Tinder Match Chancen

Tinder: Chancen ohne Chance

Bei Tinder ist es wie im echten Leben: Theorie und Praxis liegen nicht immer ganz so nah beieinander, wie man sich das wünscht. In der Theorie ist die Dating-App die Ouvertüre zur Liebe des Lebens. Man hat ein Match. Man schreibt. Und im Idealfall trifft und verliebt man sich.

 

Gerade in der heute zwar wahnsinnig vernetzten, dadurch aber oft auch schnelllebigen und unpersönlichen Zeit, lassen sich per Smartphone Kontakte knüpfen, die sich sonst nicht ergeben hätten. Bei der Partnersuche ist man so nicht mehr nur auf den Freundeskreis und die Arbeitsstelle beschränkt. Man kann potenziell mit jedem Menschen in seiner Nähe Kontakt aufnehmen (vorausgesetzt natürlich er oder sie nutzt Tinder). Das erhöht die Wahrscheinlichkeit von Dates. Und es hilft den Schüchternen unter uns (also rund 90%), den berühmten aber gefürchteten „ersten Schritt“ nicht tun zu müssen. Der Kontakt kommt ganz von allein, wenn Tinder ein Match anzeigt. Doch das ist nur die wunderbar klingende Theorie.

 

Bei Tinder sind die Erfolgschancen nicht besser als im echten Leben

 

Denn jene, die so tun, als sei Tinder eine Single-Börse, die verschließen die Augen vor der Realität. Abgesehen davon nämlich, dass sich auf Tinder nicht nur Singles tummeln (was, am Rande, für eigentlich jede dieser Börsen gilt), ist es für Singles mit Beziehungsabsicht genau so schwer wie im echten Leben, auf Tinder einen Partner zu finden. Viele suchen dort einfach nur nach Sex, oder zumindest nach Ablenkung und Bestätigung. Das ist absolut legitim. Es macht die ernsthafte Partnersuche aber nicht leichter. Egal, sagen jene, die sich an die Theorie halten: Natürlich ist das überall schwer. Mit Tinder aber kann man die Wahrscheinlichkeit erhöhen. Schließlich kriegt man da ja viel leichter Dates. Letzteres ist zwar richtig, ersteres dagegen ein Irrglaube.

 

Denn selbst wenn man davon ausginge, dass wirklich jeder Tinder-Nutzer auf der Suche nach einer Beziehung wäre – die Wahrscheinlichkeit, eine Beziehung zu finden, steigt ja nicht mit der Anzahl der Dates, die man absolviert. Auf die Qualität der Dates kommt es an. Und die kann Tinder ebenso wenig garantieren, wie ein besonders bewusster und intelligenter Nutzer. Das ist Trial and Error wie im echten Leben eben. Tinder serviert dem Date-Konsumenten eine Flut an möglichen Kontakten, aus denen er wählen kann. Die Matches basieren meist allein auf der Optik. Sicherlich schreibt man noch, bevor man sich trifft. Wie ein Mensch aber wirklich ist, merkt man erst, wenn man ihm gegenübersteht.

 

Mit der Zahl der Dates steigt der Frust

 

Wie viele Leute, die man so kennenlernt, findet man optisch attraktiv und auf den ersten Blick vielleicht eloquent. Auf den zweiten will man aber alles nur kein Date mit ihnen? Ohne Dating-App hatte man sich dann niemals getroffen. Und eine Date-Enttäuschung weniger erlebt. Der Punkt ist also der: Tinder gaukelt einem die gesteigerten Chancen nur vor. Letztlich fädelt die App (größtenteils) Dates ein, die wir im echten Leben nie wahrgenommen hätten, ginge es uns um eine Beziehung. Dadurch gehen Singles heute vielleicht öfter auf ein Treffen zum Kennenlernen. Erfolgreicher sind sie dabei allerdings nicht unbedingt. Mit der Zahl der Dates steigt dagegen sogar der Frust. Und mit dem Frust der Bezug auf sich selbst.

 

Werden die Singles, die sich auf der Suche nach einer Beziehung bei Tinder anmelden, von ihren Freunden oder Freundinnen in der Folge als verzweifelt bezeichnet, ist das nicht falsch. Verzweifelt werden sie allerdings erst durch die App selbst und sind es nicht schon, weil sie sich dort anmelden.

 

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Bildquelle: Guian Bolisay über CC BY 2.0