no phone no life

No phone, no life?

Von Iseult Grandjean

Die Türen der U-Bahn haben sich gerade erst kreischend auseinandergeschoben und eine Menschentraube ausgespien, Anzugträger, Mütter mit Kinderwägen, Frauen mit zerknitterten Blusen und gelangweilten Augen und auch meine Freundin aus der Uni, mit der ich gerade noch geredet habe, da fährt meine Hand schon nervös in die Jackentasche. Handy checken! Das Glücksgefühl kommt in drei kleinen Stößen: grauer Umschlag, Facebook-Benachrichtigung. Grünes Telefon, whatsapp. Zwei neue E-Mails.

Zugegeben, es ist vielleicht ein bisschen plakativ beschrieben, aber so richtig abwegig ist diese Szene auch nicht. Wenn es nicht so eine abgewetzte Phrase wäre, würde ich jetzt vermutlich sagen, jeder kennt das Gefühl: dieser kleine Adrenalinstoß, kurz bevor man das Smartphone checkt und die Befriedigung, wenn auf dem Display die erwünschten Zeichen auftauchen. Auch die kurze Enttäuschung, wenn alles leer bleibt, mal wieder.

 

Ein haptischer Selbstbeschiss

 

Dass wir von unseren Smartphones ziemlich abhängig sind, weiß ich. Auch dass ich selbst keinen oder wenn nur einen Deut besser bin als die obsessiven Junkies und iPhone-Jünger, obwohl ich nicht viele Apps nutze (Samsung-Handy, begrenzter bis kein Speicherplatz, kennste). Und eigentlich hatte ich damit auch schon abgeschlossen: ja, es ist jeden Tag eine verdammte Versuchung. Aber wenn ich es nicht nutzen kann (im Ausland zum Beispiel), halte ich auch problemlos zwei Wochen Handy aus, ich zeige nicht einmal Entzugserscheinungen (Zittern, Schwitzen, danke Apotheken-Rundschau)! Und da bin ich bestimmt nicht die einzige. Wir sind doch gar nicht so verloren, wie alle immer sagen…

Aber als ich jetzt von dem „nophone“ gelesen habe, einem Klotz aus schwarzem Plastik, kam ich dann doch ins Überlegen. Es ist „bruch- und wasserfest, übersteht unbeschadet einen Sturz aus großer Höhe und ist außerdem abhörsicher.“ Hört sich erst mal an wie ein ganz normales Nokia. Das nophone sieht aber aus wie ein iPhone 5, hat kein Display und keine Funktionen: es ist einzig und allein dazu da, seinem Besitzer das Gefühl zu geben, er halte gerade sein Handy in der Hand. Ein haptischer Selbstbeschiss.

Das nophone ist deshalb ein Schlag ins Gesicht, weil es suggeriert, dass unsere Smartphone-Nutzung vom exzessiven Genuss zur Sucht geworden ist: ein innerer Zwang, an dessen Ende kein Zweck steht. Sucht definiert sich ja auch dadurch, dass sie zum Selbstläufer wird. Ein Alkoholiker trinkt irgendwann nicht mehr, weil er sich betrunken leichter fühlt oder eher imstande, Frauen anzusprechen. Er trinkt, weil er eben nicht anders kann.

 

Am Anfang jeden Entzuges: die Erkenntnis, abhängig zu sein

 

„Sucht ist die Abhängigkeit von einer Substanz oder einem Verhalten. Der Betroffene hat keine Selbstkontrolle mehr“, so steht es auf der Website der caritas. Haben wir keine Selbstbeherrschung mehr? Checken wir das Handy unkontrolliert und aus einem inneren Zwang heraus, ohne zu wissen, wieso? Nicht, um bewusst zu gucken, ob unsere Nachricht beantwortet wurde, sondern einer Art motorischem Reflex folgend? Und jetzt erinnere sich bitte jeder an den Moment zurück, als er auf einmal sein Handy in der Hand hatte, Facebook geöffnet, und sich nicht erinnern konnte, was er eigentlich wollte. Vielleicht haben wir den kalten oder dank nophone lauwarmen Entzug doch mehr nötig als gedacht.

„Wobei dies übrigens, wenn ich es recht sehe, am Anfang jedes wirksamen Entzugs steht: die Erkenntnis, abhängig zu sein“, schreibt Axel Hacke dazu in seiner Kolumne Das Beste aus aller Welt. „Und es nicht mehr sein zu wollen.“

 

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Bildquellen: Pexels unter CC 0 Lizenz