TTIP für Dummies: Wir erklären das umstrittene Abkommen

Der größte Wirtschaftsraum der Welt mit 800 Millionen Verbrauchen – ohne lästige Zollgebühren oder beengende Handelsschranken: Das ist das Ziel der langjährigen Verhandlungen um das Freihandelsabkommen TTIP.

Das hört sich doch eigentlich ganz verlockend an. Warum stehen die meisten Bürger den baldigen Beschlüssen der Großmächte USA und EU trotzdem skeptisch gegenüber? Und was hat es mit den neuesten Greenpeace-Enthüllungen auf sich? Wir klären alle Fragen rum um das TTIP-Leak.

 

Die größte Freihandelszone der Welt

 

Seit drei Jahren verhandeln die USA und die Europäische Union nun schon über das gemeinsame „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ (TTIP). Mit der Errichtung einer Freihandelszone wollen sie einheitliche Standards für die Wirtschaft setzen und den gemeinsamen Handel ankurbeln. Eine Freihandelszone existiert dort, wo Staaten sich zur Förderung des freien Handels zusammenschließen und umfasst zwei Ebenen: Das Verbot von Zöllen und angeglichene Regulierungen. Weil am TTIP neben den europäischen und amerikanischen Staaten auch Kanada, Mexiko, die Schweiz, Liechtenstein, Norwegen und Island beteiligt wären, handelt es sich hierbei um die Entstehung der größten Freihandelszone der Welt.

Trotzdem sind vor allem die EU und die USA Hauptverhandlungspartner – bei jeder Angleichung wird bis ins kleinste Detail darüber diskutiert, ob zukünftig der US- oder der EU-Standard gelten soll. Das betrifft zum Beispiel die Zulassung von Autos, oder die Vorschriften für Lebensmittel und Medikamente – all das soll vereinheitlicht werden.

 

Greenpeace enthüllt geheime TTIP-Papiere

 

Bislang fanden die Verhandlungen überwiegend hinter verschlossenen Türen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt – Washington und Brüssel waren offensichtlich geradezu peinlich genau darauf bedacht, keine Informationen über die voran schreitenden Verhandlungen preiszugeben. Dadurch stieg das immer umstrittenere TTIP nicht unbedingt in der Gunst der Bevölkerung; die Geheimniskrämerei schürte viel eher Misstrauen. Doch damit ist nun endlich Schluss: Greenpeace hat kürzlich 240 Seiten Verhandlungstext veröffentlicht. Die Dokumente des längst überfälligen TTIP Leaks wurden der Umweltorganisation von einer geheimen Quelle zugespielt.

Nun haben wir ihn endlich schwarz auf weiß: einen ungefilterten Einblick auf den aktuellen Verhandlungsstand. Und dieser beweist, dass die USA die EU momentan massiv unter Druck setzen. Amerika fordert beispielsweise, dass die EU-Staaten ihre Zölle auf Agrarprodukte senken. Im Umkehrschluss sollen Europäer weniger Zölle für Autoimporte zahlen müssen.

Außerdem greifen sie den europäischen Verbraucherschutz an: Die USA wollen durchsetzen, dass genmanipulierte Lebensmittel in der ganzen Freihandelszone angebaut und verzehrt werden dürfen, bis ihre Schädlichkeit wissenschaftlich nachgewiesen wurde. Dabei galt in der EU bislang die Richtline, Genfood nur dann zu erlauben, wenn dessen Schädlichkeit komplett ausgeschlossen ist.

Auch bei den umstrittenen Schiedsgerichten zeigt sich die USA-Regierung momentan wenig kompromissbereit: Die Gerichte sollen um jeden Preis bleiben, denn sie erlauben es Unternehmen, gegen Staaten zu klagen, wenn sie sich ungerecht behandeln fühlen. Konzerne können dadurch Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen und nationale Gerichte umgehen. Derzeit klagt zum Beispiel der schwedische Konzern Vattenfall gegen Deutschland – weil die Bundesrepublik aus der Kernenergie aussteigt.

 

Massenprotest gegen das TTIP

 

Verbraucherschutz, Arbeitnehmerrechte und Sozialstandards: Mit dem TTIP könnte sich das Leben jedes Menschen diesseits und jensseits des Atlantiks auf einen Schlag verändern. Und weil sich viele auf unserer Seite des Ozeans so gar nicht mit den amerikanischen Forderungen anfreunden können, gehen Millionen Menschen auf die Straße, um gegen das umstrittene Abkommen zu demonstrieren. Unter ihnen sind Verbraucherschützer, die sich vor gentechnisch veränderten oder mit Hormonen behandelten Lebensmitteln fürchten – aber auch Bürger, die einfach nur wissen wollen, was da vor sich geht.

Denn trotz der jüngsten Enthüllungen und obwohl das Abkommen ganz nebenbei das Leben von einer Dreiviertelmilliarde Menschen betrifft, schirmen die Regierungschefs die Bevölkerung von den Verhandlungen weiterhin ab. Die EU behauptete lange, die TTIP-Dokumente müssten geheim bleiben, um die eigene Position nicht zu schwächen. Eine fadenscheinige Ausrede: Man möchte sich vielmehr später nicht rechtfertigen müssen, falls man sich Washington geschlagen geben musste. Doch danach sieht es den Greenpeace-Enthüllungen zufolge immerhin nicht aus. Die EU hält ganz gut dagegen und pocht ebenfalls auf ihren Standards – noch.

 

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Bildquelle: Emre Gencer  unter cc0 1.0