälzt. Zu den Leidtragenden gehört auch Amira. Sie musste öfter Überstunden machen, Telefonate erledigen, für die sie eigentlich gar nicht zuständig war und manchmal sogar früher ins Büro kommen. „Quiet Quitting ist zwar cool – aber das auch nur, bis man selbst mit Quiet Quittern zu tun hat“, sagt sie. „Deswegen hoffe ich, dass diese Arbeitsphilosophie irgendwann für uns alle Normalität wird, dass auch benachteiligte Gruppen problemlos Quiet Quittung betreiben können.“
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Bildquelle: Cottonbro Studio via pexels.com
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