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Selbstmitleid ist für Kummer wie Salz für versalzene Suppe

Von Hanna Blüm

Ein Schicksalsschlag, eine Trennung oder einfach nur ein echt mieser Tag. Wir wollen nur noch heim, in unsere ganz persönliche Safezone, die Tür hinter uns schließen und alleine sein. Wir verbringen die nächsten drei bis vier Stunden in absoluter Dunkelheit mit einer Tonne benutzter Taschentücher in unserem Bett. Auf unser Handy reagieren wir nicht mehr und wir haben uns sowieso geschworen, dass wir nie wieder aus unserem Zimmer kommen. Warum ich? Warum jetzt? Wieso hilft mir denn keiner?

Lautes und leises Selbstmitleid

Aber Selbstmitleid ist nicht gleich Selbstmitleid. Jeder hat seine eigene Art, mit solchen Situationen umzugehen. Einige von uns verschließen sich, kapseln sich so gut es geht von allen ab und sind der Meinung, dass sie ganz alleine mit ihren Problemen klar kommen. Sie schleppen sich durch den Tag und zeigen nur so viel von sich wie nötig. Erst hinter der verschlossenen Zimmertür geben sie sich ihren Gefühlen hin – natürlich nur, wenn sie absolut sicher sind, dass kein anderer sie hören oder sehen kann. Sie versinken in „stillem“ Selbstmitleid. Genau wie alle anderen stellen sie sich dieselben Fragen, geben sich aber am Ende oft selbst Schuld an den Dingen. Und das, obwohl sie nichts hätten ändern oder retten können. Sie weisen jegliche Hilfe zurück und versuchen, das Problem einfach unter anderen, wichtigeren Sachen zu begraben.

Stress als Schwanzvergleich?

Der Spruch: „Lautes Schweigen, stilles Schreien“, umschreibt die ganze Sache wohl am besten. Die Frage, warum jetzt ausgerechnet sie wieder die Arschkarte gezogen haben, hängt zwar in ihren Köpfen fest, sie finden sich jedoch schnell damit ab. Sie verwandeln sich in kleine Trauerklöße, die sich selbst immer wieder runter machen. Das führt oft dazu, dass Freunde mit der Zeit genervt und desinteressiert zu sein scheinen – was die ganze Sache natürlich nicht gerade verbessert.

Die Wahrheit ist doch aber, dass die meisten von uns wohl eher zu der Gruppe: „Wer am lautesten schreit, hat gewonnen“, gehören. Wir suhlen uns praktisch im Selbstmitleid. Jeder soll es sehen und dementsprechend Anteilnahme zeigen. Wir geben allen anderen die Schuld an der Lage, in der wir uns gerade befinden und können gar nicht mehr aufhören, uns in Rage zu reden. Unsere Probleme werden jedem völlig ungefragt auf die Nase gebunden und wenn sich dann wirklich jemand nach unserer Gefühlslage erkundigt, bekommt er die volle Packung unserer „Grande Catastrophe“ um die Ohren gehauen.

Was macht das Selbstmitleid mit unserer Psyche?

Zu viel Selbstmitleid ist schlecht. Aber warum eigentlich? Folgen für unsere Psyche wären beispielsweise, dass wir das Interesse an unserer Umwelt immer mehr verlieren und uns vollkommen aus unserem sozialen Umfeld zurückziehen. In extremen Fällen kann zu viel Selbstmitleid zu Depressionen führen. Auch übermäßiger Alkoholkonsum kann sich im Laufe der Zeit zu einem ganz neuen Problem entwickeln.

Dr. Doris Wolf, Diplompsychologin, trifft den Nagel auf den Kopf, wenn sie schreibt, dass wir die Menschen um uns herum beneiden und uns selbst ausgeschlossen, alleine und aussortiert fühlen. Wir sind uns sicher, dass uns keiner verstehen kann und wir aus diesem Sumpf nicht mehr herauskommen. Was wir dagegen tun können? Uns anderen gegenüber öffnen und die Spannung in Energie umwandeln. Sich ablenken, Sport treiben. Statt Selbstmitleid sollten wir Selbstmitgefühl entwickeln. Das heißt, für seine Schwächen und Fehler Verständnis aufbauen.

Wir müssen lernen, unsere Fehler zu akzeptieren

Viele Psychologen bestärken jedoch auch, dass sich selbst zu bemitleiden ab und zu ganz gut tun kann. Manchmal müssen Wunden eben geleckt werden. Es ist vollkommen okay, hin und wieder ein wenig in Selbstmitleid zu verfallen – allerdings sollten wir das Ganze nicht übertreiben, sonst schaden wir uns und auch den Leuten in unserem Umfeld damit. Wir müssen manchmal einfach akzeptieren, dass wir Fehler gemacht haben, uns aber gleichzeitig vor Augen halten, dass das Leben weiter geht. Wenn wir uns immer weiter bemitleiden, egal ob im Stillen oder für jeden sichtbar, treten wir nur noch auf einer Stelle und reißen immer wieder dieselben Wunden auf. Das kann uns im späteren Leben hemmen.

Gerade das Öffnen gegenüber anderen ist der richtige Weg. Hier gilt jedoch immer: auf andere eingehen und Hilfe und Ratschläge anderer annehmen – auch wenn sie uns zunächst als wenig hilfreich erscheinen. Wichtig ist es, vor allem nicht immer nur an die Dinge zudenken, die wir falsch gemacht haben oder die nicht so gelaufen sind, wie wir sie uns vorgestellt haben. Man sollte sich auch die guten Seiten vor Auge führen und sich kleine Fehler eingestehen. Aus jeder noch so schweren Situation lässt sich etwas lernen – und manchmal müssen wir auch einfach die Zähne zusammenbeißen.