So verändern WhatsApp und Co. unseren Sprachgebrauch

Auf WhatsApp erreicht mich eine Nachricht meines 12-jährigen Cousins, die lediglich aus zwei Buchstaben besteht: „Wg?“ Es dauert ein wenig, bis ich seine Geheimschrift entziffern kann. „Wie geht’s?“ will er also von mir wissen. Auf einmal komme ich mir alt vor: up to date bin ich also nicht mehr, was hippe Ausdrucksweisen angeht. Der Sprachgebrauch der „Jugend von heute“ verändert sich so schnell, dass man kaum noch hinterher kommt. Und mit ihm wird die schriftliche Kommunikation immer kürzer. Versenden wir in zwei Jahren nur noch winkende Emoticons für ein einfaches „Hi“?

Es schreibt sich schneller, liest sich flüssiger und auch bei der Aussprache machen wir es uns mit prägnanten Sätzen bequem. Die Gesellschaft entwickelt sich weiter und mit ihr der Sprachgebrauch. „Hast du Lust, ins Kino zu gehen?“ ist noch die altmodische und romantische Variante. Doch wenn wir mit dem Strom schwimmen und cool bleiben wollen, sollten wir uns wie Chamäleons verhalten und uns an die Umgebung anpassen. Dann heißt es nur noch „Haste Lust, ins Kino zu gehen?“ oder nur „Bock auf Kino?“. Verben sind nur Zeit- und Platzverschwendung. Einzig in Schulaufsätzen waren sie noch nützlich, um die Mindestzeichenanzahl zu erfüllen.

 

Abkürzungen machen das Leben einfacher

 

Bei der Kommunikation in sozialen Netzwerken siegt die Faulheit. Kürzungen und das Weglassen von Lauten bestimmen den schriftlichen Austausch. Aus „habe“ wird „hab“. Auch Zahlen werden nicht mehr ausgeschrieben, ein Tippen auf die richtige Taste genügt. Es geht noch kürzer: wir bilden nun auch Wörter aus Zahlen und Buchstaben, wie „m1“ für „meins“ oder „N8“ für „Nacht“. Artikel sind längst überflüssig – mein Schreibpartner wird schon verstehen, wovon ich spreche. Das gleiche gilt für Possessivpronomen, Demonstrativpronomen und den Dativ, das schwarze Schaf in der deutschen Sprache. Und überhaupt: für was sind diese Satzzeichen gut?

Dass die Verkürzungen ursprünglich dazu dienten, die begrenzte Zeichenanzahl auf Twitter einhalten zu können, wird dabei schnell vergessen. Die Begründung liegt schon im Wort: Kurznachrichtendienst. Auf Twitter muss man sich kurz und knapp halten, die Grenze liegt bei 140 Zeichen, sprachliche Ausschmückung und grammatikalische Richtigkeit sind hier unbedeutend. Schließlich geht es nur darum, eine Message zu vermitteln. Und damit sind wir bei dem nächsten Trend, der allerdings schon lange unsere Kommunikation prägt: das Einbringen von Anglizismen.

 

Umgangssprache breitet sich auf die Schrift aus

 

Derartige Ausdrucksformen sind schon immer in den alltäglichen Sprachgebrauch eingeflossen. Dank den sozialen Medien wenden wir die Umgangssprache allerdings nicht mehr nur in der mündlichen, sondern auch in der schriftlichen Interaktion an. Gegenüber Vice sagt Jürgen Spitzmüller vom Institut für Sprachwissenschaften in Wien: „Das Internet macht hier ganz sicher zu einem großen Teil eine Form der Schreibvariation einfach nur sehr viel sichtbarer.“ Trotzdem besteht die Gefahr, dass sich die junge Generation an die inoffizielle Sprachweise anpasst. Gerade erst in der weiterführenden Schule angekommen, finden viele Schüler Zugang zu der Welt der sozialen Medien. Während sie oft noch keine vollständig ausgeprägte Sprachsicherheit haben, wartet dort keine stilistisch korrekte Ausdrucksweise auf sie.

 

Können wir in der Sprache zwischen Privatem und Beruflichem trennen?

 

Ob sich dieser Sprachgebrauch auch auf unsere schulische und berufliche Schriftsprache auswirkt? Sprachwissenschaftler sehen darin keine Gefahr. Trotz der veränderten Schreibweise durch Social Media wissen wir, wie man Sätze grammatikalisch richtig bildet. Auch jüngere Menschen können meist unterscheiden zwischen den zwei Bereichen der Schriftsprache. In formellen E-Mails wird der Genitiv gefeiert und wir komponieren Sätze, die Thomas Mann Konkurrenz machen könnten. Bei Privatnachrichten müssen wir uns jedoch keine große Mühe geben, solange unser Gegenüber uns versteht.

Die Rechtschreibung ist den aktuellen Sprachtrends immer ein wenig hinterher. Trotzdem schließt der Sprachwissenschaftler Jürgen Spitzmüller, welcher sich mit der Sprache der neuen Medien befasst, nicht aus, dass sich Sätze wie „Hab ich auf meim Handy gesehn“ irgendwann zu der offiziellen Rechtschreibung zählen lassen. Nichtsdestotrotz ist Sprache in erster Linie ein Mittel, um sich auszudrücken. Ob ich nun „Lust auf Party“ oder „Heute Party machen?“ sage – mein Gegenüber versteht, dass ich Lust habe, heute Abend auszugehen. Und solange wir miteinander verständlich kommunizieren können, sollte die Satzbildung kein Problem sein. Trotz der ständigen Weiterentwicklung der Sprache bleiben wir dem korrekten Deutsch treu, wenn es eben sein muss.

 

 

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Bildquelle: RC Cipriano unter CC0 License