Stephan simplifiziert: CETA und TTIP

Warum sind so viele Menschen gegen die Abkommen?

 

Es liegt in erster Linie daran, wie die Verhandlungen über die neuen, übergeordneten Regeln bisher abgelaufen sind. Intransparent und für die Bürger nicht nachvollziehbar. Spätestens seit Stuttgart21 weiß man aber, dass unsere Demokratie nicht mehr so funktioniert, dass man über die Köpfe ihrer Bürger*innen hinweg entscheiden kann. Außerdem muss man in einer Demokratie gewährleisten, dass die Öffentlichkeit Bescheid weiß, was auf sie zukommt. Dafür sind die Medien da, die diese Prozesse beleuchten und den Politikern auf die Finger schauen. Wenn aber zunächst und sehr lange Zeit nicht mal die Bundestagsabgeordneten die TTIP-Verhandlungspapiere einsehen konnten, dann ist die Öffentlichkeit nicht zu Unrecht empört über so ein Verhalten der Informationsvorenthaltung.

Es liegt außerdem daran, dass das, was dann doch an die Öffentlichkeit gelangt ist, schockierend wirkt. Zum Beispiel der Investitionsgerichtshof, der Investoren schützen und nationales Recht umgehen soll. Ein Müller, der im Ausland investiert, beispielsweise Mühlen mit einem bestimmten, in seinem Herkunftsland traditionellen Mühlstein, baut, wäre dann davor geschützt, wenn dieses Land nach seiner teuren Investition ein Gesetz erlässt, das Mühlsteine aus dem Investitionsland vorschreibt. Das Geld für den Müller wäre weg, der Handel für ihn nicht mehr möglich. Das ist der Gedanke, der hinter dem Investorenschutz steht. In rechtsstaatlichen Räumen wie die EU und Nordamerika es sind, kann man aber eigentlich auch so darauf vertrauen, zu seinem Recht zu kommen, indem man vor die ordentlichen Gerichte zieht, vor die auch die normalen Bürger ziehen müssen. Das ist ein Kritikpunkt der Gegner. Ein weiterer, noch gewichtigerer: Der Müller bringt nicht nur seinen Mühlstein mit – welcher das ist, ist ja wurscht –, sondern auch seinen Antrieb. In seiner Heimat wird das Mühlrad traditionell mit Kohle betrieben. Das Investitionsland hat nun aber ein Umweltschutzgesetz oder erlässt eines, das diesen offensichtlichen ökologischen Unsinn verbietet. Nun hätte der Müller die Möglichkeit, vor dem Investitionsschiedsgericht zu klagen, weil er wieder seine Investition gefährdet sieht. Die Angst der CETA- und TTIP-Gegner ist, dass in so einem Fall der Investorenschutz stärker wiegen würde, als der Umweltschutz sowie der Schutz der regionalen Gesetze und dass man gegen diese Urteile nicht einmal mehr vorgehen könnte.

Hinzu kommt, dass die EU für die wichtigen wirtschaftlichen Fragen ihrer Mitglieder verantwortlich ist. Jedoch sind große Teile der europäischen Bürgerschaft der EU gegenüber zunehmend skeptisch eingestellt, weil sie das Gefühl haben, nicht mitreden zu können. Dabei übersieht man aber leicht, dass im EU-Parlament viel über CETA und TTIP diskutiert worden ist und ebendieses Parlament von den Bürger*innen selbst gewählt werden kann. Somit hat man auch Einfluss auf solche Themen wie Freihandelsabkommen.

 

Dafür oder dagegen?

 

Werden CETA und TTIP also nun durch ihre Vereinfachungen und Angleichungen den Handel und somit das Wirtschaftswachstum ankurbeln, sodass mehr Leute einen besseren Job bekommen oder wird nur das Geld noch stärker auf große, internationale Konzerne umverteilt, ohne dass dies bei der Mehrzahl der Bürger*innen ankommt? Und wird gleichzeitig die rechtsstaatliche, demokratische Justiz ausgehebelt? Das wird darauf ankommen, was man sich als Ziel vom Miteinander-Handeln vornimmt. Der Handel sollte immer zuerst den Menschen dienen und nicht den Konzernen, die hauptsächlich Gewinne schaffen wollen, aber nicht in erster Linie Arbeitsplätze. Letztere sind für die Wirtschaft nämlich letztlich nur Mittel zum Zweck, um möglichst viel Gewinn für sich selbst zu erwirtschaften. Für dieses Ergebnis von Freihandel kann man sich die Mühe und Arbeit, einen über 2000 Seiten langen Vertragstext zu schreiben, getrost sparen.

 

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Bildquelle: Sebastian Graeme unter CC BY-SA 2.0-Lizenz

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