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Warum es okay ist, beim ersten Date Sex zu haben

Wenn es ums Daten geht, habe ich Regeln satt. Regeln, die mich mit meinen Gefühlen und Bedürfnissen in irgendeiner Weise einschränken wollen. Und Dating hat viel mit Gefühlen und Bedürfnissen zu tun. Also schalte ich bei Gesprächen, die mit „Solltest du nicht lieber…“ oder „Naja, vernünftiger wäre es aber,…“ beginnen, sofort ab. Nein, einfach nur nein. Nichts und niemand auf dieser Welt fühlt das, was ich fühle, also kann auch nichts und niemand mir etwas vorschreiben, das mit meinen Gefühlen zu tun hat. Da bin ich rigoros.

„Hab keinen Sex, wenn du etwas Ernstes willst“

Deshalb bin ich auch alle Mythen satt, die sich ums Dating und die Gefühlswelten von Männern und Frauen drehen. Da, wo es um Gefühle geht, ist kein Platz für Verallgemeinerung und Pauschalisierung. Als wären wir nicht die Individuen, als die wir aber bitte gerne von unserem Gegenüber anerkannt werden wollen. Einer dieser Mythen krallt sich ganz besonders auf dem Weg zum ersten Date in unserem Kopf fest: Wenn du etwas Ernstes möchtest, schlaf heute nicht mit ihm/ihr. Vor allem wir Frauen scheinen ihn nur sehr schwer abschütteln zu können. Weil wir den Jagdinstinkt des Mannes nicht zerstören sollen. Weil wir schließlich aktiv dafür sorgen müssen, dass er Interesse an uns hat und behält, weil unser Sein natürlich nicht reicht. Weil wir alles dafür tun sollten, dass uns überhaupt ein Mann mag. Weil unsere Bedürfnisse erstmal zweitrangig sind, wenn wir mit Anfang 30 drohen, für immer Single zu bleiben.

Umso weiter ich diesen Gedanken spinne, desto absurder wird er. Aber, was ich nicht will, ist andersherum zu sagen: Ihr müsst alle beim ersten Date Sex haben. Nein, was ich will, ist mich von Regeln und Mythen zu entfernen. Meiner Meinung nach ist es genauso okay, beim ersten Date Sex zu haben wie keinen Sex zu haben. Was jedoch ganz und gar nicht okay ist, ist die eigenen Bedürfnisse und Wünsche zurückzuhalten, um den Respekt und die Liebe einer anderen Person zu bekommen.

Was hat Sex mit meinem Charakter zu tun?

Beim Dating geht es darum, sich kennenzulernen. Um sich dann zu entscheiden, ob man mehr Zeit miteinander verbringen möchte. Wenn wir dem Mythos glauben, fürchten wir anscheinend mit „voreiligem“ Sex das Interesse unseres Dates zu verlieren. Als hätte Sex etwas mit unserem Charakter zu tun, als stünde Sex gegen Kennen- und Liebenlernen, als wäre beides nicht möglich. Wir denken, Sex lässt unser Gegenüber sofort vergessen, welche liebenswerten Seiten wir haben. Ein ziemlich liebloser Blick auf uns selbst, oder? Viel eher sollten wir uns selbst so sehr wertschätzen, dass wir uns und unserem Gefühl vertrauen. Dann können wir uns frei von Regeln machen und nach unserem eigenen Bauchgefühl entscheiden. Falls unser Date danach tatsächlich kein Interesse mehr haben sollte, wäre daraus ohnehin nie eine ernstzunehmende Beziehung geworden. Meine Antwort also: Nichts hat Sex mit meinem Charakter zu tun.

Und diese Sache mit dem Jagdinstinkt: Mag sein, dass Männer den evolutionsbedingt immer noch in sich tragen. Ein bisschen unfair und sexistisch gegenüber unseren männlichen Artgenossen ist es aber, ihnen vorzuwerfen, tatsächlich ausschließlich schwanzgesteuert durchs Leben zu gehen und alles, was die Frau vor ihnen sonst noch so ausmacht, komplett zu übersehen. Ganz so primitiv, nach einem Orgasmus das Interesse an weiteren Dates zu verlieren, sind die meisten dann doch nicht. By the way: Wenn der Sex gut ist, müsste das Interesse dann doch noch viel größer werden, oder?

Er muss es sich verdienen

Wir möchten uns nicht anbiedern, es uns nicht nackt auf einem Silbertablett gemütlich machen. Es ist vollkommen okay, dass wir eine Hemmschwelle haben, uns vor jemandem auszuziehen und etwas so Intimes wie Sex mit ihm zu erleben. Und bei der Person sollten wir auch unbedingt wählerisch sein. Aber wenn wir uns dann wohlfühlen, wenn sich unser Herz schon für eine Person entschieden hat, sollten Sätze wie „Lass ihn warten, lass ihn zappeln“ keine Rolle mehr spielen. Daran ist nicht nur der Gedanke, dass er sich die Intimität erst verdienen muss, falsch, sondern auch, dass wir unser eigenes Bedürfnis dabei völlig außer Acht lassen.

In allen anderen Aspekten, die zu einer Beziehung gehören, verstecken wir uns nicht. Wir möchten den anderen möglichst schnell möglichst gut kennen. Bei keiner Eigenschaft denken wir „Oh, er muss es sich erst verdienen, diese Seite von mir kennenzulernen.“ Weil es einfach keinen Sinn macht. Wir können es langsam angehen lassen, uns fürs Beschnuppern Zeit nehmen – von nichts und niemandem sollten wir uns zu etwas drängen lassen. Aber ebenso wenig sollten wir uns von gesellschaftlich festgelegten Regeln zurückhalten lassen und dadurch entscheiden, was er nun kennenlernen darf und was nicht, ist eine viel weniger gute Grundlage für eine ehrliche, offene und tolle Beziehung als Sex beim ersten Date.

Und jetzt mal ganz ehrlich: Wenn der Sex wirklich mies ist oder der andere irgendeinen Fetisch hat, mit dem wir so gar nichts anfangen können, wollen wir doch auch keine Beziehung. Wieso also dann zwei Monate lang täglich schreiben, picknicken gehen und uns größte Mühe geben, wenn sich dann herausstellt, dass der Sex überhaupt nicht funktioniert? Da hat sich das Verstecken und Verdienen recht wenig gelohnt. Denn Sex ist genauso Grundlage für eine glückliche Beziehung wie etwa gegenseitiges Zuhören oder miteinander lachen. Wieso also warten?

Sex is fun

In erster Linie ist Sex immer noch eins: Spaß. Und als das sollten wir ihn auch betrachten. Wenn wir uns schon um alles andere viel zu sehr den Kopf zerbrechen, uns vom Ernst des Lebens in Schranken weisen lassen, dann sollten wir Dating und Sex erst recht als großes Vergnügen betrachten. Sex mit jemandem, den wir kribbeln-erregend attraktiv finden, kann so wundervoll sein. Er kann uns weit weg vom Alltagsstress tragen, in ganz neue Welten, kann uns zusammenschweißen und unsere Grenzen gegenseitig zum Einstürzen bringen.

Es ist also absolut okay, beim ersten Date Sex zu haben. Aber es ist auch absolut okay, keinen zu haben. Ich gehe erstmal offen in ein erstes Date. Fühlt es sich gut an – und das kann ich schnell beurteilen -, muss der Abend nicht im Restaurant enden. Am wichtigsten ist doch, dass sich beide einig sind. Und dann sollten dem Spaß, der schönsten Nebensache der Welt, keine Regeln und keine Mythen mehr im Weg stehen.

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