Sex ohne Selbstbewusstsein: Warum viele Frauen denken, sie sind schlecht im Bett

Das Gefühl, schlecht im Bett zu sein, betrifft viele Menschen. Insbesondere Frauen wie Lara, eine 28-jährige Unternehmensberaterin, und Jasmin, eine gleichaltrige Winzerin, sind davon überzeugt, dass sie keine guten Liebhaberinnen sind. In der FAZ erzählen sie ihre Geschichte.

Lara hatte nach sechs Jahren das erste Mal wieder Sex, nachdem sie viel Alkohol getrunken hatte, um ihre Unsicherheiten zu betäuben. Sie glaubt, dass Männer von ihr bestimmte Fähigkeiten im Bett erwarten und setzt sich selbst unter enormen Druck. Sie erzählt, dass sie lange Zeit keine Lust auf Sex hatte, weil sie Angst hatte, nicht gut genug zu sein. Ihre Unsicherheit rührt vor allem daher, dass sie weniger sexuelle Erfahrung hat als ihre Freundinnen. Viele von ihnen hätten bereits im Teenageralter regelmäßig Sex gehabt, während sie selbst erst mit 18 Jahren erste sexuelle Erfahrungen gesammelt habe. Ihre Angst führt dazu, dass sie sich sexuell blockiert fühlt und sich oft unwohl im Umgang mit Männern verhält.

Verbreitete Unsicherheiten im Bett

Dieses Gefühl, beim Sex nicht zu genügen, ist keine Seltenheit. Laut einer Umfrage der Onlineplattform Elite-Partner hat knapp jeder vierte Mensch in einer Partnerschaft Angst, den anderen sexuell nicht zufriedenzustellen. Solche Unsicherheiten entstehen häufig, wenn man zu viel über sich selbst nachdenkt, erklärt die Sexualtherapeutin Karina Kehlet Lins. Menschen würden sich oft selbst stark unter Druck setzen und sich in Gedanken verlieren, statt den Moment zu genießen. Sie empfiehlt, solche negativen Selbstzweifel kritisch zu hinterfragen.

Jasmin ergeht es ähnlich wie Lara. Auch sie sorgt sich oft, dass sie im Bett nicht gut genug sei. Sie sagt, sie könne sich schwer fallen lassen, da sie ständig darüber nachdenkt, ob sie ihre Sache gut mache. Diese Selbstzweifel führen dazu, dass sie den Sex nicht genießen kann, weil sie sich emotional nicht entspannen kann.

Leistungsdruck und Selbstkritik

Ein weiterer Aspekt, der viele Frauen verunsichert, ist der Vergleich mit anderen. Wenn Freundinnen über ihr aufregendes Sexleben sprechen, während der eigene Sex eher routiniert abläuft, entstehen schnell Zweifel an den eigenen Fähigkeiten. Sexuelle Erwartungen und das Streben nach Perfektion im Bett sind kontraproduktiv, sagt Karina Kehlet Lins. Frauen würden oft durch widersprüchliche Botschaften verunsichert: Sei aktiv und sexy, aber gleichzeitig passiv beim Sex.

Besonders das sogenannte „Spectatoring“, bei dem man sich selbst während des Sex beobachtet und darüber nachdenkt, wie man auf den Partner wirkt, mache es schwer, den Moment zu genießen. Lara hat oft genau diese Gedanken. Sie glaubt, dass sie Männer enttäuschen könnte, weil sie sechs Jahre keinen Sex gehabt habe. Diese Selbstzweifel haben dazu geführt, dass sie nur Sex hatte, wenn sie betrunken war, um ihre Unsicherheit zu überspielen.

Sexuelle Erfüllung durch Offenheit

Karina Kehlet Lins betont, wie wichtig es ist, offen über Ängste und Unsicherheiten in der Sexualität zu sprechen. Viele Menschen würden in ihren Beziehungen nicht über ihre sexuellen Bedürfnisse oder Sorgen reden. So kommt es oft vor, dass Missverständnisse und Frustrationen entstehen, die vermieden werden könnten, wenn man ehrlich miteinander kommuniziert.

Jasmin versucht, mehr auf ihre Gefühle zu hören, statt sich ständig Gedanken über ihre Leistungen im Bett zu machen. Sie hat erkannt, dass es beim Sex mehr um das emotionale Erleben geht als um äußere Erscheinungen. Trotz ihrer Selbstzweifel, die durch Narben an ihren Brüsten verstärkt werden, kann sie guten Sex haben, wenn sie sich begehrt und entspannt fühlt.

Was ist guter Sex?

Was guter Sex ist, lässt sich laut Karina Kehlet Lins nicht pauschal definieren. Jede Person hat da individuelle Vorlieben. Wichtig ist vor allem, dass Sex Lust erzeugt und Freude macht. Schlechter Sex hingegen führt eher zu einem Rückgang der Lust und kann sogar dazu führen, dass das sexuelle Interesse ganz verschwindet.

Manfred Reitenspieß, der nach einer Prostataoperation keine Erektion mehr bekommen kann, hat dennoch erfüllten Sex. Er erklärte in der „FAZ“, dass er und seine Frau Wege gefunden hätten, weiterhin sexuelle Intimität zu genießen. Karina Kehlet Lins lobt diese Einstellung und betont, dass es nicht immer auf die reine Penetration ankomme, sondern auf das gemeinsame Erleben von Nähe.

Offenheit statt Perfektion

Lara hat inzwischen Schritte unternommen, um ihre Unsicherheiten zu überwinden. Sie hat mit Freundinnen über ihre Ängste gesprochen und eine Psychotherapie begonnen. Sie erzählte, dass ein traumatisches Erlebnis aus ihrer Jugend, bei dem sie sexuell missbraucht wurde, zu ihrer Angst vor Sexualität beigetragen habe. Doch nach ihrem ersten sexuellen Erlebnis seit sechs Jahren hat sie gemerkt, dass sie ihren Körper wieder spüre und sexuelle Freude erleben kann.

Auch Karina Kehlet Lins rät, die eigenen sexuellen Vorlieben regelmäßig zu hinterfragen und mit dem Partner darüber zu sprechen. Sie schlägt sogar vor, das Thema einmal im Jahr gemeinsam zu „evaluieren“, um zu prüfen, ob die Bedürfnisse noch übereinstimmen.

Sich fallen lassen können

Für Jasmin bedeutet guter Sex, wenn sie sich ganz auf den Moment einlassen kann. Sie hat festgestellt, dass sie sich dann entspannt, wenn sie merkt, dass ihr Partner den Sex genießt. Sie beschreibt, dass für sie schlechter Sex ist, wenn der Mann keine Rücksicht auf ihre Bedürfnisse nimmt. In einem Fall sei ein Mann während eines Urlaubs sehr schnell fertig gewesen, ohne sich um ihre Befriedigung zu kümmern.

Viele Frauen werden durch äußere Erwartungen verunsichert. Der Druck, immer perfekt auszusehen und zu funktionieren, beeinträchtigt das sexuelle Erleben. Lara und Jasmin versuchen nun, mehr auf ihre eigenen Bedürfnisse zu achten und sich nicht von gesellschaftlichen Erwartungen beeinflussen zu lassen.

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Bild: Vecteezy; CC0-Lizenz