Buch von Max Osswald

Mit Zynismus gegen den Weltschmerz: Der neue Roman von Max Osswald

Max Osswald werden die meisten von uns durch seine Auftritte auf diversen Comedy-Bühnen kennen. Immer gut gelaunt und stets mit einem dreisten Spruch auf der Zunge, zieht er seit einigen Jahren durch die Bundesrepublik und bringt in großen und kleinen Städten sein Publikum zum Lachen. Verständlich also, dass ich mich sehr freute als eines Nachmittags Max Debütroman vor meiner Haustür lag.

Perfekt, etwas Leichtes und Lustiges für zwischendurch, genau das konnte ich für meine anstehende Bahnfahrt gut gebrauchen. Um so größer wurden meine Augen, je tiefer ich in das Buch eintauchte, denn Von hier betrachtet sieht das scheiße aus, ist alles andere als ein Honigkuchenpferd-Roman.

Worum geht es?

Ben ist 29 und von außen betrachtet hat er das perfekte Leben. Er ist erfolgreich in seinem Beruf, soll befördert werden und hat eine tolle Wohnung in München. Doch Ben hat keine Lust mehr. Sein Job langweilt ihn, er verachtet seinen Chef, zu seiner Familie hat er seit Jahren keinen vernünftigen Kontakt mehr und in der Liebe will es einfach nicht laufen. Zu allem Übel spielt auch seine Psyche nicht mit. Denn Ben ist schwer depressiv und sein Hang zu Drogen macht diesen Zustand nicht unbedingt besser.

Irgendwann reicht es ihm mit diesem „scheiß Leben“ und so beschließt Ben, seinem Dasein ein Ende zu setzen. Doch wenn schon die letzten 29 Jahre langweilig waren, dann soll bitte wenigstens sein Tod spektakulär werden. Kurzerhand organisiert er sich einen Auftragskiller, welcher sein Leben nach einer Frist von 50 Tagen beenden soll.

Doch was, wenn man in diesen 50 Tagen merkt, dass das Leben doch nicht so aussichtslos ist? Und was macht man eigentlich mit dem „Rest seines Lebens“ wenn man nichts mehr zu verlieren hat?

Zwischen Lachkrämpfen und Schockstarre

Wer – wie ich – bei einem Buch von Max Osswald an leichte Literatur für einen entspannten Sonntagnachmittag gedacht hat, der wird hier leider enttäuscht werden, denn „Von hier betrachtet sieht das scheiße aus“, ist so viel mehr. Während ich mich also für vier Stunden auf meinem Sitzplatz im ICE zusammenrollte, erlebte ich Bens gesamte Spanne an Emotionen. Die ersten 30 Seiten sind wirklich nichts für schwache Nerven. Man kann Bens Verzweiflung beinahe mit Händen greifen. Und doch erwischte ich mich immer wieder dabei, wie mir das Lachen bei einigen Passagen im Hals stecken blieb. Denn wenn Max Osswald mit seinem Roman eins schafft, dann ist es, die Ambivalenz des Lebens und auch der Hürden, die dieses mit sich bringt, sarkastisch und doch punktgenau zu zerpflücken und in seine Einzelteile zu zerlegen.

„Ich erledige ales, aber immer zu wenig, weilich immer mehr hätte erledigen können; am allermeisten erledige ich aber mich selbst.“

Seite 40

Im Verlauf des Buches wird deutlich: Ben ist ein leidenschaftlicher Zyniker. Er hat in seinem Leben scheinbar alles genau so gemacht, wie es jedem von uns beigebracht wird, doch das Heilsversprechen blieb aus. Am Ende des Studiums und der Karriere stand nicht der Topf voll Glück und Gold, sondern die Depression und der Burnout. Es kann schon ganz schön desillusionierend sein, wenn man bemerkt, dass Erfolg nicht unbedingt etwas mit Erwerbsarbeit zu tun haben muss.

Um so erfüllender ist es jedoch mitzuerleben, wie Ben sich in den 50 Tagen, welche ihm bis zu seinem vermeintlichen Tod noch bleiben, aufblüht. Und während er seine „To-do-Liste“ für den Rest seines Lebens abarbeitet, beschäftigt er sich nicht nur mit den existentiellen Problemen des Lebens (und des Sterbens), sondern auch mit sich selbst, seinem Umfeld und der großen Frage nach dem Warum.

Mein Fazit

Ich kann es nicht anders sagen: „Von hier betrachtet sieht das scheiße aus“ ist großartig. Wer „Das Café am Ende der Welt“ zu poetisch fand und auch im Jakobsweg keine Ruhe finden konnte, der wird sich bei Ben und seinem konsequenten Fatalismus extrem gut aufgehoben fühlen. Ich habe mir selten so viele Passagen fett unterstrichen, so oft laut gelacht und mich gleichzeitig so häufig selbst hinterfragt wie beim Lesen dieses Romans. Ja, Bens Zynismus tut manchmal weh und ja, Triggerwarnungen wären an manchen Stellen sicher hilfreich gewesen, aber die Geschichte ist so überdreht wie nachvollziehbar und Ben wächst einem bereits nach den ersten Seiten ans Herz.

Wer aktuell also in einer handfesten Quarterlife Crisis steckt oder einfach nur mal wieder einen gut geschriebenen und durchdachten Roman lesen möchte, der ist bei Max Osswald hervorragend aufgehoben.

Max Osswald hat ein Buch namens Quarterlife Crisis geschrieben. Sein Debütroman »Von hier betrachtet sieht das scheiße aus« erscheint am 18. Mai 2022 bei dtv.

Mehr Artikel zu dem Thema:

Folge ZEITjUNG auf FacebookTwitter und Instagram!

Bidquelle: privat