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Stellungswechsel: Warum wir alle Schlampen sein sollten

Sex und Feminismus, das passt nicht zusammen? Doch, wie unsere Kolumne „Stellungswechsel“ beweist. Nadine Kroll befasst sich mit den Fragen, die junge Menschen und speziell Frauen, die gerade ihre Sexualität entdecken, ganz besonders beschäftigen. Es geht um gesellschaftlichen Wandel, Selbstbestimmtheit, neugewonnene Freiheiten, Frauenrechte und natürlich ums Ficken, kurz: um sexpositiven Feminismus und darum, dass sich niemand für seinen Körper oder seine Vorlieben schämen muss.

 

Um Feministin zu sein, muss man keine Schlampe sein. Andersrum jedoch muss man meiner Ansicht nach Feministin sein, um gleichzeitig auch Schlampe sein zu können. Das ergibt sich für mich zwangsläufig aus der Tatsache, dass das Wort „Schlampe“ noch immer als Beleidigung für Frauen aller Art benutzt wird, und zwar vollkommen unabhängig davon, ob sie sich durch die Gegend vögeln oder nicht.

„Slut Shaming“ nennt man es, wenn Frauen für offenes, extrovertiertes Verhalten und/oder ihren Kleidungsstil angegriffen werden. Häufig geht das Ganze einher mit dem Einreden von Schamgefühlen, in etwa, indem ihnen gesagt wird, ihr Benehmen oder auch ihre Kleidung wäre unangemessen und würde Männer unangenehm provozieren. Der Übergang zur sogenannten „Rape Culture“, in der die unterschiedlichsten Formen von sexueller Gewalt weitestgehend toleriert oder geduldet werden, und zum „Victim Blaming“, bei denen Frauen die Schuld für verbale, körperliche und sexuelle Übergriffe von Männern gegeben werden, ist fließend.

Was ist die männliche Version der Schlampe?

Laut Definition ist eine Schlampe eine „unordentliche, in ihrem Äußeren nachlässige und ungepflegte weibliche Person“ oder aber eine „Frau, deren Lebensführung als unmoralisch angesehen wird“. Das Wort „schlampig“ selbst lässt sich der offiziellen Definition nach auch auf Männer anwenden und bedeutet so viel wie „im Äußeren nachlässig und ungepflegt, liederlich, unordentlich“ oder, vor allem in Bezug auf leblose Dinge wie Gegenstände oder Organisationen, „ohne die geringste Sorgfalt; in grober und auffälliger Weise nachlässig; schluderig“. Auch die Bezeichnung „Schlamper“ für einen laut Duden „unordentlichen Kerl“ existiert.

Ein männliches Pendant zu dem Wort „Schlampe“ in der Bedeutung von „Mann, dessen Lebensführung als unmoralisch angesehen wird“, sucht man im Wörterbuch allerdings vergeblich. Zwar werden manchmal Begriffe wie „Macho“ oder „Gigolo“ benutzt, um einen Mann zu beschreiben, dessen Lebensführung als unmoralisch angesehen wird, diese aber längst nicht so abwertend wie das Wort „Schlampe“. Selbst das Wort „Aufreißer“ ist per se nicht negativ, die Bezeichnung als „männliche Schlampe“ jedoch schon, meint sie doch in erster Linie einen Mann, der viele wechselnde Partner hat – und nicht etwa einen, dessen Wohnzimmer unordentlich und schmutzig ist.

Tragt das Wort mit Stolz!

Wenn ich also sage, dass wir alle Schlampen sein sollten, dann meine ich damit keinesfalls, dass wir am besten noch heute aufhören uns zu waschen, pflegen und unsere Wohnungen verdrecken lassen, sondern dass wir Frauen uns einen Begriff zurückerobern, der nur dazu dient, uns abzuwerten. Einen Begriff, der vor Sexismus nur so strotzt, den aber jede Frau früher oder später schon einmal auf sich selbst angewandt hören musste. Einen Begriff, der immer mehr Fremdzuschreibung war als ein Begriff, den Frauen, die häufig wechselnde Geschlechtspartner hatten, benutzen, um ganz neutral ihre selbstgewählte Lebensführung zu beschreiben.

Man muss also zwangsläufig Feministin sein, um gleichzeitig auch Schlampe sein zu können. Um klarzumachen – für sich selbst und auch für andere – dass Schlampe sein nichts Schlimmes ist, sondern etwas, das man selbst gewählt hat. Das eben überhaupt nicht verwerflich ist, sondern selbstbestimmt und mutig, weil man gegen einen Haufen Leute kämpfen muss, die einem mit Sexismus begegnen, wenn man die eigene Sexualität einfach lebt, sich nicht versteckt und stolz auf sich ist. Wenn man vielleicht auch gar keinen Sex hat, aber kurze Kleider trägt und sich dafür als Schlampe titulieren lassen muss. Man muss Feministin sein, um sich dagegen zu stellen, sich nicht länger klein halten lassen vom Begriff der Schlampe. Man muss Feministin sein, um das Wort mit Stolz zu tragen. Weil man stolz ist, eine Frau zu sein. Eine Schlampe. Eine Feministin. Eine schlampige Feministin. Eine feministische Schlampe.

Was unmoralisch ist, entscheide immer noch ich

Für mich persönlich ist eine Schlampe längst keine Frau mehr, „deren Lebensführung als unmoralisch angesehen wird“, denn was für mich unmoralisch ist, entscheide ich immer noch selbst. Für mich ist eine Schlampe eine Frau, die ihr Leben voll im Griff hat, die sich nimmt, was sie will und was ihr zusteht, die das Leben lebt, welches sie leben will und die sich nicht von anderen diktieren lässt, was sie zu tun oder zu lassen hat. Eine stolze Feministin, die keine Angst mehr vor einem Wort hat und es auch nicht gegen andere benutzt. Und die sich klar gegen Sexismus, Victim Blaming und Rape Culture stellt, wenn sie wieder einmal beobachtet, wie das Wort „Schlampe“ eingesetzt wird, um Frauen jeden Alters zu diskreditieren, abzuwerten und kleinzuhalten.