Junger Rheinländer, der in der Zeit des Nationalsozialismus als Bastard und erbkrank klassifiziert wurde Bundesarchiv, Bild 102-15664 / CC-BY-SA 3.0

„Rheinlandbastarde“: Zwangssterilisierung im Zweiten Weltkrieg

Oft vergessen wir Black, Indigenous, People of Color (BIPoCs), wenn wir über Diskriminierung und Rassismus im Ersten und Zweiten Weltkrieg sprechen. Ein Thema, das wohl in keinem unserer schulischen Geschichtsunterrichtstunden Platz findet, sind die „Rheinlandbastarde“.

Triggerwarnung: Rassismus

Disclaimer: Der Artikel enthält subjektive Standpunkte der Autorin.

Der abwertende Begriff „Rheinlandbastarde“ stammt aus der Zeit des Ersten Weltkriegs und wurde bis zur Zeit des Nationalsozialismus für Kinder verwendet, die einen BIPoC-Vater und eine weiße Mutter hatten. „Bastard“ ist eine Bezeichnung für uneheliche Kinder, die heutzutage nur noch in beleidigendem Kontext verwendet wird.

Wer waren die „Rheinlandbastarde“?

Der Begriff „Rheinlandbastarde“ enstand in der Zeit, als im Ersten Weltkrieg afrikanische Soldatentruppen aus den Kolonialgebieten Frankreichs das Rheinland besetzten. Etwa 20.000 Soldaten aus den französischen Kolonien, wie Tunesien, Marokko, Vietnam und Senegal, wurden in Deutschland eingesetzt.

Zwischen 1919 und 1928 verliebten sich einige BIPoC-Soldaten und deutsche Frauen und bekamen afrikanisch-deutsche Kinder. Insgesamt kamen in dieser Zeit ein paar hundert BIPoC-Kinder zur Welt. Die deutsche Gesellschaft diskriminierte sowohl die Väter, Mütter als auch die Kinder dieser Konstellationen. Eine rheinländische Kampagne bezeichnete die BIPoC-Soldaten als  „Schwarze Schmach“ und stellte einen frühen Höhepunkt der rassistischen Mobilisierung in Deutschland da. Man verbreitete falsche Behauptungen über Vergewaltigungen deutscher Frauen und Kinder durch die Kolonialsoldaten, um die französische Besatzungspolitik negativ darzustellen. Die Anwesenheit schwarzer, nordafrikanischer und asiatischer Besatzungstruppen wurde als Bedrohung für die „deutsche Rasse“ und die europäische Zivilisation dargestellt.

Die der NSDAP zugehörige Zeitung „Westdeutscher Beobachter“ berichtete am 17. Januar 1934: „Über 600 ‚Bastarde‘ gibt es im Rheinland als trauriges Überbleibsel der Besatzungszeit. Unglückliche Kinder, die den Stempel ihres Erbes tragen. […] Farbige Truppen haben ‚bleibendes Leid‘ im deutschen Rheinland und auch in unserer Vaterstadt Euskirchen zurückgelassen. […] Das Leid, das sie trifft, wird durch ihre Kinder vermehrt. […] Möge das denen zur Einsicht gesagt sein, in deren Hand es liegt, die Vermehrung dieses Leides zu verhüten.“

Die Zwangsstilisierung von BIPoC-Kindern durch Hitler

Im Verlauf der NS-Zeit fielen die Kinder deutscher Frauen und französischer Kolonialsoldaten rassistischen Wahnvorstellungen zum Opfer. Im April 1937 erging auf Anordnung Adolf Hitlers der Befehl zur Zwangssterilisierung von Hunderten von ihnen. Die Durchführung dieses Befehls oblag der „Sonderkommission 3“ der Geheimen Staatspolizei. In Hitlers Buch „Mein Kampf“ beschrieb er, dass die Paarung von BIPoC und deutschen Menschen eine „Taktik der Juden“ war, um die „weiße Rasse“ zu zerstören. 436 Minderjährige und junge Heranwachsende wurden nachweisbar zwangssterilisiert. Nach 1945 wurden die ärztlichen Täter*innen, die die Sterilisierung durchführten, strafverfolgt.