Schnell entscheiden statt endlos grübeln: Warum dein Bauchgefühl recht hat

Wie lange sollte man über eine Entscheidung nachdenken? – Gerd Gigerenzer, Experte für Risikokompetenz, rät dazu, nicht zu lange zu zögern. In einem Interview mit der ZEIT erklärt er auch, warum.

Auf die Frage, wie er denn selbst Entscheidungen treffen würde, antwortet Gigerenzer: „Ich treffe sie schnell. Das ist, was ich aus meiner Arbeit über das Entscheiden gelernt habe: Entscheidungen zügig zu treffen.“ Als Gigerenzer in den 90er-Jahren an die University of Chicago berufen wurde, suchte er sich an nur einem Nachmittag ein Haus aus – und kaufte es.

Ich brauchte nur einen Nachmittag, bis ich mich entschieden hatte. Ich rief meine Frau in Deutschland an und fragte: Vertraust du mir?

Gerd Gigerenzer

Seine Frau und er hätten diese Entscheidung nie bereut, sagt Gigerenzer. Vielen Menschen fiele es schwer, sich festzulegen, weil sie nach maximaler Sicherheit streben. Diese Suche nach dem Besten kann aber auch lähmen: Wer immer nur das Optimale will, trifft oft keine Entscheidung – ganz egal, ob bei der Partnerwahl oder im Beruf.

Was lähmt, ist nicht die Entscheidung an sich

Es ist die Angst vor Fehlentscheidungen, die manche Entscheidung so schwer macht und die Angst, in so einem Fall die Verantwortung zu übernehmen. Vor allem in Unternehmen und Behörden werde deshalb häufig abgewartet, bis andere einem die Entscheidung abgenommen haben oder Berater hinzugezogen wurden.

Dabei ist Entscheidungsfreudigkeit eine Frage des Lernens: „Es gibt kein Entscheidungsgen“, wie Gigerenzer so schön sagt. Wer sich dem Prozess stellt, wird mit der Zeit sicherer.

Oft hilft es, bei schwierigen Entscheidungen etwas Distanz einzunehmen und sich zu fragen: Warum zögere ich noch?

Gerd Gigerenzer

Besonders hinderlich sind unrealistische Ansprüche: Oft braucht es gar nicht die optimale Lösung – es reicht aus, wenn eine Lösung gut genug ist. Beim Hauskauf sollte man etwa Kriterien wie Preis und Lage zwar beachten, am Ende aber auch das Bauchgefühl einbeziehen.

Intuition ist ein Kompass, den man nicht unterschätzen sollte

Für Gigerenzer basiert Intuition auf Erfahrung. Und es gibt eine einfache Methode, das eigene Bauchgefühl zu testen: Nimm eine Münze, deine beiden Alternativen sind Kopf oder Zahl. Wirf die Münze hoch, und noch während sie sich in der Luft dreht, wirst du vermutlich bereits spüren, welches Ergebnis du nicht haben willst – das ist Intuition. Hörst du darauf, brauchst du auch nicht mehr hinschauen, auf welcher Seite die Münze gelandet ist.

Unser Bauchgefühl kann nicht nur in simplen Entscheidungsfragen von Vorteil sein, sondern auch in komplexen Situationen. So spüren erfahrene Ärzte oft intuitiv, wenn mit einem Patienten etwas nicht stimmt, auch wenn sie es nicht sofort begründen können. Intuition und Denken widersprechen sich also nicht, sondern unterstützen sich laut Gigerenzer gegenseitig.

Wie die Kultur unsere Entscheidungsfindung beeinflusst

Wie schwer Menschen sich mit Entscheidungen tun, hängt auch von kulturellen Faktoren ab. Auch hier nennt Gigerenzer Beispiele aus seiner eigenen Erfahrung in den USA:  Als er sein erstes Weihnachten in Chicago verbrachte und einen Tannenbaum mit brennenden Kerzen aufbaute, wurden seine amerikanischen Freunde blass, erzählt Gigerenzer.

Er hingegen wurde bleich, als ein Freund seinem sechzehnjährigen Sohn zu Weihnachten eine schussbereite Winchester Rifle schenkte. Unser kultureller Hintergrund kann bestimmte Entscheidungen also leichter oder schwerer machen.