„Subway Shirts“: Was Frauen anziehen, um nicht belästigt zu werden

Leider geht es bei der TikTok-Bewegung der „Subway Shirts“ nicht um den nächsten Modetrend, sondern darum, wie Frauen versuchen, sich vor sexueller Belästigung zu schützen. Jetzt wo es wieder wärmer wird, ist man oft auch noch abends in kurzen Klamotten unterwegs. Um ungewollte Blicke zu vermeiden, ziehen deswegen viele Userinnen ein Oversized-Shirt über ihr Outfit, wenn sie zum Beispiel U-Bahn fahren.

Der Trend begann unter anderem mit einem Video der britischen TikTokerin Sophie Milner, in welchem sie zeigt, wie ihr Outfit eigentlich aussieht und wie sie sich für die U-Bahn ein weites T-Shirt überzieht. Am Ziel angekommen wird dieses dann in den Jutebeutel gesteckt. Inzwischen findet man viele Videos unter dem Begriff „Subway Shirt“, in denen Frauen daran erinnern, wie sie sich auf dem Weg in die Stadt oder auf dem Heimweg sicherer fühlen können. Es muss nicht immer ein T-Shirt sein, viele tragen auch eine Jacke oder ein Hemd. Aber alle haben gemeinsam, dass sie enge oder freizügige Oberteile überdecken wollen. Diese TikToks findet man nicht nur in Großbritannien, sondern auch in den USA oder in Deutschland. Besonders in New York findet man viele solcher Videos.

@itssophiemilner

I didnt realise everyone else did this too 🥲 its a huge problem in london. Theres so many outfits ive just never worn out, or had to change so much, just because i knew people would make me feel uncomfortable for wearing it – be it catcalling or stares. #catcalling #subwayshirt #tubeshirt #subwayoutfit #tubeoutfit #ootd

♬ A work of art by s_johnson_voiceovers – Stefan Johnson

Auf keinen Fall will dieser Trend darauf hinaus, dass Klamotten eine Begründung für sexuelle Belästigung darstellen. Die Ausrede „Das Outfit hat mich provoziert“ oder die Frage „Was hattest du denn an?“ legimitiert Übergriffe und entschuldigt die Täter. Prof. Dr. Heinz-Jürgen Voß von der Hochschule Merseburg bezeichnet diesen Mythos der Kleidung als Auslöser für sexuelle Gewalt als eine „Täter-Opfer-Umkehr“. Das bedeutet, dass den Opfern eine Mitschuld an dem Übergriff zugeschrieben wird.

Bei diesem Trend geht es viel eher darum zu zeigen, welche Ängste und Bedenken junge Frauen überall auf der Welt haben. Die meisten Userinnen wissen zwar, dass ein Sexualstraftäter nicht von einem luftigen T-Shirt aufgehalten wird, aber trotzdem gibt es vielen ein Gefühl von Sicherheit. Darunter auch die 19-jährige Ajana Grove, die erklärt, wie unwohl sie sich ohne ihr Subway Shirt fühlt, weil sie ihrer Erfahrung nach weniger ungewollte Aufmerksamkeit bekommt, wenn sie bedeckt ist. Während die Userinnen sich natürlich wünschen, das anzuziehen was sie möchten, fühlen die meisten sich wohler, wenn sie eben etwas Weites drüberziehen. Auch wenn es sehr traurig und erschreckend ist, dass Frauen das Haus nur mit diesen Ängsten verlassen können und sich überhaupt Gedanken darüber machen müssen, wie sie sich vor Angriffen schützen, ist aus dem Trend heraus eine große Community entstanden. Immer mehr junge Frauen teilen ihre Tipps dazu, wie man sich in der Öffentlichkeit sicherer fühlen kann.

Das eigentliche Problem, auf das der Trend hinweist, darf natürlich nicht in den Hintergrund geraten. Laut Voß sind sexuelle Übergriffe nämlich nicht auf Kleidung zurückzuführen, sondern auf „Sexismus und Männerdominanz“.

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Bildquelle: Roy Reyna via Pexels, CC0-Lizenz