Figuren stehen auf Oberfläche

Warum du über 6,6 Ecken die Queen von England kennst

Wenn man jemanden kennt, der jemanden kennt, der einen kennt, der wiederum jemaden kennt, der mit meinem Cousin auf der Schule war und den ich mal auf einer Familienfeier getroffen hab.

Ich komme vom Dorf und dort ist es das Üblichste der Welt, dass jeder jeden kennt – im schlimmsten Fall bist du sogar mit der Hälfte verwandt. Man kennt sich aus der Schule oder einfach vom Dorffest. Bei einem so kleinen Kreis an Leuten ist es ja fast schon natürlich, dass man sich kennt – vielleicht über ein paar Ecken, aber man kennt sich. 

Zum Studium bin ich nun in die Stadt gezogen und ich war tatsächlich verwundert, wie auch hier jeder irgendwie jeden kennt. Meine Kommilitonen haben teilweise gemeinsame Freunde oder ein Bekannter ist der ehemalige Mitbewohner von meinem Dozenten. Oder man trifft jemanden von der Schule auf einer fremden WG-Party. In solchen Momenten denkt man sich: „Wie klein ist denn bitte die Welt?“ 

Jeder kennt diese verrückten Situationen. Wenn man irgendwo unerwartet Leute trifft, die absurderweise Leuten kennen, die man selbst kennt. Tatsächlich hat es dieses Phänomen bis in die Wissenschaft geschafft und wurde dort untersucht. Es nennt sich Kleine-Welt-Phänomen oder Six Degrees of Separation.

Ich kenn dich doch

Als erstes untersucht wurde es in den 60er Jahren von Stanley Milgram. Er verfolgte die Sendekette von Paketen auf ihrem Weg zur Zielperson. Aufgabe der Teilnehmer war, die Pakete nicht direkt an die Zielperson zu senden, sondern an eine persönlich bekannte Person, die auch die Zielperson kennen könnte (Stanley Milgram: The small world problem. In: Psychology Today. Mai 1967). 

Im Laufe der Zeit kamen forschende Sozialpsychologen immer wieder darauf zurück und entwickelten das Modell mit modernen Methoden wie der Nachverfolgung per Telefon, Mail oder Instant-Messenger weiter. Dort wurde Milgrams Forschung nochmal bestätigt: die Kette, die zwei Menschen verbindet, ist durchschnittlich 6,6 Personen lang. (Online-Lexikon für Psychologie und Pädagogik, https://lexikon.stangl.eu/1262/kleine-welt-phaenomen.). Einfach gesagt bedeutet das, dass du über ca. 6,6 Ecken jeden Menschen auf der Welt erreichen kannst.

Das Grundprinzip des Phänomens: Jeder von uns hat ein soziales Netzwerk bestehend aus Familie, Freunden und Bekannten. Sie haben jeweils selber ein eigenes soziales Netzwerk. Es überschneidet sich teilweise, vor allem wenn sie in lokaler unmittelbarer Umgebung wohnen. Teilweise leben Menschen aus dem eigenen Netzwerk aber weiter entfernt und haben ein soziales Netzwerk bestehend aus ganz neuen Personen. Das soziale Netzwerk der anderen Personen ist nur einen Handschlag weg – egal ob in unmittelbarer Nähe oder weiter weg. Dadurch entstehen die Kontaktketten auch mit Personen außerhalb der eigenen lokalen Nähe.

Vitamin B mal anders

Das Ganze klingt am Anfang vielleicht etwas abstrakt, aber wenn man sich ein bisschen weiter reindenkt, wird es schnell nachvollziehbar. Du kennst sicher Personen, die nicht in deinem direkten lokalen Umfeld leben und Personen, so genannte Superspreader, die ein besonders großes soziales Netzwerk haben. Dadurch ist die Anzahl der Menschen, die du schon über eine Ecke kennst, enorm hoch. Wenn du dir dann überlegst, wen diese Menschen wiederum alles in ihrem sozialen Netzwerk haben, steigt die Anzahl der Leute noch weiter an und das geht dann immer so weiter. Wenn man das jetzt immer weiterdenkt, ist es also gar nicht so unwahrscheinlich die Queen von England oder den Dalai Lama über 6,6 Ecken zu kennen.

Dieses Wissen ist nicht nur faszinierend, sondern auch praktisch und hilfreich. Denn für das alltägliche Leben ist es zwar nicht relevant den Dalai Lama kontaktieren zu können aber es ist sinnvoll – vor allem für das Berufsleben – ein gutes soziales Netzwerk zu haben. Das kann einem oftmals weiterhelfen, wenn man bei der Praktikums- oder Jobsuche nicht weiterkommt, bei der Wohnungssuche Hilfe braucht oder Ansprechpartner für einen bestimmten Fachbereich sucht. 

Dabei muss man nicht mal großartiges Networking betreiben, um viele verschiedene Personen zu kennen, sondern – wie uns das „Kleine Welt Phänomen“ zeigt- , kennen wir oft schon über ein oder zwei Ecken viele verschieden Menschen. Um diese Möglichkeit wahrzunehmen, ist es gut mit offenen Augen und Ohren durch das Leben zu gehen und sich auch mal außerhalb der eigenen Bubble zu bewegen. 

Quellen: https://lexikon.stangl.eu/1262/kleine-welt-phaenomen , Stanley Milgram

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Bildquelle: Pixabay, pexels unter CC0-Lizenz