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Vielfalt in Deutschland: Hier ist kein Platz für Rassismus

Dass der Rassismus in Deutschland lebt, wird in den letzten Wochen schmerzhaft deutlich zum Ausdruck gebracht. In Heidenau hetzen Rechtsextreme gegen Flüchtlinge, die Situation eskaliert, mehr als 30 Polizisten werden verletzt. Damit „markiert Heidenau eine neue Eskalationsstufe“, wie der Spiegel schreibt. Sachsens Ministerpräsident Tillich äußert sich deutlich dazu: „Rassismus ist eine Schande, Rassismus ist der Nährboden für Verbrechen. Ich erwarte, dass alle im Freistaat Sachsen dem entschieden entgegentreten.“ Die Vorfälle rechtsextremer Gewalt häufen sich: Allein im ersten Halbjahr 2015 gab es 176 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte oder ähnliche Einrichtungen. Umso wichtiger ist es jetzt, deutliche Zeichen zu setzen, dass Menschen jeglicher Herkunft, jeglichen Aussehens und jeglicher Religion nicht nur hier willkommen sind, sondern sie alle ein selbstverständlicher Teil Deutschlands sind. Wir müssen verdeutlichten, dass hier kein Platz für Fremdenfeindlichkeit ist.

 

Gehört der Rassismus zu Deutschland?

 

Der Rassismus ist spürbar geworden in den letzten Tagen und das macht vielen Leuten Angst. Dabei war er vorher schon da, nur nicht so sichtbar und eindeutig wie zu dieser Zeit. Der Publizist Mark Terkessidis setzt sich in seinem Werk „Interkultur“ auch mit dem strukturellen Rassismus und den Barrieren für die Vielheit auseinander. „Wenn es in der Bundesrepublik Vorfälle zu Rechtsextremismus gibt und Vorfälle, die mit Gewalt zu tun haben, dann haben wir auch eine Konjunktur von Forschung und Auseinandersetzung und Diskussionen zu dem Thema Rassismus“, so Terkessidis in einem Vortrag auf der Podiumsdiskussion „Gehört der Rassismus zu Deutschland? Und wenn ja: Warum?“

Nach so einem Diskurs breche die Beschäftigung mit der Thematik allerdings immer ab. „Das hat damit zu tun, dass es immer als Ausnahme im normalen Funktionieren der Gesellschaft betrachtet wird, statt als strukturelles Problem.“ Der Rassismus gehöre also zu den Gesellschaften, in denen wir leben. Ob das änderbar sei oder nicht, spiele in erster Linie keine Rolle, denn erst wenn wir das akzeptieren, können wir uns damit auseinandersetzen, so Terkessidis.

 

Große Herausforderungen für die EU

 

Es ist nicht zu bestreiten, dass „der massenhafte Zustrom von Flüchtlingen und Migranten, besonders in diesem Jahr, […] eine gewaltige Herausforderung für das Land“ darstellt, wie die Zeit schreibt. Laut dem EU-Kommissar Avramopoulos, ist 2014 der Zustrom von „illegalen Einwanderern“ in der EU um 138 Prozent gestiegen. Aber deswegen die Festung Europa besser zu rüsten, wäre genau die falsche Konsequenz: „Diese Menschen pauschal abzuweisen, wäre ein Anschlag auf unser Selbstverständnis“, so die Zeit. Stattdessen ist es notwendig, immer wieder zu betonen, dass Flüchtlinge grundsätzlich willkommen sind, während an Lösungen für den Umgang mit der Situation gearbeitet wird. Die Sprache, in der wir unsere Ansichten artikulieren, ist dabei also ein wichtiges Instrument.

 

Darf man das noch sagen?

 

Insgesamt herrscht aber ein großes Kreuz und Quer in der Wortwahl, es wird deutlich, dass vieles Auslegungssache ist. Im Alltag werden Begriffe wie „Multikulti“ oder „Integration“ gefährlich unterschiedlich besetzt. Es ist ja auch verwirrend. Darf man noch „Schwarzer“ sagen, oder „Ausländer“? Oder sind das „Menschen mit Migrationshintergrund“? Und so wird die Suche nach der politisch korrekten Wortwahl zur Jonglage mit merkwürdigen Bürokratiebegriffen, die eigentlich hauptsächlich für die statistische Erfassung von Zuwanderung verwendet werden.

Dabei sind es doch schlicht Münchner oder Mannheimer, Berliner oder Bremer, die hier, wie jeder andere auch, in Deutschland leben, hier sogar meistens aufgewachsen sind: „Warum werden Menschen, die hier leben, arbeiten, lieben, spielen, lernen, wohnen, lachen, als ‚Fremde‘ bezeichnet?“, fragt die Journalistin Heike Kleffner, deren Zitat für die Kampagne „Im Kontext NSU“ verwendet wird.

Auch der Begriff Integration ist nicht eindeutig definiert. So sagte Angela Merkel in einem Satz, dass der Islam zu Deutschland gehöre und man deswegen an der Integration arbeiten müsse. Aber wenn der Islam schon zu Deutschland gehört, worein soll man ihn dann noch integrieren?

 

Keine Angleichung, sondern gemeinsames Gestalten

 

Die Kritik am Begriff Integration richtet sich vor allem dagegen, dass er in Verbindung mit Assimilation, mit Angleichung, gebracht wird. Das ist hauptsächlich durch die bürokratische Sprache beeinflusst, die in Einwanderungsgesetzen von einer Einwanderungs- und einer Aufnahmegesellschaft ausgeht. Mit dieser Wortwahl scheinen Einwanderer über kulturelle oder sprachliche Defizite zu verfügen, die sie erst in einem Prozess der Angleichung überwinden müssen. „Häufig wird Integration im Alltagsverständnis als etwas betrachtet, wofür es bestimmte Standards gibt, an die sich andere anzupassen haben“, schreibt Mark Terkessidis in „Interkultur“.

Stattdessen aber sollte es eine Gesellschaft sein, die ein interkulturelles Zusammenleben als Ausgangspunkt für ein gemeinsames Gestalten der Zukunft sieht. Es dürfe nicht darum gehen, Einwanderer in bestehende Strukturen einzugliedern, sondern vielmehr darum, neue Strukturen zu schaffen. Deutschland ist bei dieser Auseinandersetzung im Vergleich zu anderen Ländern wie Großbritannien allerdings ziemlich hinten dran. Erst 1998 wurde die Bundesrepublik offiziell als Einwanderungsland anerkannt. Vorher wurde es als vorübergehende Situation von kurzzeitig hier lebenden „Gastarbeitern“ dargestellt.

 

Interkultur statt Integration

 

Bei der Interkultur wird im Gegensatz zum Multikulturalismus jedoch davon ausgegangen, dass verschiedene Kulturen in einem Land nicht nebeneinander oder auf Zeit und in abgeschlossenen Systemen existieren, sondern dass ein Austausch zwischen ihnen stattfindet. Die einen lernen von den anderen und umgekehrt. So liegt die Betonung hier nicht auf Unterschieden oder Defiziten, sondern auf den Gemeinsamkeiten.

Es soll kein Trennen mehr stattfinden in fremd und nicht-fremd, sondern von einem „Wir“ gesprochen werden. Denn dass eine kulturelle Vielfalt in Deutschland Normalität und nicht Ausnahme ist, muss besonders jetzt ganz laut gerufen werden. Mit Pauken und Tropmpetenschlag. Und mit ganz viel buntem Konfetti.

 

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Bildquelle: Markus Winkler unter CC BY-SA 2.0